Top-500-Branchenranking 11.11.2020, 05:57 Uhr

Demonstration der Pracht - die Schweizermeister der ICT-Sparten

Die Eröffnung von Schweizer Rechenzentren durch ICT-Grössen wie Google und Microsoft hat auch einzelne ICT-Branchen beflügelt. Daneben hat das PC-Geschäft reüssiert.
Prachtvoll wie ein Pfau präsentierte sich die heimische ICT-Branche im vergangenen Jahr. In nächster Zeit dürften aber einige Anbieter Federn lassen.
(Quelle: Stephan Torre/Keystone)
Ein durchwegs gutes Jahr, durchsetzt mit ein paar schwarzen Flecken. So könnte man versucht sein zu sagen, wenn man sich die Sparten betrachtet, die Computerworld anhand der angegebenen und geschätzten Umsätze der grössten ICT-Unternehmen in den verschiedenen Geschäftsbereichen analysiert hat.
2019 haben dabei zwei Branchen besonders reüssiert. Zum einen konnten Internet- und Web-Dienstleister ihr Umsatzvolumen kräftig anschwellen lassen. Deren Erlöse stiegen letztes Jahr um mehr als 14 Prozent. Die von vielen Herstellern schon mantrenartig wiederholte Rede von der Cloud-basierten Digitalisierung wird in Form von eingenommenen Franken und Rappen konkret. Und nicht zuletzt hinterlässt die von Medienrummel begleitete Ankunft der Hyperscaler im heimischen Cloud-Markt Spuren.
Überraschend erlebte 2019 der PC-Markt in der Schweiz einen zweiten Frühling. Die Umsätze in diesem Bereich stiegen um über 11 Prozent. Im Schlepptau schnellten auch die Erlöse in den Bereichen Server und Storage in die Höhe, und zwar um 4,5 und knapp 10 Prozent. Profitiert hiervon hat auch die Sparte Verkauf und Distribution. Diese konnte hierzulande um über 5 Prozent zulegen.
Mit einem eher schwierigen Marktumfeld konfrontiert sind dagegen Firmen, die Halbleiter, Komponenten und Netzwerkteile herstellen. Sie alle mussten 2019 gesamthaft mit sinkenden Umsätzen leben. Auch der Telekommarkt ist hart umkämpft und schrumpft entsprechend in Sachen Gesamterlöse.
Ein ganz ähnliches Bild zeichnet die jährlich erscheinende und im Auftrag des Schweizer ICT-Branchenverbands Swico erstellte Studie des European Information Technology Observatory (EITO). In der letzten veröffentlichten Ausgabe stellten die Marktforscher für 2019 in der Schweiz ein überdurchschnittliches Umsatzwachstum im Bereich IT-Hardware fest. Knapp 12 Prozent legte hierzulande diese Sparte zu.
Besonderer Treiber waren dabei tragbare Rechner. Deren Umsatz ist gemäss EITO zwischen 2018 und 2019 um sage und schreibe 21,8 Prozent angeschwollen. Grund hierfür war ein forcierter Umstieg vieler Unternehmen, aber auch Privater auf Windows 10, was vielerorts mit einer Erneuerung der PC-Flotte einherging. Und da schon vor Corona der Trend zu mobilem und ortsungebundenem Arbeiten ein Thema war, investierten viele Anwender in tragbare Geräte als Desktop-Ersatz.

