Gastbeitrag 18.10.2018, 08:40 Uhr

Den Arbeitsplatz der Zukunft gestalten

Der digitale Arbeitsplatz soll die Arbeit nicht nur effizienter, effektiver und lustvoller machen. Er soll diese selbst verändern. Aber wie und wo fängt man damit an, sich und sein Team fit für die Zukunft zu machen? Drei Tipps aus der Perspektive jahrelanger Arbeitsplatzbeobachtungen.
Wenn Mitarbeitende selbst beginnen, ihre Arbeitsweise weiterzuentwickeln, zeigt das, dass sie die digitale Transformation wirklich leben
(Quelle: Shutterstock/G-Stockstudio)
An Konferenzen, Networking-Events oder Weiterbildungsveranstaltungen wird viel über den Arbeitsplatz der Zukunft diskutiert. Denn die Arbeitswelt ist daran, sich drastisch zu verändern. Bei den einen weckt dies Hoffnungen, bei den anderen schürt es Ängste. Daher lohnt es sich, konkret zu werden, am Arbeitsplatz hinzuhören und zuzuschauen, wo ein Team steht. Was braucht es, damit die Mitarbeitenden ihre Arbeit gut und gern erledigen? Wie kann die digitale Transformation sie dabei unterstützen, was verbessern oder weiterentwickeln? An dieser Stelle möchte ich drei Learnings teilen.

1. Misten Sie aus

Der Weg zum Arbeitsplatz der Zukunft umfasst weit mehr als die Beschaffung einer neuen Plattform. Projekte der digitalen Transformation sind immer auch Datenbereinigungsprojekte. Aus Projektleitungssicht ist das meist ein Horror: Denn kleine oder mittlere Projekte verschlingen plötzlich viel mehr Ressourcen und dauern viel länger als geplant. Aber es lohnt sich! Denn in der Wissensarbeit ist der Aufwand zentral, den Sie mit der Informationssuche und -pflege verbringen. In der Praxis erleben Mitarbeitende diese oft als zeitraubend und nervenaufreibend. Ein paar Beispiele: Ein Klassiker sind Personenverzeichnisse. Es gibt wohl kaum ein Unternehmen, das eine einzige Datenbank mit Kontakten führt. Die einen Verzeichnisse werden zentral geführt, die anderen in den einzelnen  Organisationseinheiten, und meist verwalten die Mitarbeitenden noch ihre eigenen Kontaktdaten. Die einen Verzeichnisse enthalten zu viele, die anderen nicht die relevanten Angaben und sowieso sind alle unterschiedlich aktuell. Der Aufwand für die Pflege derselben Daten fällt mehrfach an, weil Daten in unterschiedlichen Silos liegen. Oft ist nicht klar, ob man eine Information im Intranet findet, auf dem gemeinsamen Laufwerk, im Geschäftsverwaltungs- oder einem anderen System. Mehr noch, bei teilweise redundanten Daten ist nicht klar, welche Information aktuell und richtig ist. So müssen die Mitarbeitenden oft an mehreren Orten suchen. Dazu kommt die Zeit für die Abklärungen, welche Information denn jetzt aktuell und richtig ist. Seit wir in unserem Unternehmen selbst eine neue Datenbank aufgebaut haben, die zahlreiche vorher verteilte Informationen zentralisiert, können viel mehr Mitarbeitende andere von vorher zeitraubenden Recherchen entlasten.
“Schaffen Sie eine Atmosphäre, in der alle ihre Sichtweise einbringen können und wollen„
Andrea Rosenbusch
Für eine Datenbereinigung ist es nie zu früh oder zu spät. Ausserdem können Sie diese weitgehend unabhängig von anderen Projekten durchführen, sodass Sie auch mit dem Projektmanagement nicht in die Bredouille kommen.

