18.10.2010, 06:00 Uhr

Auf Holz klopfen überflüssig

Der grösste Holzhändler der Schweiz hat jüngst seine Serverinfrastruktur an einen neuen Dienstleister ausgelagert, die Kontrolle über die Clients und das User Management jedoch behalten. Ein Erfahrungsbericht.
Vorsitzender der Geschäftsleitung der iSource AG Fast jeder hat schon einmal ein Produkt der Hiag Handel AG unter den Füssen gehabt oder mit den Händen berührt: Parkettböden, Türen, Holzplatten, Transportkisten, tragende Elemente für Holzbauten und vieles mehr stammt aus der Produktion des Unternehmens. Insgesamt enthält das Sortiment mehr als 16000 Produkte aus dem Bereich Holz und Holzwerkstoffe. In den letzten Jahren ist der Holzspezialist kontinuierlich auf elf Standorte gewachsen und betreut heute mehr als 12000 Kunden und 500 Lieferanten. Das stete Wachstum hatte auch Auswirkungen auf die IT: Im Zuge einer Restrukturierung überprüfte das fünfköpfige ICT-Team der Hiag auch seine Beziehung zum bestehenden Outsourcing-Dienstleister und kam zu dem Schluss, ein neues Evaluationsverfahren durchzuführen. Teamleiter Daniel Grob fühlte sich in seinen strategischen Optionen stark eingeschränkt und suchte daher nach einem Dienstleister, der sowohl über eine moderne Rechenzentrums-Infrastruktur verfügen als auch sehr flexibel sein sollte. Denn Grob hatte einige spezielle Anforderungen, die nicht jeder Outsourcing-Dienstleister erfüllt: So wollte der IT-Leiter das Client Management inhouse behalten, sich Admin-Rechte bezüglich des User Managements einräumen lassen, den First-Level-Support selbst erbringen, dazu aber das Ticketing-System des Outsourcers nutzen sowie eine günstigere, dennoch flexible und leistungsfähige Virtual Desktop Infrastructure aufbauen. Spezielle Anforderungen Viele Anforderungen auf einmal. Dennoch gestaltete sich das Evaluationsverfahren einfacher als gedacht. Aus einer Shortlist von fünf Providern wählte Grob drei aus und trat mit ihnen in Verhandlungen. Längst geht es im Outsourcing-Markt nicht mehr nur um Technologie, sondern vor allem um die Fähigkeit, sich den Bedürfnissen eines Kunden anzupassen, um Vertrauen und um eine gute Kommunikation. Der Preis spielte beim Zuschlag nur eine sekundäre Rolle: «Im Vergleich mit anderen Anbietern war iSource nicht der günstigste», sagt Daniel Grob. Mit dem Wechsel zum neuen Dienstleister sollte die IT flexibler werden, neue Software in kurzer Zeit einführen können und über kurze Wege mit dem Outsourcer verbunden sein - ohne die Kontrolle ganz aus den Händen zu geben. «Unsere Erfahrung zeigt: Wenn ein User sein Passwort vergessen hat, muss man das sofort freischalten können», erklärt Daniel Grob. Deshalb wollte er das User Management nicht dem Provider überlassen. Mit dem von iSource entwickelten User Management & Provisioning Service kann die interne IT ihre User rollenbasiert, effizient und sicher im Active Directory verwalten, ohne über Admin-Rechte im gesamten System verfügen zu müssen. Die Integration in die Ticketing-Lösung des Outsourcers erfolgte innert kurzer Zeit. Zuvor hatte das Hiag-Team zur Bewältigung der Support-Anfragen mit Excel-Sheets und E-Mails gearbeitet. Das sei «nicht optimal» gewesen, meint René Habrik vom ICT-Team der Hiag. Heute nutzt das Unternehmen das mandantenfähige iSource-Ticketing-System auch für interne Themen und kann darüber hinaus mit demselben Tool Incidents zu iSource absetzen. «So können wir leichter Wissen austauschen», erklärt Habrik. Flexiblere Desktop-Virtualisierung Bei der alten IT-Architektur zeigten sich immer mehr Performance-Probleme. Der Vorschlag, auf eine virtuelle Desktop-Infrastruktur (VDI) zu setzen, stiess deshalb auf offene Ohren. «Natürlich war es mutig, darauf einzugehen», erinnert sich Daniel Grob. «Doch wir hatten grosses Vertrauen in unseren neuen Outsourcer und in dessen Technologie-Know-how.» Die neue VDI-Lösung ist sehr elegant, die Lizenzkosten sind deutlich geringer und die Flexibilität grösser. Die Vielfalt der Applikationslandschaft reicht von herkömmlicher Office-Software