Telekommunikation

Der Schweizer Telekommunikationsmarkt ist nach wie vor hart umkämpft und schrumpft tendenziell. Zumindest konnten die in den Top 500 von Computerworld aufgeführten Firmen in diesem Bereich 2019 im Vergleich zum Vorjahr 1,5 Prozent weniger Erlöse einfahren. Nur mit Diversifizierung lassen sich die schrumpfenden Einnahmen aus dem Geschäft mit reinen Telekomdienstleistungen halbwegs wettmachen. Beim Platzhirsch Swisscom sieht dies gemäss Geschäftsbericht für das Jahr 2019 so aus, dass das Minus von 4,7 Prozent im helvetischen Geschäft mit Telekomdiensten durch Steigerungen im Bereich Wholesale (+13,6 Prozent) und im Bereich Handelswaren (+12,5 Prozent) sowie mit einem halbwegs stabilen Lösungsgeschäft (-0,6 Prozent) abgefangen wird. Da der Umsatz mit Telekomdienstleistungen nach wie vor der grösste Brocken ist, resultiert unterm Strich ein Nettoumsatzminus von 2,8 Prozent.
“5G ist entscheidend für die leistungsfähige digitale Infrastruktur der Schweiz„
André Krause, Sunrise
Die Erschliessung neuer Geschäftsfelder ist eine Möglichkeit, sich in einem kompetitiven Umfeld zu behaupten. Eine andere ist der Versuch, sich mit einem Konkurrenten zusammenzuschliessen. Zu einem beherrschenden Thema der Branche wurde denn auch 2019 der schlussendlich geplatzte Merger von Sunrise und UPC. Mit dem Schweizer Kabelnetzriesen hätte der zweitgrösste Telko der Schweiz einen direkten Zugang zu vielen helvetischen Haushalten gehabt und die Kundenzahl mit einem Schlag verdoppeln können. Doch ausländische Investoren wie die deutsche Freenet machten dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Unterdessen (Stand Mitte August) bestehen erneut Merger-Absichten, und zwar in umgekehrter Richtung. Nun will die UPC-Mutter Liberty Global Sunrise schlucken. In der Zwischenzeit setzt Sunrise auf Glasfasernetze. Für deren Ausbau und um einen Gegenpart zum Branchenprimus Swisscom zu bilden, kooperieren denn auch ansonsten erbitterte Konkurrenten miteinander. So haben sich im Mai 2020 Sunrise und Salt zusammengeschlossen und die «Swiss Open Fiber» gegründet, mit der die Zahl der FTTH-Anschlüsse (Fiber to the Home) erhöht werden soll. «Mit dieser strategischen Partnerschaft zwischen Salt und Sunrise zur Schaffung einer führenden FTTH-Plattform für ultraschnelle Breitband-Verbindungsdienste wollen wir in den nächsten fünf bis sieben Jahren 1,5 Millionen Schweizer Haushalte erschliessen», umschreibt Salt-CEO Pascal Grieder gegenüber Computerworld das Vorhaben. «Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zur landesweiten Digitalisierung und zu einem gesunden Wettbewerb auf dem Glasfaser-Infrastrukturmarkt», ist Grieder überzeugt.

