Customer Experience 27.02.2023, 09:35 Uhr

«Metaverse eröffnet neue Dimensionen»

Fest steht: Auch im Metaverse werden jede Menge Daten anfallen. Ein ­Gespräch mit Sean Whitty, Chief Technologist bei Adobe.
Sean Whitty ist Chief Technologist bei Adobe. Er unterstützt Kunden bei der digitalen Transformation
(Quelle: Adobe)
Daten sind nicht alles, aber ohne Daten ist alles nichts, könnte man etwas überspitzt das Mantrainnovativer Geschäftsmodelle in Zeiten des digitalen Wandels formulieren.
Welche Rolle Daten im Zukunftsprojekt Metaverse spielen, bespricht Computerworld mit Adobe-Chief-Technologist Sean Whitty.
Computerworld: Alle sprechen derzeit vom Metaverse. Können Sie kurz skizzieren, welche Daten erfasst werden, wenn User auf eine der Plattformen gehen?
Sean Whitty: In erster Linie werden das Verhaltensdaten sein. Bereits heute bilden Verhaltensdaten – zusammen mit der Einkaufshistorie oder Interaktionen mit dem Kundenservice – die Grundlage für Marken, um personalisiert auf die Bedürfnisse ihrer Kundschaft reagieren zu können. Doch gerade in Bezug auf diese Verhaltensdaten eröffnet das Metaverse ganz neue Dimensionen, weil sich völlig neue Interaktionsmöglichkeiten zwischen Marke und Kundschaft ergeben. Nutzen und Optionen unterscheiden sich natürlich von Branche zu Branche, genauso wie die Art der gesammelten Daten. Hier muss jede Branche und jedes Unternehmen für sich herausfinden, welche Daten sinnvoll für eine optimale Customer Experience und für das grösstmögliche Unternehmenswachstum sind.
CW: Um welche Datenquellen geht es dabei konkret?
Whitty: Im Wesentlichen erlaubt das Metaverse den Marken tiefere Einblicke in das individuelle Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten. Das macht es auch zu einer wertvollen Informationsquelle für eine solide First-Party-Data-Strategie. Egal ob Streamingvideos oder inhaltsbasierte Verhaltensweise: Im Metaverse kommen eine ganze Reihe von Datenquellen zusammen. Marketer können hervorragend nachvollziehen, wie sich Menschen zwischen verschiedenen Kanälen bewegen und was diese Bewegung auslöst.
Klar ist aber auch: Das Metaverse steht noch ganz am Anfang. Noch wissen wir nicht, welche Metriken entscheidend sind. Eine Möglichkeit, sich an das Thema Metaverse und Daten heranzutasten, ist – wie bei jeder soliden Business-Strategie –, vorab zu überlegen, was man als Unternehmen eigentlich erreichen möchte und welche Informationen dafür nötig sind. Aufs Geratewohl Daten zu sammeln, sorgt nur für Unverständnis und Frust bei den Kundinnen und Kunden und für ein unnötiges Datenchaos auf Unternehmensseite.

«Das Metaverse gleicht einer Spieleplattform»

