23.07.2010, 06:00 Uhr

Der volle Durchblick

Wenn der CEO auf der Kostenbremse steht, muss der CIO die Geschäftsprozesse optimieren. Wer den falschen Weg einschlägt, verursacht jedoch mehr Kosten, als er spart.
David Ferré ist Senior Product Manager der auf IT-Planning und Enterprise Architecture spezialisierten alfabet AG Steigender Kostendruck, neue Geschäftsziele oder der Wunsch nach Erhöhung der Produktivität sind nur einige Gründe, warum Unternehmen ihre Prozesse überprüfen und optimieren wollen. Die zentrale Frage dabei: «Wie kommen wir mit weniger Aufwand schneller ans Ziel?» Nicht alle, aber sehr viele Prozesse eines Unternehmens sind unmittelbar mit IT-Leistungen verknüpft. Deshalb ist es eine wesentliche Aufgabe der IT, die Komplexität der Geschäftsentscheidungen und das Business genau zu verstehen. Gelingt das der IT nicht, setzt sie nicht nur ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, sondern verursacht Fehlentscheidungen und Investitionen in die falschen Technologien und Services.

BPM greift oft zu kurz

Um solche Entwicklungen zu vermeiden und das Verständnis zwischen Business und IT zu verbessern, wurden bereits in den 1990er-Jahren mit dem Business Process Modelling grosse Fortschritte erzielt. Die dadurch mögliche Prozessoptimierung ist jedoch keinesfalls ausreichend, denn sie ergibt vor allem komplexe, fest verdrahtete Prozesse. Nach anfänglichen Gewinnen spalten sich Verbesserungen zu unbedeutenden Vorteilen auf, während die Kosten für die Auflösung bestehender Ineffizienzen allmählich steigen. Noch schlimmer: Die Kosten der Integration prozessübergreifender Aktivitäten können geradezu explodieren - ein Problem, das besonders in grossen und komplexen Organisationen auftritt. Optimierungen mit der herkömmlichen, prozessbasierten Methode bedingen nämlich Abhängigkeiten, die mehrere Business-Einheiten betreffen. Aus diesem Grund erhöht sich bei fortschreitendem Optimierungsprozess der Grad der Komplexität, wodurch wiederum die Integrationskosten exponentiell steigen. Dies führt wiederum zu geringerer Flexibilität und längeren Produkteinführungszeiten.

Eine neue Sicht auf das Business

Optimal und kosteneffektiv lassen sich Prozesse ändern, wenn die zugehörigen IT-Support-Leistungen nicht angepasst werden müssen, sondern als separate Lösungen verwaltet werden. Dann reicht eine neue Zuordnung der bestehenden IT-Services. In den vergangenen Jahren wurden deshalb neue Ansätze entwickelt. Diese berücksichtigen, dass die herkömmliche Sicht auf das Unternehmen als einzelne Business-Einheiten, die mit ihren eigenen Prozessen arbeiten, keinen ausreichenden Einblick gewährt und folglich nicht die richtigen Hebel zur Unterstützung des Business bietet. Stattdessen empfiehlt sich eine Sicht, die auf Business-Aktivitäten, Komponenten oder «Capabilities» basiert, die von den jeweiligen Geschäftsprozessen und organisatorischen Einheiten wie Produktion, Vertrieb, Kundenmanagement oder regionalen Standorten unabhängig sind. Diese Business Capabilities repräsentieren stabile Geschäftsfunktionen, sind einmalig, unabhängig voneinander und abstrahiert vom Organisationsmodell. Sie liegen unterhalb der Ebene der Prozesse, aber über den IT-Services im Sinne des SOA-Modells. Eine sogenannte «Business Capability Map» gibt Aufschluss über die Zusammenhänge, etwa, welche IT-Leistungen direkt mit der Reisekostenbuchung verbunden sind, welche IT-Services nach einer Prozess-änderung erforderlich werden oder wo sich IT-Leistungen wiederverwenden lassen. Laut Bobby Cameron von Forrester ist darunter ein Modell des Unternehmens zu verstehen, das Business Capabilities sowie Prozesse und Funktionen, die für den Geschäftserfolg erforderlich sind, den IT-Ressourcen zuordnet, die diese ermöglichen. Die Capability Map reduziert die Komplexität und setzt die Geschäftsarchitektur mit den IT-Ressourcen in Beziehung. Üblicherweise umfasst eine Capability Map mehrere Detailebenen bis hinunter auf die Ebene der Business-Funktionen, die durch die IT unterstützt werden. In der zweiten und dritten Ebene stimmen die Capabilities häufig mit den Prozessen, Business-Applikationssystemen oder organisatorischen Abteilungen der obersten Ebene überein. In den weiteren Detailebenen können Business-Funktionen den tatsächlichen ICT-Objekten zugeordnet werden. Weil dieses Modell eine geschäftsbezogene Sicht auf IT-Funktionalitäten möglich macht, fördert es das gegenseitige Verständniss zwischen Business und IT. Denn das Business wird befähigt, seine Anforderungen nicht auf technische, aber dennoch auf funktional präzise Weise zu formulieren. Zusammenfassend geben Capability Maps Antworten auf folgende Fragen:
  • Warum kostet die IT so viel?
  • Welcher Geschäftswert wird erwirtschaftet?
  • Investieren wir in die richtigen Bereiche?
  • Welche Projekte überschneiden sich?