Hoffnung und Sorgen mit 5G

Eine weitere Netzwerktechnik, auf welche die Telekom­industrie grosse Hoffnungen setzt, ist die nächste Mobilfunkgeneration 5G. Anfang 2019 ist hierzulande mit der 5G-Frequenz-Auktion der Startschuss für den Netzaufbau und die Einführung des 5G-Standards gefallen. Hierbei können die Telekomanbieter auch erste Erfolge vorweisen. «Sunrise versorgte per Anfang Juni 2020 554 Städte und Orte mit Highspeed 5G», berichtet Sunrise-CEO André Krause. Der Telko erachtet den Auf- und Ausbau der fünften Mobilfunktechnik denn auch als matchentscheidend. «5G ist ein zentrales Thema und entscheidend für die leistungsfähige digitale Infrastruktur der Schweiz», ist Krause überzeugt. Als Anwendungen, die 5G bieten werde, nennt der Sunrise-Chef denn das Internet of Things (IoT), die Vernetzung von Infrastrukturen mit Geräten und Menschen sowie die Echtzeitsteuerung kritischer Produktionsabläufe. «Davon hängen der zukünftige Erfolg der Wirtschaft und die Entwicklung der Gesellschaft ab», ist Krause überzeugt.
Allerdings bläst den 5G-Anbietern ein gewisser Gegenwind in Form diverser Ausbaumoratorien entgegen. Vor
allem in der Westschweiz formiert sich Widerstand gegen die Errichtung neuer 5G-Antennen. So haben die Kantone Genf, Jura und Waadt entsprechende Massnahmen ergriffen. Hinzu kommt, dass viele einzelne Gemeinden Moratorien erwägen. Schliesslich werden auf lokaler Ebene auch einzelne Antennenstandorte bekämpft. Gemäss einer Mitteilung des Vereins «Schutz vor Strahlung» Ende Juli sind schweizweit 1450 Einsprachen gegen Baugesuche von 5G-Antennen eingereicht worden.
Und auch auf Bundesebene ist man vorsichtig geworden. So wurde Anfang Jahr die Publikation von 5G-Richt­linien auf unbestimmte Zeit verschoben. Konkret geht es um Vollzugshilfen, mit denen die Kantone entsprechende Bewilligungen erteilen können. In einem Brief an die Kantone von Ende Januar hält der Bund denn auch fest, dass er weiter an technischen Richtlinien arbeite. «Einen konkreten Zeithorizont für diese Arbeiten können wir nicht nennen», heisst es. Die Ausarbeitung werde «noch einige Zeit in Anspruch nehmen» (vgl. weiteren Artikel zu 5G).
Über diese Verzögerungen sind die Mobilfunkbetreiber natürlich nicht gerade glücklich. «Die im Vergleich zum Ausland zehnfach strengeren Strahlenschutzrichtlinien, weitere Verschärfungen durch die Vollzugsvorschriften oder die komplexen Bewilligungsverfahren für Mobilfunkanlagen drohen, die flächendeckende Einführung der 5G-Funktionalitäten massiv zu verzögern», befürchtet Sunrise-CEO Krause. Das wirke sich nachteilig für die gesamte ICT-Branche aus, ist er überzeugt.
Salt-CEO Grieder bläst ins selbe Horn und bringt sogar aktuelle Techniken ins Spiel, auf die Verzögerungen beim 5G-Ausbau Einfluss haben könnten. «Viele Leute sind sich nicht bewusst, dass die Behinderung des Aufbaus der 5G-Netzwerke sich auch negativ auf die Erweiterung und den Unterhalt der bereits bestehenden Mobilfunkanlagen (3G und 4G) auswirkt und damit potenziell auch die Qualität der heutigen Mobilfunk­telefonie beeinträchtigt», sagt er.

Software

Auch 2019 gehörten Software-Hersteller zu den treibenden Kräften in der ICT-Branche. Vom Umsatzvolumen der in den Top 500 vertretenen Firmen ist die Software-Branche nach den ICT-Dienstleistern sowie den Telekom- und Internetprovidern mit fast 10 Milliarden Franken Umsatz die drittgrösste Industrie. Allerdings legten die Software-Firmen nicht mehr im gleichen Umfang zu wie auch schon, lag das Umsatzwachstum doch zwischen 2018 und 2019 bei knapp 6 Prozent, während in den Vorjahren jeweils zweistellige