CW: Ist das vergleichbar mit den Datenstrategien, die beispielsweise auch bei den heutigen Online-Spielen verfolgt werden?
Whitty: In vielerlei Hinsicht gleicht das Metaverse einer Spieleplattform, das stimmt. Es werden persönliche Informationen, Spieldaten, Fortschritte, Einkäufe oder die Benutzer-ID, Gerät, Region, Spielstunden und vieles mehr gesammelt. Das Metaverse baut auf diesen Spieleplattformen auf und leitet gewissermassen die nächste Stufe ein. Im Wesentlichen erweitert das Metaverse die Datenmöglichkeiten, indem es mehrere Realitäten zu einem gemeinsamen «virtuellen» 3D-Ort kombiniert, an dem neben Spielen eben auch private oder berufliche Inter­aktionen stattfinden oder an dem Menschen mit Marken interagieren. Im Gegensatz zur 2D-Interaktion am Bildschirm – dem Internet, wie wir es heute grösstenteils nutzen – kommt also nicht nur eine weitere Dimension dazu, sondern es kommen auch vielfältige Möglichkeiten für Marken hinzu, mit ihren Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten. Es wird immer komplexer. Umso wichtiger ist es, die Daten aus allen Quellen zu einem einheitlichen Kundenprofil zu verdichten, um ein ganzheitliches Bild zu erhalten.
“Das Metaverse erlaubt Marken tiefere Einblicke in das Verhalten der Konsumenten„
Sean Whitty
CW: Können diese Daten mit Erkenntnissen aus anderen Kanälen wie der Website oder mobilen Apps kombiniert werden?
Whitty: Sie müssen sogar! Viele Marketer beklagen, dass Customer Journeys wegen der steigenden Anzahl an Touchpoints immer fragmentierter werden, gleichzeitig werden die Konsumentinnen und Konsumenten immer anspruchsvoller und setzen nahtlose Erlebnisse voraus. Bereits heute lassen sich mithilfe von Customer Data Platforms die Daten verschiedener Touchpoints zu einem einheitlichen Kundenprofil verdichten. Unsere Adobe Experience Platform ermöglicht beispielsweise nahtlose Kundenerlebnisse über alle Kanäle hinweg, mit Adobe Customer Journey Analytics lassen sich die Insights aus verschiedenen Kanälen zusammenführen. Zukünftig muss das natürlich auch sämtliche Datenpunkte im Metaverse einschliessen.

«Alles rückt quasi in die direkte Nachbarschaft»

CW: Wie kann das Metaverse dazu beitragen, die Customer Experience zu verbessern?
Whitty: Was das Metaverse erfolgreich machen wird, ist die Überbrückung physischer Distanz. Alles rückt quasi in die direkte Nachbarschaft. Man kann in jeden beliebigen Laden auf der Welt gehen und wird begrüsst, als beträte man seine Stammkneipe. Oder man trifft sich mit Freundinnen und Freunden in einem New Yorker Museum, obwohl alle auf verschiedenen Kontinenten leben. Marken können das hervorragend für sich nutzen, um Nähe zu ihren Kundinnen und Kunden herzustellen, etwa durch eine persönliche Beratung in der Filiale – nur, dass diese eben im Metaverse stattfindet. Am Beispiel grosser Sportvereine, etwa Real Madrid und FC Bayern München oder der Major League Baseball, lässt sich das Potenzial bereits erahnen – auch wenn wir noch ganz am Anfang stehen. Wichtig ist zu verstehen, dass es im Metaverse um weit mehr als nur um Marketing geht. Entscheidend ist die Verbundenheit mit einer Marke.
CW: Sollten Online-Shops jetzt schon mit dem Metaverse experimentieren?
Whitty: Auf jeden Fall! Jetzt ist die Gelegenheit zu probieren, was funktioniert und was nicht. Noch einmal: Es geht um weit mehr als nur das Geschäft, es geht um das Markengefühl! Ein guter Start ist etwa, sich bereits jetzt mit 3D-Content auseinanderzusetzen. Lebensechte Assets sind dreidimensional, haben natürlich wirkende Texturen, Materialien und Beleuchtung. 3D-Assets sind übrigens nicht nur für immersive Erlebnisse im Metaverse Pflicht, viele Firmen profitieren heute bereits von 3D-Marketingmaterialien.
CW: Was fasziniert Sie, Herr Whitty, persönlich am Metaverse am meisten?
Whitty: Die unbegrenzten Möglichkeiten, Veränderungen anzustossen und mitzugestalten. Es ist nicht weniger als die Zukunft unserer Kommunikation und Interaktion. Es ist und bleibt spannend!
Der Autor
Helumt van Rinsum
analysiert als Fachjournalist seit vielen Jahren die Entwicklung der Medien sowie der Marketing­kommunikation.

Helmut van Rinsum
Autor(in) Helmut van Rinsum



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