Chefstrategen im Interview 30.07.2012, 15:35 Uhr

Wie gut ist HP Software?

HP hat turbulente Zeiten hinter sich. Aber jetzt wird der Konzern modernisiert. CW sprach mit HPs Hans-Peter Klaey und Daniel Lamprecht über IT-Optimierung, die HP-Strategie und den Schweizer Markt.
HPs Sahneschnitte: die IT Performance Suite im Überblick
Hewlett Packard hat turbulente Zeiten hinter sich. Brachialsanierer Mark Hurd kürzte kompromisslos und flüchtete sich dann zum Konkurrenten Oracle. Mister "Elefant im Porzellanladen" Léo Apotheker wollte HPs Umsatzbringer, die Personal System Group (PSG) gleich ganz abstossen, holte sich dabei aber selbst eine blutige Nase. HPs neuer CEO Meg Whitman verfolgt dagegen eine geschickte Strategie der synergetischen Integration. Gleichwohl gilt: HP steckt in einer Umbruchphase. Wie will sich der Konzern in den nächsten Jahren modernisieren? CW sprach mit zwei Chefstrategen der HP Software Group: Hans-Peter Klaey, SVP HP Software und Daniel Lamprecht, Country Manager Software, HP Schweiz.
CW: Einer meiner Kollegen fragte mich jüngst: Hat HP eine Strategie? Ich muss zugeben, HPs Software-Strategie ist nicht immer leicht erkennbar...
Klaey: Schauen Sie, unsere CEO Meg Whitman hat unsere Strategie so skizziert: HP-Hardware ist der Kern, in technologischer Hinsicht und mit einem Anteil von 70 Prozent auch hinsichtlich Umsatz. Die Software an der Peripherie des Kerns ergänzt die Hardware und bringt Mehrwert. Dabei fokussieren wir auf Cloud Services, Information Management sowie Security und liefern unseren Kunden entsprechende Lösungen. Solche Lösungen sind wichtig, denn der Kunde kommt ja nicht zu uns und sagt: Ich will eine Cloud, sondern er hat ein Problem und erwartet von HP eine Lösung.
Womit verdient die HP Software Group in der Schweiz gutes Geld? Was sind die Blockbuster?
Lamprecht: Wir haben in der Schweiz ein relativ ausgeglichenes Geschäft. Auf der einen Seite steht das Application Lifecycle Management mit den ganzen Quality-Suite-Produkten, auf der anderen Seite das Operations Management (vgl. Detailgrafik). Application Lifecycle Management ist der ganz grosse Renner in der Schweiz und wird es auch bleiben. Im Lösungsbereich Operations punkten wir mit dem Vorteil, End-to-end-Management anbieten zu können. Viele Kunden haben über die Zeit heterogene Landschaften von mehreren Herstellern aufgebaut, wollen aber mit einer Referenzarchitektur aus einem Guss konsolidieren, um Kosten und Managementaufwände zu senken.
Gut, aber Unternehmen wollen doch auch ihre Investitionen schützen, also nicht alles wegschmeissen, was sie schon an IT haben. Alte IT raus, HP rein kommt diesem Ziel nicht gerade entgegen.
Klaey: Das machen wir auf Wunsch unserer Kunden aber öfter, weil wir ja Mehrwert bieten, eben End-to-end-Management. Kunden bewegen sich, wenn der Business Case sehr positiv aussieht.
Lamprecht: Ein Unternehmen, das sich organisch entwickelt, hat zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Anforderung, die erfüllt werden muss. Es wählt ein zu diesem Zeitpunkt optimales Produkt dafür. So entsteht bei den Kunden mit der Zeit ein „Gemischtwarenladen“. Auf die Harmonisierung dieses „Gemischtwarenladens“ werden wir von Kunden in der Schweiz sehr häufig angesprochen. Application Lifecycle Management und Operations Management sind dabei unsere Kernthemen.
Das neue Geld der Schweiz aber sind die Daten. Vertrauenswürdigkeit und ein hohes Sicherheitsbewusstsein sind die grossen Stärken des Standortes Schweiz. Der Security- und der GRC -Layer sind daher für mich die ganz grossen Wachstumsmärkte. Das merken wir in Gesprächen mit Kunden und anhand der Verkaufszahlen und Projekte.
Nächste Seite: Schweizer Defizite punkto Sicherheit
Ich kann mir nur schlecht vorstellen, dass Schweizer Unternehmen bis jetzt nichts für ihre Sicherheit getan haben...
Klaey: Aber sie haben Security nicht in einer end-to-end-Betrachtung analysiert, sondern haben immer geglaubt, dass ein einzelnes Produkt, etwa eine Firewall, ausreicht. Mobile Komponenten und die interne Governance sind neue Themen, die Sicherheit nicht gerade vereinfachen, die HP aber abdeckt.