bis zu speziellen Holzhandelslösungen oder Steuerungs-Software für die Holzbearbeitungmaschinen des Unternehmens. Mit der Parallellösung lässt sich jede Software und jeder Treiber auf der Basis eines Templates mit der VDI verlinken. Rund 100 solcher Templates in zwei Sprachen entstanden im Lauf des Umzugprojekts auf die neue Infrastruktur. «Ein neuer User-desktop lässt sich so im Idealfall innert 15 Minuten aufsetzen», fasst Martin Molnàr, Teamleiter Projekte bei iSource zusammen. Gleichzeitig wurden die bisher verstreut abgelegten Daten der Programme auf einem App-lication Server zusammengezogen. «Unsere Mitarbeitenden haben von der Umstellung auf die neue Oberfläche kaum etwas bemerkt», sagt Daniel Grob. Der einzige Unterschied: Sie benützen ein anderes Login-Programm. Ausserdem stehen jetzt die neusten Office-Programme zur Verfügung und der Desktop reagiert markant schneller. Hindernisse rasch beseitigt Der Wunsch, das Client Management selbst zu besorgen, entspringt dem Gedanken, möglichst viel Applikations-Know-how im Haus zu behalten. Dadurch spürt das ICT-Team, wo der Schuh drückt. Es hat auf diese Weise auch schon Feedback über die Auswirkungen der verbesserten Effizienz im Support erhalten: Die Anfragen sind um einen Drittel bis zur Hälfte zurückgegangen - auch ein Zeichen für den schmerzfreien Wechsel zum neuen Outsourcing-Dienstleister. Das Projekt sollte vier Monate dauern, wurde dann aber mit vier Wochen Verzögerung abgeschlossen. Plötzlich auftretende Druckerprobleme aufgrund der gewachsenen heterogenen Gerätelandschaft waren die Ursache. Obwohl die 64-Bit-Technologie seit Jahren verfügbar ist, erwiesen sich dennoch nicht alle Produkte als hundertprozentig lauffähig. Eine Konsolidierung der Druckertypen war unumgänglich. Die Infrastruktur- Kommunikation mit MS Exchange (vorher Lotus Notes)- 70 Laptops- 20 PCs- 250 Thin Clients- 8 physische Server mit Windows Server 2008 (BladeServer im RZ von iSource)- 14 virtuelle Server- 80 BlackBerrys- Weitere hochverfügbare und redundant ausgelegte Services von iSource speziell im Bereich Storage und Backup Auf die Zukunft vorbereitet Unmittelbar nach dem Go-Live der neuen Umgebung erprobte die Hiag die Flexibilität ihres Outsourcers mit der Einführung einer neuen ERP-Lösung. Das Projekt, bei dem der Software-Partner die Führung innehatte, verlief reibungslos. In enger Abstimmung mit dem Outsourcer wurden die nötigen Server angeschafft und aufgesetzt. Daniel Grob fühlt sich mit der neuen Server-infrastruktur für die Zukunft und weiteres Wachstum gerüstet. Er kann sich frei entfalten und eine IT-Strategie entwickeln, die besser auf das Business zugeschnitten ist: «Wir sind nun endlich in der Lage, alte Insellösungen abzubauen, Schnittstellen zu reduzieren, und haben mehr interne Ressourcen, um rascher auf die Anforderungen von Markt und Business zu reagieren.» Outsourcing - 5 Tipps für KMU1. Die Fachgruppe Sourcing des Verbands SwissICT hat aus der Praxis heraus ein 4-Phasenmodell für Unternehmen entwickelt, die IT-Prozesse auslagern wollen, zu finden unter ww.swissict.ch/phasenmodell.html. 2. Sie sollten so rasch wie möglich einen direkten Zugang zu den Spezialisten des Outsourcers erhalten: Gerade KMU brauchen eine enge partnerschaftliche Beziehung zum Dienstleister, um schnell ändernde Bedürfnisse abdecken zu können.3. Der Preis sollte nicht das wichtigste Auswahlkriterium sein - ansonsten drohen intransparente Preismodelle. Entscheidend ist das beste Preis-Leistungs-Verhältnis.4. Definieren Sie Ihre Ziele und den Fahrplan für das Auslagerungsprojekt ganz exakt. Formulieren Sie Ihre Anforderungen präzise. So entstehen keine Missverständnisse und der Outsourcing-Partner kann sich optimal auf Sie einstellen.5. Gestalten Sie das zugrunde liegende Vertragswerk modular und achten Sie darauf, dass für beide Seiten eine Win-Win-Situation entsteht. Nur so kann eine langjährige Partnerschaft entstehen, die sich gegenseitig befruchtet.Rainer Egli


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