17.05.2013, 10:12 Uhr

Kostenkiller Offshoring

Der IT-Dienstleistungsmarkt hat sich gewandelt. Weil IT-Systeme von jedem Standort aus zugänglich sind, werden Offshore-Dienstleister zur interessanten Alternative. Rechnet sich diese Strategie?
Lohnt sich IT-Offshoring?
Der Autor ist Director/Technology Lead, ITPC AG und ITPC India Pvt. Ltd. Pune. Können schweizerische und multinationale Unternehmen jeder Grösse mit einer intelligenten und massgeschneiderten Offshore-Lösung ihre IT-Kosten substanziell senken? Dieser Beitrag stellt die verschiedenen Offshoring-Varianten vor, beleuchtet die jeweiligen Vor- und Nachteile und zeigt anhand konkreter Kostenberechnungen am Beispiel von SAP-Basis-Dienstleistungen (vgl. Grafiken), wie gross das Sparpotenzial tatsächlich ist.

Was ist Offshoring?

Unter Offshoring versteht man generell die Auslagerung von Dienstleistungen und Produktionen in Länder mit wesentlich tieferen Kostenstrukturen als in der Schweiz. Die in diesem Bereich führenden Länder und Regionen sind bekannt: China, Indien, Osteuropa etc. Nebst dem Vorteil von tieferen Kostenstrukturen ist auch der Zugang zu gut ausgebildeten Fachkräften und Expertenwissen ein Argument. Zu den Dienstleistungen, die ausgelagert werden können, gehören auch die IT-Services. Dabei spielt es im Prinzip keine Rolle, ob es sich um reine IT-Beratungsdienstleistungen, etwa im Bereich Security, handelt oder um komplette Realisierungsprojekte wie zum Beispiel die Implementierung von IT-Systemen, Software-Entwicklung, Managed Services oder Support-Dienstleistungen. Grundsätzlich lassen sich alle Services, die nicht zwingend vor Ort durchgeführt werden müssen, auch offshore abwickeln. In der Praxis haben sich vier Varianten herauskristallisiert, die im Folgenden kurz vorgestellt werden:

1. Onsite und Offshore im Mix

Die Projekttätigkeiten werden in einer Mischung aus lokalen, beim Kunden vor Ort (und/oder am Schweizer Standort des Dienstleisters) geleisteten Services und Offshore-Ressourcen durchgeführt. Der Kunde kauft die Dienstleistung als Paket ein, wird aber bei der Aufteilung der Leistungen (vor Ort oder offshore) mit einbezogen, da dies direkten Einfluss auf die Kosten hat. Der Dienstleister entscheidet innerhalb der festgelegten Verteilung, welche Ressourcen herangezogen werden. Vorteile: Die Vorteile liegen ganz klar in der Kostenreduktion gegenüber einem reinen Onsite-Modell. Zudem können mehr Ressourcen bereitgestellt und dadurch eine wesentlich höhere Bereitschaft respektive Verfügbarkeit der Services garantiert werden. Kundennähe und Flexibilität bleiben bestehen und die Kommunikation kann in der Regel in der jeweiligen Landessprache erfolgen. Nachteile: Zur Steigerung der Effizienz und Verfügbarkeit sollte die Kommunikation in Englisch erfolgen. Mögliche Probleme: keine spezifischen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Reines Offshore-Modell

2. Reines Offshore-Modell

Möglichst alle Projekttätigkeiten werden offshore ausgeführt. Lediglich die Koordination, zum Beispiel das Projektmanagement, wird lokal direkt vor Ort beim Kunden (und/oder am Schweizer Standort des Dienstleistungsgebers) erbracht, sofern eine persönliche Interaktion entweder gewünscht oder notwendig ist oder der Dienstleistungsnehmer dies z.B. aufgrund des Projektumfangs wünscht. Der Dienstleister entscheidet, welche Ressourcen aus welchen Standorten herangezogen werden. Vorteile: Die Vorteile einer reinen Offshore-Lösung liegen in der maximalen Kostenreduktion gegenüber einem Onsite-Modell und zusätzlichen Reduktionen gegenüber einem Mischmodell. Zudem können noch mehr Ressourcen bereitgestellt und dadurch eine maximale Verfügbarkeit garantiert werden. Nachteile: Die Kommunikation muss in Englisch erfolgen. Zudem ist es erforderlich, dass Aufträge klar dokumentiert und spezifiziert werden. Zusätzliche Arbeitsschritte müssen für die Qualitätskontrolle eingerechnet werden. Mögliche Probleme: Missverständnisse entstehen meistens dann, wenn die Aufträge zu wenig detailliert formuliert und erteilt werden. Kompromisse bei der Kontrolle der Arbeiten führen zu Qualitätseinbussen.

