Patrick Naef über CIOs

«IT-Kompetenz gehört in den Verwaltungsrat»

Heute ist Patrick Naef unter anderem als Personalberater bei Boyden Switzerland tätig
Quelle: Emirates
12.12.2022, 06:12 Uhr
Den Verwaltungsräten von Schweizer Firmen fehlt es an Expertise in digitalen Technologien. Angesichts der strategischen Wichtigkeit der digitalen Technologien für das Geschäft ist das ein Defizit, sagt Ex-CIO Patrick Naef.
Die Verwaltungsräte von Schweizer Unternehmen besitzen oftmals fundierte Erfahrung im traditionellen Kerngeschäft: Finanzen, Produktion, Recht und Vertrieb etc.. Wenn die digitale Transformation das Geschäftsmodell auf den Kopf stellt, weiss aber keiner mehr Rat. Deshalb braucht es Verwaltungsräte mit solidem Technologie-Hintergrund, sagt Digitalexperte Patrick Naef im Interview.
Computerworld: Woran hapert es bei der digitalen Transformation von Schweizer Unternehmen?
Patrick Naef: Technologie bestimmt in Zukunft, wie Produkte und Dienstleistungen gestaltet, entwickelt, produziert und an den Markt geliefert werden, wie Unternehmen mit ihren Kunden, Lieferanten und Partnern interagieren und wie sie intern zusammenarbeiten. Unternehmen, die in dieser vernetzten Wirtschaft erfolgreich sein wollen, werden Verwaltungsräte haben müssen, die Erfahrung haben mit digitalen Technologien. Verwaltungsräte, die verstehen, wie die Digitalisierung ihre Geschäftsmodelle und Produkte verändern kann und wie das von ihnen verwaltete Unternehmen im digitalen Zeitalter effizient arbeiten kann. Diese Entwicklungen erfordern Verwaltungsräte, die persönliche, praktische Erfahrungen mit dem Vorantreiben der digitalen Agenda und deren Auswirkungen auf die Kultur, die Prozesse und die Organisationsstruktur etablierter Unternehmen gesammelt haben.
CW: Wie steht es um die Digitalisierungskompetenz in den Schweizer Verwaltungsräten?
Naef: Nicht gut. Da die IT heute ein strategischer Schlüsselfaktor ist, könnte man erwarten, dass sich dies auch in der Zusammensetzung des Verwaltungsrates widerspiegelt. Trotz des strategischen Charakters zählen wir jedoch nur sehr wenige Unternehmen, die IT und Digitalisierung zu einem Thema erhoben haben, das es wert ist, auf Verwaltungsratsebene eingehend diskutiert zu werden. Nur wenige der grösseren Unternehmen – abgesehen von Technologiefirmen – haben Personen in ihren Verwaltungsrat berufen, die ihre Erfahrung und fundiertes Wissen in Sachen Digitalisierung und IT in das oberste strategische Gremium des Unternehmens einbringen können.

Expertise aus der Vergangenheit

CW: Sie sind selbst ein Verwaltungsrat. Welchen Vorteil hat Franke durch Ihre Digital-Expertise?
Naef: Ich will nur ungern über den Einzelfall sprechen. Generell zeigt eine Studie der MIT Sloan Management Review, dass Veraltungsräte, welche die Auswirkungen neuer Technologien auf den Geschäftserfolg verstehen, Unternehmen dabei helfen, die Konkurrenz hinter sich zu lassen. Darüber hinaus bedeutet es, ein digital versierter Verwaltungsrat zu sein, dass man eine längere Zeit in einer Branche mit hoher Taktrate verbracht hat, in der sich Geschäftsmodelle schnell ändern. Branchen wie zum Beispiel die Software- oder Telekommunikation. Oder die Personen besitzen Erfahrung in einer Führungsposition mit einer starken Technologiekomponente, oder als Technologie Führungsperson, wie ein CIO.
CW: Wie sind Verwaltungsräte von Schweizer Firmen heute typischerweise aufgestellt?
Naef: Schaut man sich die Zusammensetzung der Verwaltungsräte der meisten etablierten Unternehmen an, so sind dort immer noch überwiegend Finanz-, Rechts- und Vertriebsexperten vertreten. Und solche mit fundierter Erfahrung im traditionellen Kerngeschäft des Unternehmens; also Leute, die wissen, wie das Geschäft in der Vergangenheit erfolgreich betrieben wurde.
CW: Sollten die Verwaltungsräte allesamt ausgetauscht werden?
Naef: Nein, das denke ich nicht. Allerdings, wenn diese Unternehmen sicherstellen wollen, dass sie auch in Zukunft relevant und wettbewerbsfähig bleiben, muss sich die Zusammensetzung der Verwaltungsrates ändern. Wenn sie es versäumen, die IT als strategischen Vorteil zu nutzen, ihre Geschäftsprozesse und Produkte zu digitalisieren und sich neue, technologiegetriebene Geschäftsmodelle zu nutzen zu machen, laufen diese Unternehmen Gefahr, an den Rand der Relevanz gedrängt zu werden. «Digitaler Darwinismus ist grausam zu denen, die warten», sagt Constellation-Research-Gründer Ray Wang. Und das wird auch durch Zahlen untermauert: So sind beispielsweise mehr als 50 Prozent der Unternehmen, die im Jahr 2000 Teil der Fortune-500-Liste waren, unterdessen verschwunden. Die meisten von ihnen, weil sie es versäumt haben, Technologie für eine strategische Neuausrichtung ihres Geschäfts zu nutzen.

CIOs in die Verwaltungsräte!

CW: Welchen Vorteil erwarten Sie durch digitalaffine Verwaltungsräte?
Naef: Mehr Digitalisierungsexperten im Verwaltungsrat zu haben, wird auch dazu beitragen, in diesen Gremien die strategische Diskussion in Richtung Technologie zu verschieben. Die IT wird zu einem zentralen strategischen Thema. CIOs wiederum müssen sich stärker engagieren, um mehr Visibilität beim Verwaltungsrat zu erhalten, strategischer denken, lernen, wie sie auf Verwaltungsratsebene kommunizieren und zur strategischen Agenda ihrer Unternehmen beitragen können.
CW: Sie sprechen den CIO an. Welchen Rat geben Sie Ihren früheren Kollegen?
Naef: Für viele unternehmerisch denkende CIOs mit Erfahrung in der digitalen Transformation kann dies auch neue Karrieremöglichkeiten eröffnen – wie eben die Übernahme eines Verwaltungsratsmandats. Ausserdem wäre es für jeden CIO eine gute Entwicklungs- und Lern-Opportunität, damit zu beginnen, sich die notwendigen Strategiekenntnisse anzueignen, indem er einem Verwaltungsrat beitritt.


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