Thomas Wettstein von Avectris 20.02.2018, 18:48 Uhr

«Wir rechnen mit 20 Prozent Wachstum»

Von der Service-Abteilung zum selbständigen Unternehmen. Diesen Sprung vollzog der IT-Dienstleister Avectris 2015, als es sich vom Energiekonzern Axpo loslöste. Wo das Unternehmen heute steht und welche Strategie Avectris verfolgt, erläuterte CEO Thomas Wettstein in den neuen Büroräumen in Baden.
Mehr Umsatz, neue Mitarbeiter und Kundenvielfalt. Thomas Wettstein, CEO von Avectris, sieht sein Unternehmen auf der Überholspur.
(Quelle: NMGZ)
2015 löste sich die IT-Abteilung des Energieversorgers Axpo aus dem Unternehmen, um als Avectris im Geschäft mit IT-Services durchzustarten. Anfangs mit Sourcing-Diensten und Business Solutions. Später kamen Branchenlösungen und IT-Security hinzu. Wo steht das Unternehmen heute?
Thomas Wettstein: "Wir erwarten 20 Prozent Wachstum."
Quelle: NMGZ
«Die Finanzergebnisse liegen deutlich über den Erwartungen», sagt Avectris-CEO Thomas Wettstein. «Der Umsatz kletterte im Jahresverlauf um fünf auf 67,1 Millionen Franken.» (Stichtag: 30. September 2017). «2017 war für uns ein sehr erfreuliches Jahr», bekräftigt der Firmenchef, der Avectris seit der Eigenständigkeit begleitet, an einem Medienanlass am Firmensitz in Baden, in Nachbarschaft zu den High-Tech-Anbietern ABB und General Electric.
Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Wettstein mit einem Wachstum von rund 20 Prozent. Verluste mache Avectris keine. Das Unternehmen sei profitabel, betont der CEO auf Nachfrage. Weitere Angaben zur Bilanz macht er nicht, verweist aber darauf, dass Avectris branchenübliche Margen vorweisen könne.

Neue Büroräume im «Tresor»

Auch in anderen Bereichen stehen die Zeichen auf Wachstum. Etwa bei den Mitarbeitern. Seit der Eigenständigkeit kamen 50 neue Mitarbeiter an Bord.
Aktuell beschäftigt das Unternehmen 250 Menschen und es werden noch mehr, wie Willkommensgrüsse an manchen Schreibtischen bei einem Rundgang durch die Büros verraten. Aufgrund des Wachstums bezog Avectris auch zusätzliche Fläche im sogenannten Tresor, dem ehemaligen Sitz der Buchhaltung der ABB.
Ein grosser Pausenraum lädt zum gemeinsamen Z'Mittag ein.
Quelle: NMGZ
Wer einmal bei Google gearbeitet hat, dürfte sich bei Avectris auf Anhieb heimisch fühlen. Grosse, offene Büros mit höhenverstellbaren Tischen stehen neben Glasflächen. Die Atmosphäre ist konzentriert aber entspannt. Manche diskutieren vor den Bildschirmen mit Kollegen vor Ort, andere per Videochat mit jenen draussen, die zum Beispiel unterwegs bei Kunden sind.
Wer in Ruhe reden will, kann eine gepolsterte Sitznische aufsuchen, die den Schall einigermassen dämmt. Ideal für ein Adhoc-Meeting. Eine runde Ein-Personen-Kabine mitten im Raum bietet Mitarbeitern «mit tragenden Stimmen», wie es Wettstein nennt, eine Möglichkeit in gewünschter Lautstärke zu telefonieren, ohne die Kollegen im Büro zu stören.

Open Workspace auch für den Chef

Open-Space-Arbeitsplätze bei Avectris.
Quelle: NMGZ
Im Arbeitsbereich Softwareentwicklung gibt es feste Plätze für die Mitarbeiter. Ansonsten verfolgt Avectris die Philosophie des Open Workspace. Selbst der CEO hat keinen fixen Arbeitsplatz. Wettstein wählt jeden morgen einen anderen Schreibtisch.
Viele Tische sind während des Rundgangs verwaist. «Das ist ein gutes Zeichen», sagt Wettstein. Denn leere Tische bedeuteten Kundenbesuche oder Verkaufsgespräche.
Ein gutes Zeichen: Ist das Büro leer, sind die Mitarbeiter bei den Kunden.
Quelle: NMGZ

