29.09.2010, 06:00 Uhr

Virtualisierung braucht Management

Desktop-Virtualisierung wird oft als Mittel positioniert, um heterogene Infra­strukturen zu bändigen. Tatsächlich geht es aber primär um ein Managementkonzept. Virtuelle Desktops können ein Element dabei sein, aber nicht die alleinige Lösung.
Oliver Bliggensdorfer ist Sales und Marketing Manager bei Brainware Solutions AG, der Schweizer Niederlassung der Brainware Gruppe Trotz einer wachsenden Zahl von webbasierenden Anwendungen auch für Kernbereiche wie E-Mail und Office-Anwendungen wächst die Komplexität von IT-Infrastrukturen kontinuierlich. Denn neben den Zugriffen über das Web existiert parallel dazu eine nicht kleiner werdende Zahl lokaler Anwendungen. Noch problematischer ist, dass die Zahl der Client-Systeme wächst. Die Zeiten, in denen Benutzer einen einzigen Desktop-PC und allenfalls noch ein nur fürs Telefonieren geeignetes Mobiltelefon besassen, sind vorbei. Die Zahl der Geräte pro Benutzer wächst ebenso wie die Variantenvielfalt. Als wäre das noch nicht genug, finden sich in vielen Netzwerken auch immer mehr Windows-Versionen: XP und Vista, auf neuen Geräten Windows 7. Diese Komplexität gilt es beherrschbar zu machen, ohne dabei die Flexibilität für die Endanwender ungebührlich einzuschränken.

Für die IT: Management & Effizienz

Natürlich können virtuelle Desktops dabei helfen, die komplexen Systeme in den Griff zu bekommen; vor allem durch die Abstraktion der Hardware und die Reduktion der Hardware-Konfigurationen. Wenn es aber um die flexible Bereitstellung von Arbeitsumgebungen geht, helfen Ansätze, deren Stärke in der effizienten Bereitstellung einer begrenzten Variantenvielfalt von Arbeitsumgebungen liegt, recht wenig.
Letztlich geht es darum, dass jeder Benutzer die für seine Arbeit erforderliche Umgebung erhält - mit genau den Anwendungen, die er benötigt, mit genau den Patches für diese Anwendungen, mit gegebenenfalls individualisierten Konfigurations- und Sicherheitseinstellungen. Das setzt ein leistungs-fähiges Management für die Software und die Patches voraus. Das heisst, das Patchmanagement darf sich keineswegs nur auf wenige standardisierte Betriebssystem-Images beschränken, sondern muss auch Anwendungen und individuelle System-konfigurationen mit zusätzlichen Komponenten mit einschliessen. Hinzu kommt: Virtuelle Desktops entstehen nicht auf der grünen Wiese. Bestehende Desktops müssen in solche Umgebungen implementiert, virtuelle Desktops gegebenenfalls unter Berücksichtigung aller Kompatibilitätsprobleme auf neue Releases migriert werden. Das ist mit dem simplen Austausch des Image-Bereichs, der das Betriebssystem enthält, typischerweise nicht getan. Um diese komplexe Infrastruktur im Griff zu behalten, braucht es in erster Linie ein leistungsfähiges Management für Software, Patches und Konfigurationen über die gesamte Systeminfrastruktur hinweg. Virtuelle Desktops sind nur eine Deployment-Option im Rahmen dieses Gesamtkonzepts. Denn auch dort müssen die Desktop-Umgebungen verwaltet werden. Manche Umgebung wird durch ältere Betriebs-systemversionen oder schlicht die individuellen Anforderungen der Benutzer auch gar nicht sinnvoll zu virtualisieren sein. Anders formuliert: Die Notwendigkeit für ein gutes IT Lifecycle Management entfällt nicht, nur weil man die Desktops virtualisiert.

Fürs Business: Transparenz

Das ist aber nur die technische Sicht. Denn die Fähigkeit, Systeme und Anwendungen bereitzustellen und Konfigurationen anzupassen, reicht heute längst nicht mehr aus. Das Inventar, die Einhaltung von Lizenzbestimmungen und eine konsequente Business-Orientierung mit Asset- und Vertragsmanagement sind inzwischen zwingende Anforderungen in vielen Unternehmen.
Daher müssen alle Systeme konsequent inventarisiert und darüber hinausgehend als IT-Assets korrekt verwaltet werden. Das Lizenzmanagement bleibt in jeder Umgebung als Herausforderung bestehen und wird durch die Desktop- und Anwendungs-virtualisierung keineswegs einfacher. Denn die Anforderungen bleiben, die IT-Welt wird eher noch komplexer - vor allem bei einem typischen, über Jahre laufenden Mischbetrieb von virtuellen und konventionellen Desktop-Infrastrukturen. Noch einen Schritt weiter geht das Vertrags-management: Wann muss welche Hardware ersetzt werden? Wann laufen Leasing-Verträge aus? Diese Fragen stellen sich weiterhin, wobei die bisherige Zuordnung von Hardware zu den nutzenden Personen in einer virtualisierten Infrastruktur nun entfällt. Genau deshalb ist aber die Einführung einer solchen businessorientierten Schicht unverzichtbar.

Client Lifecycle Management

Betrachtet man die heutigen Anforderungen, wird mehr denn je deutlich, dass ein gutes technisches und ein ebensolches businessorientiertes Management der IT-Infrastrukturen Voraussetzung ist, um die verschiedenen Release-Stände von Betriebssystemen, die hohen Patch-Anforderungen und die verschiedenen Deployment-Modelle in den Griff zu bekommen.
Immer mehr klassische Werkzeuge für das Client Lifecycle Management unterstützen sowohl virtuelle als auch konventionelle Desktops. Software lässt sich so optimiert verteilen, ein umfassendes Inventar über alle Systeme erstellen und Lizenzen im Griff behalten, egal, wo sie laufen. Wer seinen Benutzern sowohl sichere als auch ausreichend flexible und individualisierte Arbeitsumgebungen bieten und gleichzeitig die betriebs-wirtschaftlichen Anforderungen und die Compliance-Herausforderungen im Griff behalten will, muss beim Management starten. Die Rede ist hier vom guten alten Client Lifecycle Management als zentraler Baustein, der zusammen mit Asset-, Lizenz- und Vertragsmanagement das heute benötigte vollumfängliche IT Lifecycle Management ergibt. Wer hier seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, wird sich mit dem Schritt in die technische Zukunft von virtualisierten Umgebungen ebenso schwer tun wie mit seinen bestehenden konventionellen Desktop-Infrastrukturen. Denn leider ist die Realität deutlich komplexer, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag.
Oliver Bliggensdorfer


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