Zuwächse registriert werden konnten. Dies hat sicher unter anderem auch damit zu tun, dass ein immer grösserer Teil des Erlöses von Software-Firmen mit Dienstleistungen erwirtschaftet wird.
Daneben herrscht klar der Trend vor, Software nicht mehr zu verkaufen, sondern im Abonnement zu vermieten
und wenn möglich online anzubieten. Diese Strategie verfolgen viele der in den Sparten-Top-Ten geführten Unternehmen, allen voran die auch 2019 erstplatzierte Firma Microsoft. Mit Office 365, das mittlerweile in Microsoft 365 umbenannt wurde, verfolgt der Software-Riese aus Redmond nun seit einigen Jahren diese Strategie. Der Trend dürfte sich noch verstärken, da Schweizer Firmen die Office-Anwendungen nach der Eröffnung helvetischer Rechenzen­tren nun auch aus der lokalen Cloud beziehen können.
“Der Trend der Personalisierung geht in die nächste Runde „
Blaise Roulet, Salesforce
Dass sich mit reinen Cloud-Software-Lösungen auch ausgiebig Umsatz generieren lässt, beweist das Unternehmen Salesforce, das Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management; CRM) online anbietet. Denn die Firma hat mit jährlichen Wachstumsraten zwischen 30 und 40 Prozent innert Kürze den Sprung in die Software-Top-Ten von Computerworld geschafft und ist dort gleich auf den 9. Platz vorgerückt. «Der Trend der Personalisierung geht in die nächste Runde», kommentiert Salesforce-Schweiz-Chef Blaise Roulet die Entwicklung auch im helvetischen CRM-Umfeld. «Individualisierte Botschaften und Angebote erfordern tiefe Einblicke, quasi eine 360-Grad-Sicht. Die Kundendatenbeschaffung und -verwaltung ändert sich demgemäss», fügt er an. Dabei spiele das Nutzen künstlicher Intelligenz aus Effizienz- und Wirkungsgründen eine immer grössere Rolle. «Einwegkommunikation und isolierte Betrachtungen sind passé, in Zukunft entscheidet die Qualität des Beziehungsmanagements, also wie intelligent das Unternehmen die erfassten Daten nutzt», ist der Salesforce-Vertreter überzeugt.
Auch 2019 war für die Hersteller und Bereitsteller von ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning) ein gutes Jahr. Das beweist nicht zuletzt der deutsche ERP-Riese SAP, welcher auf Platz zwei der Sparten-Top-Ten dem Sieger Microsoft immer mehr auf die Pelle rückt. Einer der grössten Treiber ist hier der immer dringender werdende Umstieg auf das SAP-Nachfolge-Produkt S/4Hana. Hiervon profitieren auch Unternehmen wie itesys, die Anwenderfirmen beim Wechsel unterstützen. «Die zeitlich limitierte Weiterentwicklung von SAP ERP ab 2027 und der damit einhergehende Handlungsbedarf, die bestehende Lösung auf S/4-Hana zu bringen», habe deshalb den Geschäftsgang des Technologie-Unternehmens beflügelt, berichtet denn auch Sascha Lioi, Managing Director von itesys.
Aber auch im Microsoft-Umfeld und ohne einen bald ins Haus stehenden Umstiegszwang läuft das ERP- und CRM-Geschäft rund. «Der Erfolg von Dynamics 365 im Markt war für uns ein sehr deutlicher Trend», berichtet Andreas Schindler, Geschäftsführer von Avanade Schweiz. Da sei viel Momentum im Markt, fügt er an. «Wir sehen ausserdem ein grosses Interesse an allen Themen rund um Customer Insight, Digital Marketing und CRM», berichtet er weiter.

