03.12.2010, 06:00 Uhr

Neue Ansätze zur Prozessoptimierung

Kollaborative Arbeitsformen ausserhalb der Kernprozesse organisieren sich nicht von selbst. Sie sind nur dann effizient, wenn die Abläufe richtig strukturiert werden.
Der Autor ist Head of Business Consulting bei der 1eEurope (Switzerland) AG Die Kernprozesse eines Unternehmens werden heute gut durch umfassende Lösungen abgedeckt, etwa mittels ERP-, BPM- oder CRM-Suiten; nicht zuletzt, weil hier mit strukturierten Informationen gearbeitet werden kann. Doch im Lauf der letzten Jahre haben sich viele Unternehmensfak-toren wie Angebot, Kundenstrukturen, Entwicklungsmethoden oder Märkte verschoben. Im Zuge dieser Dynamisierung organisieren sich Betriebe vermehrt durch Matrix- und Projektstrukturen, die gewollt oder ungewollt einen Kulturwandel in der Zusammenarbeit bedingen. Informationen werden ausserhalb der Kernsysteme bereitgestellt, ausgetauscht und verwaltet. Als Informationsträger dienen vorherrschend E-Mail und Excel, wodurch diese Systeme auch eine unternehmenskritische Rolle für die Wertschöpfungskette übernehmen. Es entstehen heterogene «Lösungen», die kaum konsolidiert werden können. Doch wie lassen sich diese Bereiche aktiv managen und optimieren? Prozesse im dynamisierten Umfeld Fakt ist: Hier wird viel Potenzial vergeben, die Abläufe sind unklar und die Mitarbeitenden sehen sich mit ineffizienten Methoden konfrontiert. Der Aufwand bei der langwierigen Suche nach Informationen ist dabei nur ein Aspekt. Die Erfahrung zeigt: Wird eine Analyse mit angemessenen Ansätzen und Lösungen gewählt, resultieren daraus Projekte mit ausgezeichnetem ROI. Da heute nach wie vor strikt prozessuale Arbeiten aber auch wenig strukturierte, kollaborative Arbeitsformen wichtig sind, sollten beide Aspekte analysiert und optimiert werden. Zwei Ansätze adressieren diese Herausforderungen: Dynamic BPM und Adaptive Case Management. Dynamic BPM Dynamic Business Process Management, auch Social BPM genannt, geht davon aus, dass sich erstens die Unternehmen heute stärker wandeln, und zweitens die Prozess-Owner besser in das Prozess-Design involviert werden müssen. Der Prozess bleibt Dreh- und Angelpunkt. Gegebenenfalls wird Social-Software genutzt, um diesen gemeinsam mit den Usern zu spezifizieren. Eine iterative Vorgehensweise erhöht die Dynamik, stellt sicher, dass adäquate Prozesse etabliert werden und vermeidet so den grös­sten Produktivitäts-Killer: Work­arounds. Adaptive Case Management Ausgangspunkt sind hier die Daten (Dokumente unterschiedlicher Natur) zu einem bestimmten Thema (Case) und die Akteure – nicht die Prozesse (Grafik 1). Es werden Relationen bestimmt, Tasks untersucht und Templates definiert. Eine entsprechende Lösung unterstützt den Knowledge-Worker und kann Struktur und Prozess­unterstützung bieten, ohne seine Aktivitäten zu behindern. Wichtig ist zudem, dass sich eine Lösung den verändernden Anforderungen anpasst. Sie darf deshalb nicht auf einem hart kodierten, monolithischen Produkt aufbauen, sondern soll aus konfigurierbaren Komponenten bestehen. Dieser Ansatz adressiert, was Peter Ducker als «the biggest of the 21st century management challenge» thematisiert hat: die Produktivität der Knowledge-Worker. Collaboration-Plattformen Beide Ansätze schliessen sich nicht aus. Je nach Kontext ist eine Verknüpfung ideal. So können gewisse Arbeitsschritte als Business-Prozess definiert werden, bei anderen fokussiert man vorteilhaft die Daten und Relationen (Grafik 2). Moderne Collaboration- und Portalplattformen ermöglichen es, beide Ansätze wirkungsvoll umzusetzen, um die Geschäftsaktivitäten zu unterstützen. Zudem können damit Daten aus anderen Systemen (ERP, CRM etc.) einfach und schneller als bisher bewirtschaftet und