Von kleinen bis grossen Kunden

In einem Vorraum steht eine Wand mit einem Bild des Matterhorns darauf. Dahinter sitzt eine Gruppe auf Sesseln und diskutiert. Es herrscht eine angenehme, unbeschwerte Atmosphäre. Ein Eindruck, den auch Wettstein vermittelt. Nicht ohne Grund. Die Strategie «2015-19» sei aufgegangen, sagt Wettstein. Mit der Strategie will Avectris sich als führender IT-Dienstleister etablieren. Anstatt nur auf kleine (20-250 Mitarbeiter) oder grosse Kunden (über 1000 Mitarbeiter) zu setzen, will Avectris beide Gruppen sowie jene dazwischen bedienen.
Diesen Spagat will Avectris mit verschiedenen Angeboten schaffen. Kleinen und mittleren Unternehmen bietet es Spezialisten an, die sich sonst nur grosse leisten, den CISO. Die Idee des Angebots Rent-a-CISO: Ein Kunde engagiert regelmässig auf Stundenbasis einen IT-Sicherheitsexperten anstatt diesen einzustellen oder gar darauf zu verzichten.
Avectris bedient KMU und Grosskunden.
Quelle: NMGZ
Derzeit arbeiten acht Mitarbeiter als CISOs bei Avectris, die bei Bedarf auf interne Experten zurückgreifen können. «Unser CISO übernimmt beim Kunden diese Funktion, das ist ein Halbtagesjob und vor allem ein Service, den sich ansonsten nicht alle Unternehmen leisten können», führt Wettstein aus. Hinzu käme der technische Wandel. «Alle 12 bis 18 Monate drängen neue Technologien auf den Markt. Diese zu bewältigen ist für kleine Unternehmen eine Herausforderung.»

Von Energieversorgung zu Finance

Avectris hat seine Wurzeln im Bereich IT für Energievesorger. Hier zählen hohe Anforderungen an die Sicherheit und die Einhaltung etwa regulatorischer Vorgaben. In den letzten Jahren kamen Kunden aus anderen Bereichen aber mit vergleichbaren Bedürfnissen hinzu. Etwa Spitäler oder Firmen aus der Finance- und Versicherungsbranche sowie aus der Industrie.
Kunden sind daher neben dem Kernkraftwerk Leibstadt auch das Kantonsspital Baden, der international agierende Versicherer Generali und der Hersteller von Bauteilen für die Industrie Angst und Pfister. Seit der Eigenständigkeit gewann Avectris nach Angaben Wettsteins 50 Kunden.

«Wir wollen in 90 Minuten beim Kunden sein»

Grenzen zieht Wettstein bei der Expansion. «Wir konzentrieren uns auf Kunden, bei denen wir innerhalb von eineinhalb Stunden persönlich vor Ort sein können.»
Eine Expansion ins Ausland wischt Wettstein daher vom Tisch. «Allerdings», fügt er an, «gehen wir mit unseren Kunden ins Ausland.»
Wettstein: "Wir wollen innerhalb von eineinhalb Stunden beim Kunden sein."
Quelle: NMGZ

Change-Projekt S4/Hana

Avectris baute seine Komptenzen im SAP-Umfeld aus. «Wir haben viel in die Ausbildung für SAP-Lösungen investiert. Mit 50 Mitarbeitern sind wir der grösste SAP-Anbieter im Energiesektor», betont Wettstein. Im Industrieumfeld wiederum steht bei vielen Unternehmen die Migration von R3 auf S4/Hana bevor. Ein Prozess, der Jahre dauern könnte.
Denn mit der Umstellung auf die neue Plattform würden viele Kunden auch ihre Prozesse hinterfragen, die bis anhin auf R3 abgestimmt waren, sagt Wettstein. Mit den neuen Möglichkeiten, werde aus der Migration daher auch ein Change-Projekt.
Derzeit sieht der Avectris-CEO drei Gruppen: Jene, die lieber heute als morgen auf S4/Hana umstellen wollen, diese bewege sich aber im einstelligen Prozentbereich. Daneben gebe es jene Firmen, die einen Umstieg solange wie möglich hinauszögerten. Dazwischen liege die grösste Gruppe. Unternehmen, die Schritt für Schritt planen und in den nächsten Jahren migrieren werden.

Brummendes Cloud-Geschäft

Ein weiteres Topthema des IT-Dienstleisters ist die Cloud. Insbesondere KMU-Kunden machten hier vorwärts bemerkt Wettstein. Avectris ist Microsoft-Partner mit verschiedenen Zertifizierungen auf oberster Stufe. Man bietet aber nicht nur Hilfe beim Gang in Microsofts Azure Cloud an.
Das Unternehmen betreibt ein eigenes Rechenzentrum auf rund 350 Quadratmetern beim Colocation-Anbieter green.ch. Im Sortiment finden sich auch SaaS-Lösungen wie Adformio. Ein Produkt für die Erstellung von Rechnungen. Der Service wurde gemeinsam mit Partner Ajila entwickelt.

Elektrisierender IT-Partner

Eine Kooperation unterhält Avectris auch mit der Schweizerischen Post. Deren Mitarbeiter lesen für Energieversorger Stromzähler ab.
Partnerschaft und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist auch ein wichtiger Wert für Avectris, wie Wettstein hervorhebt: «In unserem Namen steht Avec für das Miteinander und tris für elektrisierend. Wir wollen der elektrisierende IT-Partner sein, der auf Augenhöhe mit Kunden und Partnern zusammenarbeitet.»



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