ICT-Dienstleister

Nach wie vor mit Abstand die wichtigste Grösse im Schweizer ICT-Markt, zumindest was das Umsatzvolumen betrifft, sind denn jene Top-500-Firmen, die in der Branche Dienstleistungen erbringen. Und immer mehr Anwenderunternehmen setzen dabei auf entsprechende Services wie etwa das Auslagern von Teilen des IT-Betriebs. «Der Trend zum Outsourcing beeinflusst unseren Geschäftsverlauf positiv», kommentiert denn auch Urs Lehner, Leiter Business Customers bei Swisscom, die gut 30 Prozent des Erlöses mit ICT-Dienstleistungen erwirtschaftet und daher auch diese Branchen-Top-Ten anzuführen vermag.
Dabei ist hier durchaus auch ein Trend zur Konzentration auf die Grossanbieter zu beobachten. «Kunden wünschen zunehmend einen Anbieter, der die ICT-Lösungen End-to-End aus einer Hand betreut», meint Lehner. Dies erhöhe in der Tendenz im IT-Neugeschäft die Durchlaufzeit von Vertriebs- sowie Entscheidungsprozessen und damit die Dauer, bis Projekte gestartet und Umsätze realisiert werden können, fügt er an.

Wolkenreiche Zukunft

Die Dienstleistungen werden dabei immer mehr aus der Cloud erbracht. Umso wichtiger war für die Branche, dass 2019 gleich drei grosse Anbieter von Rechen- und Speicherwolken Rechenzentren in der Schweiz in Betrieb nahmen. Nach Google im März und Oracle im August eröffnete im September dann auch Microsoft helvetische Data Center. Damit können seither der Schweizer Kundschaft Cloud-Dienstleistungen angeboten werden, die garantiert im eigenen Land erbracht werden.
“Das zentralistische Cloud-Zeitalter kommt zu seinem Ende„
Jens Brandes, HPE
Freude herrscht daher in der Branche. «2019 war ein Hyperscaler-Jahr, das die ICT-Landschaft in der Schweiz verändert hat. Die Schweiz wurde zu einem Cloud-Land», frohlockt etwa Roger Semprini, Managing Director von Equinix Schweiz. «Der Eintritt der Hyperscaler in unseren Markt hat auch lokale Cloud-Anbieter beeinflusst», doppelt er nach. Besonders die Errichtung von Microsofts Schweizer Cloud-Standbein wurde schon fast frenetisch begrüsst. «Für uns war die Eröffnung des Schweizer Microsoft Data Centers
natürlich ein grosses Ereignis. Wir können unseren Kunden und Interessenten damit umfangreiche Lösungen bei wirklich massgeschneiderter Sicherheit und Compliance bieten», schwärmt Andreas Schindler von Avanade.
Allerdings kann es der Branche nicht schnell genug gehen, was die Annahme der neuen Angebote angeht. So seien Schweizer Unternehmen 2019 nicht sonderlich «innova­tionshungrig» gewesen, meint Schindler in diesem Zusammenhang. «Die Cloud-Adoption war dabei unter der Erwartung», ist er denn überzeugt.
Für einige in der Branche sind die lokalen Cloud-RZ-Eröffnungen sogar überfällig. «Im Jahr 2019 hatte auch der letzte grosse Cloud-Anbieter eingesehen, dass die digitale Welt hybrid und verteilt sein wird und dass das zentralis­tische Cloud-Zeitalter zu seinem Ende kommt», kommentiert Jens Brandes, Geschäftsführer von Hewlett Packard Enterprise (HPE) Schweiz, die Entwicklung. Daneben erwärmen sich auch Branchen für den Bezug von Rechenleistung aus der Wolke, die hier bislang eine gewisse Skepsis an den Tag gelegt haben. «Die Cloud und Big Data haben sich im Finanz- und Versicherungssektor etabliert, Roboterisierung und künstliche Intelligenz sind auf dem besten Weg dahin», berichtet Gregor Stücheli, CEO von Inventx.
Zudem findet eine Spezialisierung auch im Cloud-Umfeld statt. «Wir beobachten, dass Cloud-Services mittlerweile viel differenzierter wahrgenommen und eingesetzt werden», berichtet Peter Lenz, Managing Director Region Alpine von T-Systems. Mit zunehmender Erfahrung reife in den Unternehmen auch der Realitätssinn, wo die Cloud für die Effizienz betrieblicher Prozesse am meisten Sinn ergebe, ergänzt er. «Interessanterweise führt das dazu, dass Cloud-Lösungen wieder zunehmend massgeschneidert werden», beobachtet Lenz.
Allerdings berichten Branchenvertreter, dass die Planungs­sicherheit für die Dienstleister abnimmt, da diese bei den Anwenderfirmen ebenfalls zunehmend fehlt. «Unternehmen sind weniger bereit, beispielsweise Fünf-Jahres-Verträge abzuschliessen. Oder jetzt eine Infrastruktur für die nächsten fünf Jahre bereitzustellen», sagt Florian Koeppli, Country Sales Director bei Nutanix Schweiz. Dem wirke man mit Subscription-Modellen entgegen. Kunden müssten nur das einkaufen, was sie tatsächlich bräuchten. «So behalten Firmen in der finanziellen Planung ihre Unabhängigkeit», meint er weiter.
Trotz oder auch wegen des Cloud-Booms gedeiht auch das konkrete Projektgeschäft in der Branche. «Kürzlich haben wir in der Schweiz einem Konsumgüterunternehmen geholfen, die Mitarbeitererfahrung durch die Einrichtung einer internen IT-Plattform zu verbessern», berichtet etwa DXC-Schweiz-Geschäftsführer René Mulder. «Die Plattform ermöglicht es ihnen, die Mitarbeitererfahrung mit allen Arten von internen Services, Prozessen und Lösungen zu vereinfachen und komfortabler zu gestalten. Dies war für das Unternehmen ein Sprungbrett in die Zukunft», fügt er an.

