CRM im Gesundheitswesen 27.09.2010, 06:00 Uhr

für jedes Bett einen Patienten

Das ab 1. Januar 2012 gültige Tarifsystem stellt die Finanzierung der Spitäler auf eine neue Grundlage. Die Spitalleitung muss sich am «Kunden» orientieren und ihr Patienten­- ­und Zuweisermanagement komplett umstellen. Die Forel Klinik setzt dies bereits um.
Prof. Dr. Rainer Endl leitet das Institut für Informations- und Prozessmanagement an der FHS St. Gallen, Hochschule für Angewandte Wissenschaften (IPM-FHS). Die Schwerpunkte liegen im Business- und Requirements Engineering, IT-Management, IT-Sicherheit sowie Wissensmanagement. In verschiedenen Forschungs- und Dienstleistungsprojekten fokussiert sich das IPM-FHS mit diesen Kompetenzen auf eHealth Mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes hängt die Wirtschaftlichkeit eines Spitals insbesondere von den Fallzahlen ab. Eine möglichst kurze, effiziente Behandlung, und jedes freie Bett so rasch als möglich mit einem neuen Patienten zu belegen, ist wirtschaftlich. In der Folge wird ein Wettbewerb um Patienten entstehen. Mit preisgünstigen Angeboten kann man allerdings keine «Kunden» locken, denn in der Regel werden Behandlungs- und Therapiekosten von den Versicherungen übernommen. So rücken die Faktoren Leistungsqualität und Service in den Mittelpunkt. Aus Sicht der Spitäler ist zu beachten, dass die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Spital stark vom jeweils zuweisenden Arzt beeinflusst wird. Einem Spital muss also daran gelegen sein, für die einzelnen Indikationen Qualitätsparameter zu definieren, welche die Entscheidung der zuweisenden Stellen zugunsten des eigenen Spitals beeinflussen könnten - und diese gegenüber der niedergelassenen Ärzteschaft zu kommunizieren. Neue Organisationsmodelle wie z.B. HMO-Praxen oder medizinische Versorgungszentren verändern zudem die Beziehungen zum ambulanten Sektor: Dieser erhält durch die Konzentration ambulanter Leistungen in grössere Versorgungseinheiten gegenüber den Spitälern eine zunehmende Nachfragemacht. Ein stabiles und steuerbares Zuweisernetzwerk sichert einerseits Wettbewerbsvorteile und erschliesst andererseits durch ambulant-stationäre Synergieeffekte auch direkte Einsparungspotenziale, weil so z.B. unnötige Doppel- bzw. Mehrfachuntersuchungen unterbleiben. Voraussetzung für ein wettbewerbsfähiges Patienten- und Zuweisermanagement ist daher ein CRM-System, das sich optimal in die Klinikprozesse einbinden lässt und diese unterstützt. Praxisbeispiel Forel Klinik Diese und andere Überlegungen veranlassten die auf Suchterkrankungen spezialisierte Forel Klinik, im Rahmen einer neuen Klinikstrategie ein Zuweisermanagement zu konzipieren und schrittweise einzuführen. Das Ziel: Sowohl neue Zuweiser gezielt ansprechen und überzeugen, als auch bestehende Kontakte zu Ärzten und Patienten pflegen. Dieses neue, ganzheitliche Verständnis geht weit über ein klassisches Spitalmarketing hinaus, das sich meist darauf beschränkt, den Webauftritt zu gestalten, Spitalprospekte an Arztpraxen im Einzugsgebiet zu versenden, gelegentlich Zuweiserbefragungen durchzuführen sowie Weiterbildungsveranstaltungen zu organisieren. Die Forel Klinik hat stattdessen auf der strategischen Ebene eine konsistente Zuweiserstrategie entworfen und, daraus abgeleitet, auf der organisatorisch-operativen Ebene neue Prozesse gestaltet bzw. bestehende Prozess adaptiert (vgl. Abbildung). Das beschriebene Projekt ist Teil eines Gesamtprojekts, das sich mit der Umsetzung der Strategie der Forel Klinik befasst. Das Institut für Informations- und Prozessmanagement an der FHS St. Gallen (IPM-FHS) hat die Klinik mit Beratungs- und Forschungsdienstleistungen unterstützt. Dabei ging es nicht nur um die Neu- bzw. Umgestaltung der organisationsübergreifenden Kommunikationsprozesse. Das Zuweisermanagementkonzept der Forel Klinik beeinflusst auch die Gestaltung der Patientenpfade, das