15.08.2007, 10:42 Uhr

Expression bringt zwei Welten zusammen

Mit der Expression Suite bietet Microsoft erstmals ein Komplettpaket für Grafiker und Webdesigner an. Auch für Entwickler ist etwas dabei: Expression Blend ist das neue Designtool für XAML-basierende Oberflächen, Expression Web der neue, standard-konforme HTML- und CSS-Editor, mit dem sich auch Entwickler schnell anfreunden werden.
Expression Design: Microsofts neues Website- und HTML-Seiten-Tool besticht durch Komfort und eine strenge Einhaltung der aktuellen HTML- und CSS-Standards.
Peter Monadjemi ist seit drei Jahren Chefredaktor beim dot.net-Magazin, Buchautor und Trainer und lebt in München.
Die neue Expression Suite ist mehr als nur eine neue Produktpalette von Microsoft oder der (vermeintliche) Versuch, Adobes Creative Suite mit Standardwerkzeugen wie Photoshop, Flash, DreamWeaver oder anderen etablierten Anwendungen Konkurrenz machen zu wollen. Die Expression Suite besitzt auch eine strategische Komponente. Zum einen soll sie das Werkzeug für Rich Internet Applications (RIAs) sein, die nicht nur aus Streaming Video bestehen, sondern bei denen klassisches HTML, CSS, JavaScript und Vektorgrafiken eine genauso wichtige Rolle spielen. Zum anderen ist sie das Werkzeug, um ähnlich «farbenfrohe» Oberflächen zu erstellen, wie sie seit Jahren ein Markenzeichen von MacOS X sind und nicht unwesentlich zur Popularität der Apple-Plattform beigetragen haben. Diese Strategie ist auf Jahre angelegt. Daher darf derzeit der Umstand, dass das Zusammenspiel der einzelnen Anwendungen im Paket limitiert ist und XAML als das Fundament künftiger RIA-Anwendungen nur durch Expression Design und Expression Blend unterstützt wird, noch nicht überbewertet werden. Ganz nebenbei ist die Expression Suite auch die erste Generation von .NET-Anwendungen aus Redmond für den Anwender, mit denen Microsoft Geld verdienen möchte.

Expression Design: Vektorgrafiken

Expression Design ist das neue Microsoft-Programm für Vektorgrafiken. Zwar sollen einige Bedienelemente vermutlich Photoshop-Anwendern ein wenig den Einstieg erleichtern. An die Funktionsvielfalt von Photoshop und Co reicht Expression Design dennoch nicht heran. Wie bei der Expression Suite allgemein geht es Microsoft auch mit Expression Design nicht darum, eine weitere Alternative in einem Markt zu platzieren, der mit etablierten Produkten wie Photoshop, Freehand, CorelDraw oder PaintShop Pro mehr als abgedeckt ist. Zumal jede dieser Anwendungen ihre treuen Anhänger besitzt, die nur schwer zu überreden sein dürften, eine Alternative auch nur in Betracht zu ziehen. Dazu ist Expression Design 1.0 noch zu rudimentär und bietet eine für verwöhnte Grafikprofis zu wenig intuitive Benutzerführung. Überdies fehlen (lebens-) wichtige Funktionen, wie ein direkter Import und Export von EPS-Dateien. Importiert werden können unter anderem Adobe-Illustrator- und -Photoshop-Dateien, bei den Export-Formaten fallen vor allem XAML und PDF auf, wobei XAML-Dateien kurioserweise nur exportiert, nicht aber importiert werden können. Das vor allem für die Darstellung von Landkarten populäre SVG-Format fehlt in der Liste, was aufgrund der strategischen Ausrichtung keine Überraschung ist. Expression Design ist ganz einfach das Programm für Vektorgrafiken im Rahmen einer RIA- oder WPF-Anwendung. Nicht mehr und nicht weniger.

Expression Web: Bester HTML-Editor?