Hardware

Die Hardware-Branche, in den Vorjahren meist unter enormem Margendruck, hat 2019 vergleichsweise ein Glanzjahr erleben dürfen. Das zeigen auch die entsprechenden Erlöse der Top-500-Firmen, die in diesem Bereich tätig sind. In allen Hardware-Sparten ging es nach oben: Am meisten konnten dabei die PC-Hersteller reüssieren, ihr Gesamtumsatz stieg um 11,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, gefolgt von den Storage-Produzenten mit einem Plus von knapp 10 Prozent, der Serverbranche mit Plus 4,5 Prozent. Selbst der Peri­pheriebereich wuchs, und zwar um 2,7 Prozent.
Hauptgrund für das beachtliche Wachstum, das wie schon erwähnt auch von anderen Marktforschern wie der EITO beobachtet wurde, ist hauptsächlich auf den Umstieg vieler Unternehmen und Privatpersonen auf Windows 10 zurückzuführen. Da Microsoft Anfang 2020 definitiv den Support des Vorgängerbetriebssystems Windows 7 eingestellt hatte, kam es zu einer Umstiegswelle – wenn auch etwas verzögert.
“Nachhaltigkeit spielt zunehmend eine Rolle in der IT-Beschaffung„
Adrian Müller, HP
«Ein wesentlicher Anteil am Erfolg war die Umstellung auf Windows 10», bestätigt denn auch Adrian Müller, Managing Director von HP Schweiz, gegenüber Computerworld. Dabei habe man speziell bei mittleren und grossen Unternehmen mit den hauseigenen PCs und Notebooks überzeugen können, fügt er an. Bei der Beschaffung kommen dabei aber nicht mehr so häufig nur traditionelle Desktop-Modelle zum Zug, sondern vermehrt auch tragbare PCs. «Ein wichtiger Trend ist nach wie vor die Mobilität», bestätigt Müller. Gefragt seien entsprechend ultramobile Notebooks mit langen Akkulaufzeiten und speziellen Sicherheits-
Features, doppelt er nach.
Dieser Trend hat sich 2020 nicht zuletzt wegen der aufgrund der Corona-Pandemie verhängten Lockdown-Massnahmen verstärkt. Selbst in Branchen, die mobiles Arbeiten bislang als Modell abgelehnt hätten, steige die Nachfrage nach entsprechenden Geräten. «Es kam zu einem Ansturm auf Notebooks und Drucker für das Büro zu Hause», berichtet Müller. «Hinzu kamen die verstärkten Nachfragen nach Notebooks für Schüler, die mit einem Mal ihren Lehrstoff von zu Hause bearbeiten sollten», ergänzt er.
Einen weiteren interessanten Trend nimmt Müller im Bereich Ökologie wahr. Hier fände derzeit sowohl auf Hersteller- als auch auf Kundenseite ein Sinneswandel statt, berichtet der HP-Schweiz-Chef. «Sicherlich bestärkt durch die ‹Fridays for Future›-Demonstrationen spielt Nachhaltigkeit zunehmend eine wichtige Rolle bei Kaufentscheidungen in der IT-Beschaffung», meint er.

Hyperkonvergenter Boom

“Das Thema Hyperconverged ist durch die Decke gegangen„
Frank Thonüs, Dell
In der Firmen-IT selbst steht derweil die gute Verwaltbarkeit von IT-Infrastruktur und die einfache Bereitstellung von IT-Ressourcen für Mitarbeitende im Vordergrund, was oft mit einer Software-zentrierten Architektur, einer sogenannten hyperkonvergenten Infrastruktur (Hyper-Converged Infrastructure; HCI), erreicht werden kann. «2019 ist das Thema Hyperconverged durch die Decke gegangen, die Nachfrage war gigantisch», berichtet Frank Thonüs, General Manager von Dell Technologies Schweiz. «Das liegt vor allem an der Riesenflexibilität, die vollintegrierte HCI-Lösungen Unternehmen bieten: Sie ermöglichen es, Anwendungen schnell bereitzustellen, Aussenstellen zentral zu verwalten und sie vereinfachen den Support, da alle Komponenten von einem Hersteller stammen», erklärt er.

