11.10.2010, 06:00 Uhr

eGovernment in der Schweiz

In den vergangenen Jahren hat die Schweiz organisatorische und technische Grundlagen für die Zusammenarbeit der Ämter untereinander, mit Unternehmen und Bürgern geschaffen. Noch aber bleibt viel zu tun.
Mitglied der Geschäftsleitung bei GFT Technologies (Schweiz) AG Obwohl die Schweiz hinsichtlich ihrer Telekommunikations-Infrastruktur die besten Voraussetzungen bieten würde, offenbart die letzte eGovernment-Benchmark-Studie der Europäischen Union, dass die eidgenössischen Behörden doch noch einiges nachzuholen haben: Demnach rangiert die Schweiz deutlich unter dem gesamteuropäischen Durchschnitt. Von 20 fest definierten Dienstleistungen sind EU-weit durchschnittlich 71 Prozent vollständig online verfügbar, in der Schweiz nur 32 Prozent. Auch beim Ausbaustand der online umgesetzten Dienstleistungen befindet sich die Schweiz im hinteren Teil des Feldes auf Platz 28 - mit 67 Prozent gegenüber dem Durchschnittswert von 83 Prozent. Auf dem Weg zu einer modernen Verwaltung hat der Schweizer Bundesrat zwar 2007 eine nationale eGovernment-Strategie verabschiedet, die dezentral umgesetzt wird. Ein neunköpfiger Steuerungsausschuss, in dem Interessenvertreter des Bundes, der Kantone und der Kommunen gleichberechtigt eingebunden sind, koordiniert die Umsetzung. Diese haben einen Katalog formuliert, der rund 50 priorisierte Vorhaben enthält, von denen allerdings erst einige wenige umgesetzt sind. Immerhin: Die Behörden haben inzwischen ihre Prozesse amtsintern und behördenübergreifend optimiert und wickeln viele Geschäfte elektronisch und damit schneller ab. Bei rund einem Viertel der Projekte lassen sich die erzielten Einsparungen auch monetär beziffern. Inzwischen dürfen Auslandsschweizer auch in 12 Kantonen ihre Stimme im Probebetrieb online abgeben.

Vom Portal zum Serviceschalter

Insbesondere an der Schnittstelle zwischen Behörde und Bürger zeigt sich eine evolutionäre Entwicklung. Weitverbreitet - auch auf Gemeindeebene - sind Portale, die Informationen online zur Verfügung stellen und so für höhere Transparenz sorgen. So bündelt www.ch.ch als zentrale Einstiegsseite in fünf Sprachen Wissenswertes über den Staat. Hier steht, wie man einen Pass beantragt, was bei einem Umzug oder einer Unternehmensgründung zu beachten ist, die Kontaktdaten einer Amtsstelle, wo man Anträge und Formulare oder aktuelle Gesetzestexte bekommt. Schon eine Ebene weiter sind Serviceportale. Damit optimiert die Administration ihre Prozesse. So setzen Migrationsämter intern verstärkt auf webbasierte Scan-, Archivierungs- und Workflow-Lösungen. Diese sorgen für hohe Transparenz, schnelle Durchlaufzeiten und optimalen Kundenservice beim Prüfen von Asyl-, Aufenthalts- und Arbeitsgesuchen, das Ausstellen von Reisedokumenten und Visa sowie das Steuern von Melde- und Einbürgerungsverfahren. Dank webbasiertem Zugriff auf Dossiers können die Sachbearbeiter bei Anfragen umgehend Auskunft über den aktuellen Stand eines Vorgangs geben. Der Kunde profitiert von einer verbesserten Dienstleistungsqualität. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) stellt zum Beispiel kantonalen Steuerbehörden und Steuerpflichtigen über www.ictax.admin.ch die Kursliste der in der Schweiz kotierten in- und ausländischen Wertpapiere zur Verfügung - ein Tool zur Berechnung und Abfrage der Steuerwerte und damit Grundlage für die Steuererklärung. Der nächste logische Schritt ist ein virtueller Schalter, an dem sich der Bürger auf Wunsch selbst bedient. Dort kann er sich Einblick in laufende Vorgänge verschaffen und erhält die Möglichkeit, mit der Behörde elektronisch zu interagieren. Um Dokumente und Verträge digital und ohne Medienbruch verschicken und verarbeiten zu können, muss man diese rechtsverbindlich zeichnen können. Deshalb stellt sich immer dann, wenn den Verwaltungsvorgängen persönliche Daten oder Transaktionen zugrunde liegen, die Frage nach Datenschutz, IT-Sicherheit und Authentifizierung. Technologisch gibt es dafür bereits Lösungen inklusive bewährter Anwendungsbeispiele. So lässt sich bei Logistikdienstleistern nach Eingabe von Identifizierungscodes der Sendeverlauf von Paketen verfolgen. Auch Online und Mobile Banking dienen als Vorbild. Hier kommen das asymmetrische Kryptoverfahren RSA mit Streichlisten, mobil verschickten Codes oder Token bereits erfolgreich zum Einsatz.

Nutzerfreundliche Lösung gefragt

Vor wenigen Wochen startete Österreich, das den europäischen eGovernment-Benchmark anführt, für einige behördliche Vorgänge eine Handy-Signatur. Der Bürger meldet sich per Passwort und Mobiltelefonnummer auf einer Website an und erhält per SMS einen zusätzlichen Code, mit dem er eine elektronische Signatur auslösen kann. Von der Einführung des neuen, kostenfreien Verfahrens verspricht sich die österreichische Regierung eine höhere Akzeptanz der Nutzer. Bisher waren für die Dienste eine kostenpflichtige Chipkarte, ein Lesegerät, Passwort und spezielle Software notwendig. Auf ein vergleichbares, zertifikatsbasiertes System mit Chipkarte und Kartenleser bzw. USB-Stick setzt auch die SuisseID, die seit Anfang Mai in der Schweiz die Funktion eines digitalen Personalausweises übernimmt. Ihre digitale Identität können Bürger zum Beispiel bei der Schweizerischen Post oder bei einem Schweizer Zertifizierungsanbieter erwerben. Die erforderliche Identifikation erfolgt einmalig persönlich vor Ort auf der Poststelle oder bei der Gemeindeverwaltung, wie es auch beim Anlegen eines Bankkontos üblich ist. Anwendungsbeispiele finden sich bei der EStV, der Eidgenössischen Zollverwaltung und dem Bundesamt für Justiz, wo sich Bürger ihren Strafregisterauszug online bestellen können, ohne persönlich erscheinen zu müssen. Im benachbarten Deutschland könnte der für Herbst 2010 angekündigte neue Personalausweis im Scheck-kartenformat die Authentifizierungsfunktion im Internet mit übernehmen. Die erforderlichen Daten sind auf einem integrierten Chip gespeichert. Parallel dazu startete die Deutsche Post im Sommer den sogenannten E-Postbrief, der Authentifizierungs-, Sicherheits- und Verschlüsselungstechnologie kombiniert. Durchsetzen wird sich diejenige Technologie, die nicht nur sicher, sondern gleichzeitig einfach und nutzerfreundlich zu handhaben ist. Denn eGovernment bietet nicht nur technikaffinen Menschen, die mit der Technik aufwachsen, grosse Vorteile. Gerade Ältere, die nicht mehr so mobil sind, könnten von digitalen Bürgerdiensten profitieren. Auf welcher Evolutionsstufe sich die Webseiten der Schweizer Kantone derzeit befinden, zeigt das Computerworld-eGovernment-Ranking auf den folgenden Seiten.
Oliver Münster


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