Expression Web übernimmt als inoffizieller Nachfolger von FrontPage 2003 auch den Ruf eines HTML-Editors, der bei den Verfechtern der reinen HTML-Lehre nicht allzu hoch im Kurs stand. Microsoft hat bereits im Vorfeld der Einführung keine Gelegenheit ausgelassen, zu betonen, dass man sich künftig streng an die offiziellen W3C-Standards halten wolle. Bei Expression Web scheint das Ziel erreicht. Es handelt sich um einen überaus komfortablen «HTML-Editor», der es auch weniger erfahrenen Anwendern und Entwicklern, die bislang keinen Kontakt mit der HTML-Welt hatten, leicht macht, Seiten zu erstellen und vorhandene Seiten an aktuelle HTML- und CSS-Standards anzupassen. Für die Seitenvorschau stehen zuvor «registrierte» Browser in den gängigen Auflösungen zur Auswahl. Eine Kompatibilitätsprüfung gibt an, inwieweit sich eine Seite an zuvor ausgewählte HTML/CSS-Standards hält oder ob sie die Mindestanforderungen an Barrierefreiheit erfüllt. Erkannte Probleme werden in einem Bericht zusammengefasst, Änderungen an Dateien protokolliert.
Der Umgang mit CSS-Formatvorlagen ist überaus komfortabel (Intellisense trägt dazu seinen Teil bei), nicht nur was das Anlegen neuer Vorlagen, sondern auch die Zuordnung zu HTML-Elementen angeht. Wird in der HMTL-Vorschau beispielsweise Text direkt formatiert, werden die Attribute nicht etwa in das HTML eingetragen. Stattdessen wird eine neue Vorlage (Style1) angelegt und über das Class-Attribut eingefügt. Sehr praktisch sind die verschiedenen CSS-Reportmöglichkeiten, die beispielsweise nicht verwendete Vorlagen oder nicht vorhandene Klassen anzeigen. Auch JavaScript wird durch Intellisense unterstützt, allerdings nicht in dem Umfang wie es beim kommenden VS 2008 der Fall ist. Jedem (HTML-) Element kann ein Verhalten (Behavior) zugeordnet werden, das zum Beispiel dazu führt, dass mit dem Anklicken des Elements ein Skript ausgeführt wird. Auf diese Weise kommen auch Anwender ohne JavaScript-Kenntnisse zu interaktiven HTML-Seiten. Wie in einem Code-Editor bietet auch der HTML-Editor Codeausschnitte, mit denen sich etwa die «lästigen» Doctype-Definitionen ein-fügen lassen.
Ein weiterer Pluspunkt von Expression Web ist die HTML-Optimierung, die beispielsweise bei grossen Seiten die Ladezeit verbessern kann, indem überflüssige Elemente entfernt werden. Sehr nützlich ist die Option, die WordMLaus einer HTML-Seite entfernt. Expression Web ist auch ein Tool für ASP.NET-Webformulare, wobei es dadurch aber zur Alternative zu Visual Studio oder Visual Web Developer wird (es gibt keinen Code-Editor und damit auch keine Codebehind-Dateien).
Sehr praktisch ist die gemischte Vorschau bei Webformularen, die es bei Visual WebDesigner nicht gibt. Expression Web präsentiert sich als moderner und überaus komfortabler HTML-Editor, der grossen Wert auf die Unterstützung von XHTML und CSS (bis zur Version 2.1) legt und mit den Master Templates und (XML-) Datenquellen einen Komfort bieten, der nicht auf proprietären Techniken basiert. Ganz perfekt ist aber auch Expression Web noch nicht. Wird in einer HTML-Seite beispielsweise eine Grafik ausgetauscht, behält der HTML-Code die alten Grössenan-gaben bei (diese müssen manuell gelöscht werden), so dass die neue Bitmap unter Umständen in der falschen Grösse angezeigt wird. Aber das sind Details, die sich in einer 1.1-Version leicht korrigieren lassen. Wie es sich für einen Frontpage-Nachfolger gehört, wird das klassische VBA zur Automatisierung von Routineabläufen unterstützt.

Expression Media: Ein Allrounder

Für alles, was mit Mediendateien zu tun hat, sind Expression Media und der als separater Download erhältliche Expression Media Encoder zuständig. Expression Media verwaltet Mediendateien, erlaubt Grössenänderungen, das Konvertieren in andere Formate und das Hinzufügen von (XML-) Metadaten wie etwa Kommentare. Es erstellt Medienkataloge mit einer Vorschau, die beispielsweise per FTP auf einen Webserver geladen werden können. Anwender ohne Expression Media können den kostenlosen Media Reader benutzen, um Kataloge zu betrachten. In Kombination mit Silverlight wird der Expression Media Encoder benötigt. Dieser erlaubt das Nachbearbeiten von Audio- und Videodateien und das «Encodieren» in ein Streamingformat (was bei grossen Dateien aber recht lange dauert), so dass das Resultat im Rahmen einer Silverlight-Anwendung abgespielt werden kann.
Mit den RIAs entsteht nicht nur eine neue Generation von Anwendungen, auch das Arbeitsbild des Entwicklers wandelt sich. Die Zusammenarbeit mit Webdesignern und Grafikern wird in Zukunft eine sehr viel wichtigere Rolle spielen. Das Paradebeispiel ist Expression Blend, das Visual Studio-Projekte laden kann, um XAML-Dateien zu bearbeiten (in der August-Preview von Blend 2 klappt auch die Zusamme-arbeit mit der Beta 2 von VS 2008). Mit der Expression Suite hat sich Microsoft in eine gute Ausgangsposition gebracht und bietet Designern wie Entwicklern ein attraktives Gesamtpaket an (ein Visual Studio 2005 Standard rundet die Expression Suite ab). Auf der im Oktober in Berlin stattfindenden Xtopia-Konferenz wird sich zeigen, ob Microsoft mit seinen neuen Produkten bereits eine Zielgruppe gefunden hat.
Die Expression-Familie in der Übersicht

Blend

Welche Rolle spielt es? Entwicklungsumgebung für WPF- und Silverlight Anwendungen
XAML-Unterstützung: Import/Export

Design

Welche Rolle spielt es? Vektorgrafik für WPF- und Silverlight
XAML-Unterstützung: Nur Import

Web

Welche Rolle spielt es? Web-Editor, der streng auf HTML- und CSS-Standards basiert
XAML-Unterstützung: Keine

Media

Welche Rolle spielt es? Das Programm fürs Digital Asset Management
XAML-Unterstützung: Keine

Media Encoder

Welche Rolle spielt es? Encoder für High-Definition-Daten
XAML-Unterstützung: Keine

Media Reader

Welche Rolle spielt es? Kostenloser Download mit dem sich mit Media erstellte WWMedienkataloge betrachten lassen
XAML-Unterstützung: Keine
Peter Monadjemi


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