Netzwerke

Viele der beschriebenen Trends wie Cloud Computing und mobiles Arbeiten wären ohne Netzwerke nicht möglich. Und auch hier spielt die Software eine immer bedeutendere Rolle. Das gilt derzeit besonders für Weitverkehrsnetze (Wide Area Networks; WAN), wo Software-definierte Konzepte die bisherigen, teuren MPLS-Verbindungen (Multiprotocol Label Switching) verdrängen. Gemäss jüngsten Zahlen des Marktforschungsunternehmens IDC soll das Geschäft mit SD-WAN-Ausrüstung weltweit in den nächsten drei Jahren um jährlich 40 Prozent wachsen.
Das spüren offenbar auch helvetische Branchenvertreter. «Die Nutzung von SD-WAN-Lösungen anstelle von MPLS-Leitungen hat unser Geschäft stark beeinflusst», berichtet denn auch Franz Kaiser, Country Manager Schweiz bei Fortinet. «Aufgrund der immer komplexeren Netzwerkumgebungen wurden Lösungen, die eine verbesserte Netzwerkvisibilität erlauben, stark gefragt», ergänzt er. Dabei spielen Security-Aspekte eine immer wichtigere Rolle.
“Die Nutzung von SD-WAN-Lösungen anstelle von MPLS-Leitungen hat unser Geschäft stark beeinflusst„
Franz Kaiser, Fortinet
Auch für Walter Merkl, der bis Juli 2020 die Geschicke von Cisco Schweiz als Geschäftsführer ad interim leitete, war SD-WAN aus Networking-Sicht ein wichtiger Trend, mit vielen Vorteilen. So liessen sich Probleme im WAN schneller und präziser vorhersagen und beheben. «Damit sinkt die Arbeitsbelastung der IT-Teams mit Routineaufgaben – ein starkes Bedürfnis in Zeiten von immer komplexeren Netzwerken und schmaleren Budgets», sagt er. «Komplexitätsreduktion durch Vereinfachung und Automatisierung auch in Sicherheitsfragen: Der Trend geht in Richtung einer einheitlichen Sicht auf sämtliche Aspekte der Netzwerksicherheit», doppelt er nach.
Schliesslich kann die Branche von einer verstärkten Nachfrage nach der nächsten WLAN-Generation profitieren. Wi-Fi 6, das gemäss Merkl «auf denselben technischen Grundlagen wie 5G beruht», wird hierzulande rege adaptiert. Hiervon berichtet auch Haitao Wang, CEO von Huawei Schweiz. «Der neue Wi-Fi-6-Standard bietet die erforder­lichen Vorteile und Kapazitäten, um die schnell wachsende Nachfrage nach Konnektivität abzudecken», meint er und erwähnt als Vorzeigeprojekt die entsprechende drahtlose Vernetzung des Basler St.-Jakob-Parks. «Dieses zeigt alle Vorteile von Wi-Fi 6 auf, darunter eine verbesserte Ab­deckung, hohe Anzahl von Nutzern, die gleichzeitig im Netz unterwegs sind, sichere Verbindungen sowie eine wesentlich vereinfachte Wartung und ein effizienterer Betrieb mit unserer Cloud-Management-Plattform», berichtet Wang.

