08.12.2010, 06:00 Uhr

Lokal oder aus der Cloud?

Die Kooperationsplattform SharePoint gibt es als Server- und als Cloud-Service. Die Wolke lockt mit tiefen Kosten. Doch das ist nicht das einzige Entscheidungskriterium.
Der  Autor ist Head of Enterprise Content Management und eCommerce sowie Partner der Garaio AG in Bern Einige Schweizer Unternehmen – auch Schwergewichte mit Tausenden PC-Arbeitsplätzen – sind bereits Untermieter von Microsoft. Sie beziehen die «Business Productivity Online Suite» – künftig «Office 365» – als Service aus den Rechenzentren des weltgrössten Software-Herstellers und bezahlen nach Bedarf. Dafür sind Services wie Kollaboration und Kommunikation von Natur aus prädestiniert, auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Insbesondere in Zeiten, in denen sich CIOs mit schrumpfenden Budgets und wachsenden Service-Anforderungen konfrontiert sehen, sind Kosteneinsparungen durch Cloud-Services verlockend. Von den Befürwortern werden häufig Argumente genannt wie:
  • Es wird nur bezahlt, was auch genutzt wird.
  • Wenn der Bedarf vorhanden ist, können Kapazitäten beliebig skaliert werden.
  • Minimale Fixkosten, nur variable Ausgaben
  • Der Aufwand für die Infrastruktur sinkt.
  • Server sowie Applikationen müssen nicht selbst verwaltet und gepflegt werden.
  • Jährliche Investitionen in Updates entfallen.
Die nutzungsabhängige Bezahlung und das Reduzieren der Unternehmenssysteme versprechen gemäss Marktanalysen Kostenminderung von 37 Prozent in fünf Jahren. Angesichts der angekündigten tiefen Preise – der Startpreis für Office 365 liegt bei 6 US-Dollar pro Benutzer und Monat – werden sich in Zukunft immer mehr Unternehmensentscheider die Frage stellen, ob die lokale Installation zum Beispiel eines SharePoint-Servers überhaupt noch rentiert. Die Office-365-Offerte für KMU enthält neben den klassischen SharePoint-Funktionen auch Messaging, Kalender, Präsenzinfor-ma­tionen und Webkonferenzen. Weiteres Lockmittel: Eine Basiskonfiguration von SharePoint und den übrigen Teamarbeitsfunktionen soll innert weniger Stunden aufgeschaltet sein.

Erst prüfen, dann binden

Ein häufig gehörtes Argument gegen die Cloud sind Bedenken wegen der Verfügbarkeit. Deshalb ist eine stabile und leistungsfähige Infrastruktur beim Provider unabdingbar und muss vertraglich definiert sein. Um diesen Anforderungen zu genügen, gewährt zum Beispiel Micro­soft seinen Kunden in den Service Level Agreements (SLA) einen Kostenerlass, wenn die garantierten Leistungen nicht erbracht werden. Zum Vergleich: Von IT-Abteilungen werden Services oftmals ohne fest definierte SLAs erbracht. Durch Konsolidierungs- und Standardisierungsmassnahmen ändert sich jedoch auch diese Praxis mittlerweile. Unternehmensentscheider sind hier aufgefordert, Verträge genau zu prüfen und realistische Kosten aus dem eigenen Hause dagegen zu setzen. Selbstverständlich muss auch auf Nutzerseite vorgesorgt sein: Eine dedizierte und redundante Internetverbindung ist zwingend. Das stärkste Gegenargument ist die Sicherheit. Jedoch lässt sich hier kaum ein Provider lumpen: Bei den grossen Anbietern zählen Security-Lösungen wie Virenschutz, Spam-Abwehr, SSL, HTTPS und zum Beispiel die rollenbasierte Authentifizierung zum Standard. Bei weiter­gehendem Schutzbedarf springen Anbieter von Cloud Security Services wie Webroot und Zscaler ein, die Speziallösungen im Portfolio haben. Losgelöst von der Technologie ist das Thema Security immer im Kontext der Sicherheitslevel der jeweiligen Unternehmung zu beurteilen. Konkret müssen beim Entscheid für oder wider Cloud zwei Klassen von Sicherheitsaspekten betrachtet werden: Solche, die vom Provider eingefordert und vertraglich garantiert werden können, und solche, die das Unternehmen selbst gewährleistet. In den Überlegungen ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass die Kont­rolle der Sicherheitsmassnahmen zusätzliche Kosten generiert. Analog zu herkömmlichen Security-Abwägungen hat ein Trade-Off zwischen Kosten und Sicherheit stattzufinden. Oft geht es beim Thema Sicherheit aber weniger um die Technologie als um das Vertrauen. Durch den Einbezug von Cloud-Services verschieben sich die Sicherheitsgrenzen über das Unternehmen hinaus. Somit kommt der Vertrauenswürdigkeit des Providers eine entscheidende Rolle zu. Der Cloud-Anbieter kann Vertrauen gewinnen, wenn er zu Konzepten, Prozessen sowie Technologien transparente und nachhaltige Angebote vorlegt. Er muss aber darüber hinaus auch eine individuelle Antwort auf die Vertrauensfrage geben. Knackpunkt ist dabei häufig die Bereitschaft, geschäftskritische oder sensible Unternehmensdaten in die Cloud auszulagern.