Lamprecht: Eine der ganz grossen Gefahrenquellen heute ist die unbeabsichtigte Weitergabe sensitiver Firmeninformationen (unintentional distribution of protected information). Der Anwender ist ja kein IT-Fachmann. Vertrauliche Informationen verlassen aus Unachtsamkeit dann unverschlüsselt die schützende Firewall der Unternehmens-IT.
Klaey: Noch nicht bewilligte Geschäftsberichte zu verschicken ist ein einziger Event, einer meiner Kunden hat 50 Millionen Events pro Monat. Das sind ziemlich viele, und um herauszufinden, welche Events als sicherheitsrelevant einzustufen sind, braucht man eine Korrelations-Engine wie die von HP Software. Die 50 Millionen werden damit auf 5000 Risk-relevante Ereignisse herunter gebrochen, und die können sie analysieren, managen und verstehen, was passiert.
Lamprecht: Wir teilen Events in Risikoklassen ein, und am rentabelsten läuft ein Prozess, wenn er auf einem maximal hohen Risikolevel läuft, das aber noch kontrollierbar ist. Senke ich das Risikoniveau zu weit ab, leidet etwa die Usability und damit die Effizienz. Deshalb muss ich die Risikoklasse zum Beispiel einer Marketing-Broschüre kennen: Muss die Broschüre wirklich dreifach verschlüsselt bei mir selbst gespeichert werden, oder reicht als Datenspeicher die Cloud?
Das Kerngeschäft der HP Software Group besteht aus Cloud, Infrastruktur-Management und Security. Wie passt da eine Big-Data-Spezialistin wie Autonomy ins Konzept? Mit Autonomy betritt HP doch unbekanntes Neuland, oder?
Klaey: Ich habe vor HP lange bei SAP gearbeitet und denke dadurch in End-to-end-Prozessen, in Business-Prozessen. Das hat mich gereizt, zu HP zu kommen, um dieses Wissen auch hier einzubringen. Die HP Performance Suite liefert eine End-to-End-Sicht auf die Infrastrukturkomponenten und auf die davon anhängigen Business-Prozesse. Im Gespräch mit Kunden höre ich immer noch viel von einzelnen Tools, von einzelnen Silo-Bereichen, aber langsam findet ein Umdenken statt. Ich weiss aus eigener Erfahrung, was ein integrierter Ansatz bringen kann.
Wenn man sich das gesamte Portfolio anschaut, haben wir uns gefragt: Wo liegt der Mehrwert von HP Software? Mit der Performance Suite können unsere Kunden ihre Outsourcing-Anbieter und Business-Abteilungen als Unternehmen führen, das heisst end-to-end überwachen, optimieren und automatisieren - per KPIs und Executive Scorecards. HP hat über die letzten sechs Jahre in sein Apps- und Operations-Portfolio über 10 Milliarden Dollar investiert, und in sein Security-Portfolio 1 Milliarde Dollar gesteckt.
Nächste Seite: HP gegen Oracle, SAP, Teradata...?
Mit Autonomy und der Analyse strukturierter und unstrukturierter Daten betritt HP aber einen neuen Software-Markt - den Markt der Business-Applikationen, also die Welt von SAP, Oracle, Teradata und anderen.
Klaey: SAP will mit seinem Angebot die Business-Welt lenken, und zwar end-to-end. HP will mit seiner Performance Suite die IT lenken, end-to-end. Deshalb gibt es in beiden Welten doch auch Gemeinsames. Ausserdem offeriert Autonomy mit Archivierung und Backup sehr viele IT-nahe Komponenten, auch Big-Data-Analytics sehen wir als IT-nahen Markt. Deshalb ergänzt und erweitert Autonomy sehr gut unser etabliertes, bestehendes Software-Portfolio. Analytics von Autonomy bringt Durchsatz für unsere Hardware und für unser Software-Portfolio.
Plant HP, wie SAP mit HANA oder Oracle mit seiner Exalytics-Appliance, demnächst eine Big-Data-Appliance (mit Autonomy-Analytics) auf den Markt zu bringen?
Klaey: Wir haben durch die Akquisen von Vertica und Autonomy zwar die Technologien dafür. Aber eine Appliance out-of-the-box ist momentan nicht geplant. Wenn ich zu CIOs gehe, kommen immer wieder ähnliche Fragen auf den Tisch, zum Beispiel: Wie komme ich von meiner heutigen IST-IT zu einer SOLL-IT in der Zukunft? Denn IT muss sich öffnen und stärker als bisher mit Kunden und Partnern kollaborieren.
Es geht auch weniger um die Cloud als neues Beschaffungsmodell, sondern um die Herausforderung: Wie wird meine IT agiler? Dort kommen dann Ansätze wie Automatisierung, private Cloud, public Cloud und anderes ins Spiel. Sprechen Sie über die Cloud, wird sofort im Anschluss die Sicherheitsfrage gestellt. Logins aus verschiedenen Teilen der Welt generieren Sicherheitsereignisse, die bearbeitet werden müssen. Und natürlich ist auch Big Data ein Thema, die Analyse strukturierter und unstrukturierter
Daten, die HP mit den Technologien von Vertica und Autonomy bedient. Vielen CIOs ist aber noch nicht klar, welchen Mehrwert sie aus der Analyse ihrer Datenbestände ziehen können.