Von den Capabilities zur Aktion

Die IT-Planungs-Software ist quasi ein ERP-System für die IT. Sie unterstützt die Strukturierung eines Unternehmens in Domänen, um damit der Komplexität des Business und der IT besser gerecht zu werden. Domänen können gemäss Produktlinien, Standorten, strategischen Märkten oder Business-Aktivitäten definiert werden. Im Business-Capability-Management dienen sie der Darstellung der ersten Ebenen in einer Capability Map (s. Grafik). Ab einer bestimmten Detailebene werden Capabilities als Business-Funktionen modelliert, damit sie den tatsächlichen ICT-Objekten zugeordnet werden können. Diese Business-Funktionen sind in einer umfassenden Planungslösung wie planningIT von alfabet im Logical Inventory enthalten. Mit der Verwendung von Capabilities können im Hinblick auf die Effizienz der IT die stärksten Resultate erzielt werden. Denn redundante Ausgaben sind wesentlich besser identifizierbar, wenn die IT anstatt im Kontext von Prozessen im Kontext von Funktionalitäten betrachtet wird. Um das Potenzial weiter zu erhöhen, müssen die Capabilities hinsichtlich ihres Beitrags zur Erreichung der Unternehmensstrategie bewertet werden. Dazu dienen beispielsweise Bewertungskriterien und Kennzahltypen. Anhand der Ergebnisse wird für das Business und die IT ersichtlich, wo Schwerpunkte gesetzt werden sollten und welche Massnahmen eventuell erforderlich sind. So können Unternehmen auch klären, ob sie eine Service-orientierte Architektur nutzen sollen, welche Standardisierungen und Wiederverwendungen von Services sinnvoll sind oder wo Shared Services zum Einsatz kommen.  

Fazit: Freie Sicht auf Prozesse

Neben der Steigerung der Agilität erhalten Unternehmen durch das Business-Capability-Management mehr Kontrolle über die Ausführung des Geschäfts sowie die konkrete Steuerung und Umsetzung von Prozessoptimierungen. Es entsteht eine klare, detaillierte und transparente Sicht auf Beziehungen und Schnittstellen zwischen Business-Aktivitäten und die unterstützende IT. Als Folge können Kosteninformationen zu bestimmten Prozessbereichen oder ICT-Objekten zugeordnet werden. Das ist im Vergleich zu allgemeinen Etatkürzungen, die eine Prozessentwicklung in strategischen Bereichen untergraben, eine enorme Verbesserung.
David Ferré


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