Migration in die Wolke
Ist die Entscheidung zugunsten der Cloud gefallen, existieren für die Migration in der Regel empfohlene Szenarien. Auch Microsoft gibt Empfehlungen ab, die jedoch nur einen Teil der Marktbedürfnisse abdecken. Im Fall von SharePoint sind etwa Szenarien wie graduale Upgrades, das Aktualisieren von älteren Versionen und beispielsweise der Wechsel zu SharePoint Online nicht berücksichtigt. Hier bleibt – neben der oft nicht praktikablen manuellen Migration – nur der Griff zu Drittanbieterprodukten, die das Migrieren auf SharePoint Online bzw. Cloud-to-Cloud oder den Rückzug auf den eigenen Firmenserver unterstützen. Insbesondere beim Wechsel von einem lokalen SharePoint-Server auf den SharePoint-Onlinedienst hat der IT-Verantwortliche im Vorfeld genau zu prüfen, ob alle benötigten Services auch in der Onlineversion verfügbar sind. Andernfalls müssen die Benutzer nachher mit ärgerlichen oder gar geschäfts-schädigenden Einschränkungen leben. Darüber hinaus ist ein besonderes Augenmerk auf die Migrationsfähigkeit von spezifisch entwickelten SharePoint-Funktionen zu legen. Denn SharePoint Online läuft immer im «Sandboxed Modus», was Einschränkungen etwa beim Objektmodell oder der Elevation von Privilegien bedeutet. Eigene Webparts müssen validiert werden, wenn sie in der Sandbox funktionieren sollen.

Wann lohnt sich die Cloud?
Die Frage nach dem lokalen SharePoint-Server oder dem SharePoint aus der Cloud sollte anhand der genannten Kriterien abgewogen werden. Szenarien, in denen sich eine Migration lohnen kann, sind zum Beispiel:
  • KMU, die einzelne standardisierte Cloud-Services wie E-Mail, Zusammenarbeitsfunktionen oder Webkonferenzen nutzen.
  • Unternehmen, die ihre Services modular aufgebaut haben. Diese können zum Beispiel einzelne Dienste durch einen identischen Service aus der Cloud ersetzen.
  • Je tiefer die Sicherheitssensitivität einer Firma ist, desto eher lassen sich geschäftskritische Daten und Prozesse auslagern.
  • Auch Unternehmen mit unregelmässigem oder saisonal stark schwankendem Kapa­zitätsbedarf können Kosteneinsparungen durch nutzungsabhängige Lösungen und Skalierbarkeit realisieren.
  • Für grosse Unternehmen lohnt sich der Wechsel dann, wenn sie intern einzelne Services loslösen und im Rahmen einer «Private Cloud» zentral bereitstellen.
  • Ein weiteres Szenario ist der Zusammenschluss von Unternehmen mit gleichartigen Bedürfnissen, die Informationen in einer Community Cloud gemeinsam abbilden.


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