angebunden werden. Dieses Potenzial wird aber noch viel zu wenig genutzt – zu oft liegt der Einsatz vorwiegend bei der reinen Dokumenten­ablage. Wie lässt sich praktische Prozessunterstützung einfach und effizient in einem sich dynamisierenden Umfeld etablieren? Der erste Weg: mit Bordmitteln der Collaboration-Plattformen einfache Workflows installieren. Gemeinsam mit Business- und Power-Usern werden Prozesse aufgesetzt und mit den sich verändernden Anforderungen iterativ optimiert. Fazit: Geringer Aufwand und rasche Implementationszyklen, wodurch sich die Definition für viele Arbeitsprozesse lohnt. Herrschen Ad-hoc-Vorgehensweisen vor, ist ein Case-orientierter Ansatz wirkungsvoller. Dabei erhalten Metadaten, Dossiers und Templates einen wichtigen Stellenwert. Rollenabhängige Cockpit-Views, basierend auf sogenannten Composite Content Applications, erlauben den Benutzergruppen, für sie relevante Informationen effizient zu bearbeiten. Diese Cockpits sind einfach konfigurier- und anpassbar. Ein Verständnis der Arbeitsprozesse ist auch hier wichtig, um semantische Modelle zu erarbeiten, die Informationen und deren Relationen wiedergeben. Je nach Bedarf werden Informationen aus externen Systemen dargestellt. Workflow im Praxisbeispiel Als Beispiel dient ein einfacher Approval-Prozess, der sich um die Abnahme zentraler Projektdokumente kümmert. Gefordert war, dass Dokumente, die für den Abschluss einer Projektphase obligatorisch sind, effizienter und lückenlos gemanagt werden. Bisher war zwar die Regelung klar, die Einforderung wurde jedoch lückenhaft und mit viel Aufwand via E-Mail gehandhabt. Die Konsequenz: Hohe Prozessmanagementkosten und Risiken inkl. Haftungsfragen für das Management. Eine kurze Vorstudie überprüfte den Prozess und involvierte Stakeholder. Dabei zeigte sich, dass für einige Dokumente das praktizierte 4- bzw. 6-Augen-Prinzip nicht genügte. Es musste für gewisse Fälle zusätzlich das Legal Department involviert werden. Auf der Basis von Microsoft Visio 2010wurden diese Prozesse einfach und ohne technisches Know-how definiert und ohne auf­wendige Entwicklungsarbeit direkt in die Collaboration Plattform Microsoft SharePoint 2010 importiert sowie den jeweiligen Business Units zur Verfügung gestellt. Allfällige Anpassungen (z.B. zusätzliche E-Mail-Alerts) lassen sich durch prozessverantwortliche Power-User selbst­ständig integrieren. Entscheidend für den Projekterfolg war das Adoption Planning. Dabei wurden die Power- User sorgfältig ausgewählt und gecoacht sowie die Lösung in Teammeetings frühzeitig erklärt. Eine Herausforderung blieb: Die Prozesse müssen durch Führungsverantwortliche konsistent eingefordert und kontrolliert werden, damit sie nach der Einführung auch gelebt werden. Mit der Prozessautomatisierung ergaben sich nebst der Effizienzsteigerung und Risikoverringerung auch neue Möglichkeiten für das Knowledge Management. Die Lösung ermöglicht, verbindliche Kerndokumente von Projekten unternehmensweit zu nutzen sowie Vorgehensweisen und «Lessons Learned» für weitere Projekte abzuleiten. Fazit: schnelle Lösung gefragt Moderne Collaboration-Plattformen dienen als Enabler für effiziente Prozessoptimierungen – ohne starre, langwierige Entwicklungsarbeiten, die sich nur für Kernprozesse lohnen. Es entsteht eine Drehscheibe für Daten, die nicht nur Informationen, sondern auch Prozesse widerspiegelt. Mittels Cockpit-Funktionen lässt sich Wissen besser und einfacher zusammenführen. Richtig eingesetzt, kann damit Business Intelligence im wahrsten Sinne des Wortes erreicht werden; relevant für die Entscheidungsträger, aktuell und verlässlich. Kurz: Es wird Handlungswissen generiert, um die Marktposition zu verbessern.


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