Der Anteil von HP Software am Gesamtumsatz beträgt drei Prozent. Wie sieht es in der Schweiz aus?
Klaey: Daniel Lamprecht als Verantwortlicher von HP Software in der Schweiz macht einen sehr guten Job – deshalb komme ich auch immer gerne in die Schweiz.
HP hat die sogenannte "converged cloud" ausgerufen. Ich kenne die private, public und die hybride Cloud. Aber was muss man sich unter einer "converged cloud" vorstellen?
Klaey: Der Kunde will sicherstellen, dass er seine Informationen, seine Applikationen in verschiedenen Modellen laufen lassen kann. Der Idealfall sieht so aus, dass man eine Applikation baut und sich dann am Ende entscheidet, wo diese Applikation laufen soll: traditionell in meinem Rechenzentrum, auf einer Public-Cloud-Infrastruktur, in einer Managed Cloud-Umgebung oder in einer private Cloud. In der Praxis aber werden Applikationen im Stack eines bestimmten Anbieters erstellt, was die Wahlfreiheit einschränkt. Wir wollen unseren Kunden auch in einem heterogenen Umfeld die Freiheit der Wahl lassen und lösen die Applikationen aus ihrem Stack-Umfeld. Dann läuft, und zwar automatisiert, die Applikation dort, wo es am effizientesten ist. In dieser Breite und für heterogene IT-Landschaften ist das etwas Neues. Wir nennen diesen Ansatz "converged cloud". Unser Geschäft besteht zurzeit noch zum grossen Teil aus der private Cloud und aus Cloud-Service-Anbietern, die eine Cloud-Struktur aufbauen wollen, getrieben von dem Wunsch, agiler zu sein und schneller reagieren zu können. Nächste Seite: Wo HP in der Cloud Geld verdient
Wo wird in der Cloud zurzeit Geld verdient, und was ist noch Zukunftsmusik?
Lamprecht: In der Schweiz gilt: Ich gehe in die Cloud, wenn meine Daten dort sicher sind. In der Schweiz bilden daher "early adopters", die nicht ganz so sicherheitssensitiv sind, die Speerspitze der Cloud-Kundschaft.
Dazu gehört ein Rechenzentrum in der Schweiz.
Lamprecht: Genau, mit unserem Schweizer Cloud-Service-Center stossen wir auf grosse Resonanz. Am Ende des Tages könnten die "non customer identifiable data", also die nicht-personenbezogenen Daten in die Cloud gehen. Denke ich an ein Finanzinstitut mit Kundendaten...
...die lehnen das aus Sicherheitsgründen ab.
Lamprecht: Das würde ich im Moment persönlich auch so sehen.
Klaey: Wir sehen den grössten Bedarf in der private Cloud. Unternehmen sind daran interessiert, ihre eigene Cloud aufzubauen oder als Alternative, dass jemand für sie eine managed cloud aufbaut. Unsere Kundengespräche drehen sich meistens um dieses Thema. Ein weiterer grosser Markt sind für uns Service Provider, die ein Public-Cloud-Service-Portfolio anbieten wollen.
Sie führen Gespräche mit Kunden in vielen Ländern. Ist die Cloud in der Schweiz, verglichen mit dem Rest der Welt, über- oder unterentwickelt?
Klaey: Die Schweiz ist nicht immer an der vordersten Front, aber der Schweizer Markt wacht punkto Cloud auf. In den USA haben wir riesige Pilotprojekte mit Grosskonzernen gefahren, aber das machen wir in der Schweiz jetzt auch. Die Cloud wird in der Schweiz immer stärker. Einen Unterschied zwischen anderen Ländern und der Schweiz sehe ich darin: In anderen Ländern finden Diskussionen mit Kunden stärker auf der Technologie-Ebene statt. Schweizer Unternehmen gehen dagegen von einem Use Case aus und überlegen dann, was sie in die Cloud geben und was sie on-premise behalten.
Wie wichtig nimmt HP seine Software Unit in Zukunft? Software-Chef Bill Veghte leitet jetzt auch Autonomy, also tut sich was.
Klaey: Software ist sehr wichtig. In den Märkten Sicherheit, Cloud und Information Management ist die Hardware das Rückgrat, aber die Software ist das Bindemittel, ohne das nichts zusammenarbeitet. Zum Umsatz trägt Software drei Prozent bei, was zwar relativ wenig scheint. Software zieht aber an Hardware und Services sehr viel nach, und das Gewicht von HP Software ist daher sehr viel grösser, als diese drei Prozent vermuten liessen.


Das könnte Sie auch interessieren