2. Lernen Sie «Pidgin»

Um Doppelspurigkeiten in der Datenpflege oder Painpoints wie ineffiziente Suchen aufzudecken, hilft ein Blick von aussen, etwa in Form von Arbeitsplatzbeobachtungen (vgl. Kasten). Doch um etwas gegen die identifizierten Schwächen zu unternehmen, müssen die Mitarbeitenden im Unternehmen miteinander reden. Dazu braucht es eine gemeinsame Sprache, ein «Pidgin», eine «Lingua Franca». Die gemeinsame Sprache ist durchaus wörtlich zu nehmen. Im Unternehmen müssen sich Mitarbeitende darauf einigen, was sie unter bestimmten Wörtern verstehen. Gemeinsame Sprache heisst auch, einander verstehen zu wollen. Denn ohne Empathie für das Gegenüber, ohne Neugierde für dessen Tätigkeiten und Anliegen ist keine Kollaboration möglich. Hierbei sollte man auf Folgendes achten:
  • Klären Sie, was hinter Begriffen steckt: Die Entwicklung einer internen Fachapplikation in einer Firma wäre fast an Terminologieproblemen gescheitert. Für die Übersicht über die anstehenden Aufgaben verwendete eine Organisationseinheit den Begriff «Cockpit», andere benutzten «Dashboard», «Worklist» oder einfach «Tasks». Eine Verständigung darüber, was die Abteilungen sich eigentlich vorstellten, wurde erst mit der Visualisierung des Inhalts und der Funktionen erreicht. Schlimmer aber war, dass die Vertreter vom Fach und jene der IT den Begriff «Workflow» unterschiedlich einsetzten. Es dauerte lange, bis sie merkten, dass sie nicht vom Gleichen redeten und dass sie den gefällten Technologieentscheid aufgrund des Missverständnisses überprüfen mussten.
  • Verhandeln Sie hart: Wenn Sie solche Missverständnisse aufgrund der Sprache aufgedeckt haben, müssen Sie sich im Unternehmen auf Begriffe und deren Definition einigen. Das kann ganz schön anstrengend sein, wie wir beim Aufbau einer neuen Datenbank in unserer Firma selbst erlebt haben. Bei fast jedem Feld haben wir darüber diskutiert, was es beinhaltet, woher die Daten kommen und wie es bezeichnet wird. Doch dank der unterschiedlichen Perspektiven aus dem Team haben wir am Schluss eine bessere Lösung entwickelt.
  • Handhaben Sie Emotionen: In einem Webprojekt sollte die bisher organisatorisch gegliederte Information thematisch strukturiert werden. Nun aber hiess eine Organisationseinheit «Dienstleistungen» und war nicht damit einverstanden, dass der Begriff Dienstleistungen in einer anderen Interpretation verwendet werden sollte. Bezeichnungen können sehr emotionsgeladen sein, vor allem, wenn sie die persönliche Identität betreffen. Nach zahlreichen Gesprächen sowie einem Usability-Test, mit dem die Perspektive der User ausserhalb der Organisation eingeholt wurde, war es allen Beteiligten möglich, sich auf einen für Externe verständlichen und auch intern akzeptierten Alternativbegriff zu einigen.
Bringen Sie Ihre Mitarbeitenden an einen Tisch. Schaffen Sie eine Atmosphäre, in der alle ihre Sichtweise einbringen können und wollen. Diskutieren Sie hart, aber fair.

3. Schürfen Sie nach Potenzial

Eine Studie mit Arbeitsplatzbeobachtungen fokussierte auf die Tools, welche die Mitarbeitenden selbst initiiert hatten, um ihre Zusammenarbeit zu optimieren. Davon gab es eine Menge, insbesondere Sammlungen bisheriger Arbeitsergebnisse in Form von Anleitungen, Tipps und Tricks, häufigen Fragen, Beispielfällen oder Rechtssammlungen. Wichtig war jeweils auch die Sicherstellung des Informationsflusses bei Mitarbeitenden, die gemeinsam Aufgaben wahrnahmen oder sich gegenseitig vertreten konnten. Beide Aspekte sind zentral für eine erfolgreiche Kollaboration: der inhaltliche Wissensaustausch und die Koordination unter den Mitarbeitenden. Wenn Mitarbeitende selbst beginnen, ihre Arbeitsweise weiterzuentwickeln, zeigt das, dass sie die digitale Transformation wirklich leben.
Heben Sie dieses Potenzial. Nutzen Sie das Know-how Ihrer Mitarbeitenden und entwickeln Sie gemeinsam den neuen digitalen Arbeitsplatz. Sie werden effektivere und effizientere Arbeitsplätze und zufriedenere Mitarbeitende erhalten, da Sie ihre Anliegen aufnehmen und ihnen geeignete Instrumente bereitstellen. Eine Win-win-Situation.
Arbeitsplatzbeobachtung
Arbeitsplatzbeobachtung ist die Beobachtung von Mitarbeitenden in ihrem realen Nutzungskontext (daher auch «Contextual Inquiry» genannt). Die Methode beruht auf tatsächlichen und konkreten Anwendungsfällen unabhängig der dafür verwendeten Tools. Stärken und Schwächen, Lücken und Potenzial werden auf diese Weise empirisch analysiert und bilden die Grundlage für die Entwicklung neuer oder die Optimierung bestehender Systeme.
Die Autorin
Andrea Rosenbusch
Andrea Rosenbusch ist User Experience Architect und Managing Partner bei der Zürcher Agentur Zeix.
www.zeix.com

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