Entlassungsmanagement sowie die verbundenen administrativen Prozesse, wie folgende Beispiele zeigen: Von zentraler Bedeutung ist die Information, welcher Zuweiser welche Patienten eingewiesen hat. Dies wird bei der Anmeldung, spätestens jedoch bei der Aufnahme des Patienten erfragt. Die zuweisende Stelle soll während der Therapie aktiv über den Therapieverlauf informiert werden. Dies setzt voraus, dass im Patientenpfad an klar definierten Punkten Aktivitäten eingebaut sind, die den Informationsfluss sicherstellen. Zum anderen wird jedem Zuweiser eine medizinische Fachperson als Ansprechpartner zugeordnet, z.B. für Rückfragen über den Therapieverlauf des Patienten.Ein transparenter Patientenpfad unterstützt auch das Entlassungsmanagement. Je früher der Entlassungszeitpunkt bekannt ist, umso systematischer kann die Neubesetzung des frei werdenden Therapieplatzes erfolgen. Auch können für den Zuweiser relevante Informationen über die bevorstehende Entlassung (z.B. Arztbrief) vorbereitet werden; dies mit dem Ziel, die zuweisende Stelle zeitgerecht über Entlassung, Therapieverlauf und empfohlene Massnahmen im Rahmen der Nachbehandlung zu informieren.Bei der Forel Klinik bisher nicht vorhandene Prozesse müssen gestaltet und eingeführt werden. Ein Beispiel ist der Adressmanagement-Prozess, mit dem nun sichergestellt wird, dass Adressen zuweisender Stellen dublettenfrei, aktuell und korrekt vorgehalten und regelmässig überprüft werden. Darüber hinaus sind klassifizierende, für die Zuweisersegmentierung relevante Merkmale systematisch zu pflegen. Zu den neu einzuführenden Prozessen gehören auch Nachfassaktivitäten. Wenn beispielsweise ein Patient von einem Zuweiser zu einer ambulanten Abklärung eingewiesen wird, dann aber trotz einer klaren Indikation kein Eintritt des Patienten erfolgt, soll nach einer gewissen Zeit der Grund des Nichteintritts des Patienten erfragt werden. Hierfür sind entsprechende Rollen und Aktivitäten zu definieren. Erst die Analyse, dann die Aktion In Anlehnung an den CRM-Regelkreis besteht eine wesentliche Aufgabe des Zuweisermanagements in der systematischen Analyse der Beziehung zu Zuweisern und Patienten. So führt etwa die Information, dass in einer zur Zielgruppe gehörenden Region unterdurchschnittlich häufig Zuweisungen zu verzeichnen sind, zu einer entsprechenden Anpassung der dort verwendeten Marketinginstrumente. Das CRM-Projekt der Forel Klinik Ausgehend von der Gesamtstrategie und den definierten Zielen enstand zunächst eine Prozesslandkarte. Diese diente als Bezugsrahmen für alle weiteren Massnahmen und zur groben Identifikation der Schnittstellen zwischen CRM, administrativen und therapeutischen Prozessen. Die Schnittstellen und betroffenen Prozesse wurden in der nächsten Phase detailliert. Daraus abgeleitet entstand der organisatorische und funktionale Anforderungskatalog an das einzuführende CRM-System. Im Rahmen einer systematischen Evaluation fiel die Wahl schliesslich auf Microsoft Dynamics CRM 4.0. Wesentliche Gründe waren die nahtlose Integration in die Outlook-Oberfläche und die Möglichkeit, Zuweiserprozesse mit der integrierten Workflow-Komponente abzubilden. Weitere Argumente waren die einfache Anpassung des Standardsystems an die spezifischen Anforderungen der Klinik sowie die gute Integrierbarkeit in das ebenfalls neu eingeführte Krankenhaus-informationssystem (KIS) von Vitodata. Die Integration von CRM-System und KIS stellt z.B. sicher, dass ein im KIS dokumentierter Kontakt mit der zuweisenden Stelle auch im CRM hinterlegt ist. Dokumentiert wird im CRM-System aber nur der Kontakt, fallbezogene medizinische oder therapeutische Informationen verbleiben vollumfänglich im KIS. Die Kontakthistorie im CRM-System ermöglicht jedoch eine Gesamtübersicht aller Aktivitäten, die in Bezug auf einen Zuweiser geplant sind bzw. stattgefunden haben. Rainer Endl


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