Security

Für fast alle Bereiche der ICT-Industrie wird die Cyber­sicherheit zum massgeblichen Faktor. Ja, mit dieser steht und fällt fast jedes Angebot. Kein Wunder werden nun auch bei Dienstleistungen und Produkten Sicherheitsaspekte mitberücksichtigt, bei denen das bislang vernachlässigt wurde. So wird heute beispielsweise von Druckerherstellern mehr auf die Absicherung ihrer Produkte geachtet.
“Die Vernetzung von Endpunkten aller Art hat weiter stark zugenommen und erfordert neue Wege in der IT – und vor allem in der IT-Security„
Sonja Meindl, Check Point
Sorgenkind bleibt dagegen das Internet der Dinge (Internet of Things; IoT). Hier werden nach wie vor viele Geräte und Gadgets ausgeliefert, die grosse Mängel in Sachen Cybersecurity aufweisen. So lassen sie sich zum Beispiel oft nur schwer oder gar nicht updaten, was verheerende Folgen haben kann, wenn eine Sicherheitslücke entdeckt und veröffentlicht wird. «Die Vernetzung von Endpunkten aller Art hat weiter stark zugenommen und erfordert neue Wege in der IT – und vor allem in der IT-Security», ist daher Sonja Meindl überzeugt, die Country-Managerin für die Schweiz und Österreich von Check Point.
Tatsache ist: Das Thema wird vermehrt von den Anwendern wahrgenommen. Auch Meindl sieht hier, «dass die Awareness für den Bereich Cybersecurity weiterhin gestiegen ist». Mittlerweile setze sich auch die Geschäftsleitung verstärkt mit dem Thema auseinander, fügt sie an.
Daneben werden vermehrt die IT-Sicherheitsstrategien der Unternehmen auf den Prüfstand gestellt. «Wir konnten beobachten, dass die Cybersecurity immer mehr zu einem integrierten Bestandteil der gesamten IT-Strategie wird und nicht mehr nur ein Add-on ist», berichtet etwa Franz Kaiser von Fortinet.
Daneben machen sich immer mehr Firmen nicht nur Gedanken darüber, wie sie Angriffe abwehren können, sondern auch, was zu geschehen hat, wenn ein Angriff schon passiert ist. Wie Frank Thonüs von Dell berichtet, sei denn auch das Thema «Cyber Recovery» 2019 «ein weiteres Top-Thema» gewesen. «Unternehmensentscheider haben erkannt, dass eine reine Perimetersicherheit nicht ausreicht, um ihre Daten zu schützen – das Sicherheitsverständnis ist in der Infrastruktur angekommen», meint Thonüs. Dementsprechend gross sei das Interesse an Backup- und Recovery-Lösungen, um im Fall eines Cyberangriffs den normalen Geschäftsbetrieb schnellstmöglich wiederherstellen zu können und den finanziellen Schaden zu minimieren, berichtet er weiter.
Und für alle diese immer komplexer werdenden Sicherheitsaspekte suchen Firmen immer häufiger Hilfe von aus­sen. «Wir spürten vor allem die Tendenz, Dienste und In­frastruktur aus der Cloud zu beziehen und die steigende Nachfrage nach Security Operations Center (SOC) Services, um den zunehmenden Anforderungen an Cyber Security gerecht zu werden», gibt Urs Rufer, CEO von terreActive, zu bedenken, die das entsprechende Angebot eigenen An­gaben zufolge 2019 ausgebaut hat.

Verkauf und Distribution

Auch bei den Distributoren und Fachhändlern lief 2019 das Geschäft rund. Die Erlöse der in dieser Branche erfassten Teilnehmer stieg um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Immer wichtiger wird in dieser Branche der Online-Handel. Nicht nur Privat-, sondern auch Firmenkunden bestellen immer häufiger ihre ICT-Ware übers Internet. «Im digi­talen Handel merken wir, dass insbesondere das B2B-Geschäft immer mehr in den Fokus der grossen, klassischerweise auf B2C ausgerichteten E-Commerce-Player rückt», beobachtet Markus Messerer, der innerhalb der Competec-Unternehmensleitung als CEO des Distributors Alltron den Bereich B2B verantwortet.
“Generell sehen wir in fast allen Bereichen ein erhöhtes Bestellaufkommen aufgrund von Corona„
Markus Messerer, Alltron
Dabei werden mit der reinen Ware immer häufiger auch Dienstleistungen nachgefragt. «Im Fachhandel sehen wir einen Trend zum One-Stop-Shop, dem wir mit unserem Lösungsangebot gut nachkommen können», gibt Messerer daher zu Protokoll. «Auf diese Weise können wir unser klassisches Box-Moving-Business ergänzen und so unseren Kunden Mehrwertdienste bieten.»
Die von den Händlern und Distributoren erwähnten Trends werden sich daher im laufenden Jahr akzentuieren. Nicht zuletzt dürfte der Online-Handel wegen der heuer exorbitant gestiegenen Verweildauer der Mitarbeitenden im Home Office zu einem regelrechten Höhenflug ansetzen. «Generell sehen wir in fast allen Bereichen ein erhöhtes Bestellaufkommen aufgrund von Corona», weiss Alltrons Chef Messerer zu berichten.
Das alles stellt derzeit auch grosse Anforderungen an die Logistik von Händlern und Distributoren. Dies scheint aber offenbar bislang gut zu klappen. «Wir sind froh, durch unsere hohe Automatisierung das Volumen bewältigen zu können», kommentiert Messerer die Lage.



Das könnte Sie auch interessieren