3. TeamBuilding offshore extern

Für den Dienstleistungsnehmer wird ein dediziertes Offshore-Team inklusive Projekt­management und Infrastruktur als Service für einen im Voraus definierten Zeithorizont von üblicherweise 6 bis 18 Monaten zur Verfügung gestellt (Project Outsourcing). Das Team ist ausschliesslich für dieses Unternehmen oder ein entsprechendes Projekt tätig. Entweder übernimmt der Dienstleistungsnehmer die Koordination der Projektressourcen oder der Dienstleistungsgeber koordiniert die Ressourcen im Sinne des Kunden. Der Dienstleistungsnehmer wird im Rekrutierungsprozess und im Entscheid der Ressourcen-Allokation mit einbezogen. Vorteile: Die Vorteile liegen nicht nur in der Kostenreduktion gegenüber einem lokalen Team, sondern auch in der Flexibilität, ein Team schnell und nur auf bestimmte Zeit mit den für die Aufgabe geeigneten Ressourcen zusammenzustellen. Nach Beendigung des Projekts wird das Team ganz einfach wieder aufgelöst und es entstehen keine weiteren Kosten. Nachteile: Die Kommunikation muss in Englisch erfolgen. Zudem ist es erforderlich, dass Aufträge klar dokumentiert und spezifiziert werden. Das Projekt wird mehr oder weniger als Ganzes im Rahmen einer externen Dienstleistung erbracht und ist somit örtlich ausgelagert. Es werden grundsätzlich nur die vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht. Mögliche Probleme: Unvollständige vertragliche Vereinbarungen sowie fehlende oder ungenaue Abnahmekriterien können zu Unstimmigkeiten führen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: TeamBuilding offshore own

4. TeamBuilding offshore own

Für den Dienstleistungsnehmer wird gegen Honorar ein eigenes Offshore-Team (z.B. «Team Java Development») wahlweise inklusive Projektmanagement und Infrastruktur zur Verfügung gestellt, das ausschliesslich für dieses Unternehmen tätig ist (Build and Operate). Der Dienstleistungsnehmer übernimmt selbst die Koordination der Projektressourcen, die Mit­arbeiter stehen bereits zu Beginn oder spätestens nach einer definierten Projektlaufzeit auf seiner Lohnliste. Der Dienstleistungsnehmer wird im Rekrutierungsprozess im Detail mit einbezogen und entscheidet über die Auswahl jeder einzelnen Ressource. Vorteile: Die Vorteile liegen in der Kosten­reduktion gegenüber einem lokalen Team sowie in der Flexibilität, ein Team schnell mit den für die Aufgabe geeigneten Ressourcen zusammenzustellen. Zudem ist das Offshore-Team vollständig der eigenen Organisation unterstellt. Nachteile: Die Ressourcen bleiben nach Beendigung des Projekts im Unternehmen bestehen. Sie müssen in Folgeprojekte eingeplant werden oder das Team muss aufgelöst werden. Der Rekrutierungsprozess kann zeitaufwendig und auch personalintensiv sein. Mögliche Probleme: Missverständnisse entstehen durch mangelnde Detaillierung der Aufträge. Kompromisse bei der Kontrolle der Arbeiten führen zu Qualitätseinbussen.

Fazit: Auf die Mischung kommt es an

Durch eine intelligente und auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmte Zusammenstellung des Projektteams oder der IT-Services mit lokalen und Offshore-Ressourcen im Verhältnis 30 bis 40 Prozent lokal und 60 bis 70 Prozent offshore kann bei den meisten Projekten eine Reduktion von 40 bis 70 Prozent auf die Projektkosten erzielt werden (vgl. Grafiken). Dies bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung (Projektdauer, Verfügbarkeit der Ressourcen, Fach- und Expertenwissen) und grösserer Flexibilität. Bei einem Onsite/Offshore-Mischmodell sind die Risiken in Bezug auf Effizienz, Qualität und Flexibilität wesentlich kleiner als bei einem reinen Offshore-Modell.


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