26.08.2013, 14:55 Uhr

Steve Ballmers Verfehlungen und Erfolge

Steve Ballmer tritt ab und die Börse jubiliert. Das Plus in den Aktiencharts lässt auf eine verheerende Bilanz des scheidenden Microsoft-CEO schliessen. Wie schlecht ist sie wirklich?
Steve Ballmers Rückzugsankündigung wurde an der Börse beklatscht
Vor Börsenöffnung in New York kündige Microsoft-Chef Steve Ballmer am Freitag an, sich innert zwölf Monaten aus der Konzernleitung zurckziehen. Die Unternehmensaktie startete gleich mit einem Kurssprungvon über sieben Prozent. Die Reaktion kann als Abrechnung mit dem scheidenden Microsoft-Boss gewertet werden. Kein Zweifel besteht daran, dass sich Microsoft neu erfinden muss. Apple und IBM haben es vorgemacht, indem sie neue Unternehmensleiter holten. Beim iPhone-Hersteller war es der alte (Steve Jobs), Big Blue holte einen branchenfremden Manager (Louis Gerstner vom Lebensmittelkonzern Nabisco). Welcher Endscheid bei Microsoft der richtige ist, wird zurzeit lautstark diskutiert. Wer auch immer den Weltkonzern in Zukunft lenkt, sollte aus den Fehlern in Ballmers Amtszeit lernen. Ballmers Verfehlungen Vermutlich die grösste Herausforderung ist, Microsoft auf dem Boom-Markt der Mobilgeräte adäquat zu positionieren. Bei Smartphones sowie Tablets hat der Windows-Riese bisher keinen Anschluss an Apple und Google respektive Samsung bekommen. Jüngere Meldungen, Microsoft sei in Südamerika marktführend mit Windows Phone, sind zwar ein Lichtblick, der Milliarden-Abschreiber auf Surface-Tablets aber auch ein herber Dämpfer. Eine Grossbaustelle im Microsoft-Konzern ist das Online-Geschäft. Die Suchmaschine Bing fährt seit ihrer Lancierung im Jahr 2009 Verluste ein. Im Online-Werbegeschäft musste Microsoft zudem einen folgenschweren Fehler eingestehen. Der Wert der 2007 übernommen Firma aQuantive musste um 6,2 Milliarden US-Dollar nach unten korrigiert werden – bei einem Kaufpreis von 6,3 Milliarden. Microsoft schrieb erstmals in seiner 26-jährigen Firmenhistorie rote Zahlen. Sowohl der kostspielige und bislang erfolglose Versuch, mit Suchmaschinenprimus Google Schritt zu halten, als auch die Wertberichtung von aQuantive fallen in Ballmers Amtszeit, dabei ist Marketing eigentlich die Paradedisziplin des Harvard-Absolventen. Ballmers Nachfolger sollte unbedingt ein Ohr für die Wettbewerbshüter haben. Microsoft ist und bleibt (vorerst) der grösste Hersteller von Software. Damit steht das Unternehmen permanent unter Beobachtungder Regulatoren. Ein kleiner «technischer» Fehler kann dann schon mal 500 Millionen Euro kosten. Andere Firmen investieren dieses Geld in Innovation. Ballmer musste die augenscheinlich mangelhafte Organisation seines Unternehmens teuer bezahlen. In den Ballmer-Jahren ist bei Microsoft ist aber nicht alles vollkommen schief gelaufen. Das Unternehmen besitzt grosse Werte, die auch seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 noch gestiegen sind. Nächste Seite: Ballmers Erfolge Windows ist das meistverkaufte Betriebssystem der Welt. Dazumal unter der Leitung von Software-Chefarchitekt Bill Gates wurde im Jahr 2001 Windows XP entwickelt. Noch zwölf Jahre nach dem Verkaufsstart hat das Betriebssystem einen Marktanteil von fast 40 Prozent. Gemeinsam mit Windows Vista, Windows 7 und Windows 8 beherrscht das System den (zwar schrumpfenden) Gesamtmarkt mit 91 Prozent Anteil. Zum Vergleich: Laut dem Online-Dienstleister Net Applications kommt Apple auf 7,2 Prozent. Unter Ballmers Führung sank der Marktanteil zwar leicht, den «schwächeren» Versionen Vista und 8 stehen aber die zwei echten Kassenschlager Windows XP und Windows 7 gegenüber. Sie gehören zu den Verkaufserfolgen Ballmers. Ähnlich konkurrenzlos am Markt ist Microsofts zweite dicke Ertragssäule: Office ist die meistverkaufte Büro-Anwendung der Welt, sogar auf dem Mac. Die lokal installierte Software lässt Quartal für Quartal die Redmonder Kassen milliardenfach klingeln. Damit das so bleibt, wurde auf aufstrebende Wettbewerber wie Google Docs rasch und gleich umfassend reagiert. Die Mietlösung Office 365 für den Privatmann und die Unternehmen sind etabliert, Grosskunden sind ABB, das Rote Kreuz, der britische Detailhändler Tesco und diverse US-amerikanische Regierungsbehörden sowie Universitäten. Der (auch) von Ballmer angeschobene Schwenk von einer Entwicklungsfirma zu einem (Geräte- und) Services-Konzern ist in der Office-Sparte am weitesten fortgeschritten. Weiterhin einer der meistgenutzten Browser der Welt ist der Internet Explorer. Der Rahmen für die digitale Welt von heute ist insbesondere im professionellen Umfeld quasi der Standard. Diese starke Wettbewerbsposition ist allerdings in der langen Historie begründet, denn nicht wenige Business-Anwendungen laufen nur im Internet Explorer. Genau wie bei Windows XP droht auch bei ältere Browser-Versionen das Ende des Supports. Anders als beim Betriebssystem bedeutet das für den Internet Explorer jedoch das Aus. Heute werden Web-Applikationen mit Standard-Technologien realisiert, die keinen speziellen Browser mehr erfordern. Microsoft hat hier durch Kompatibilitätsbestrebungen in den jüngeren Versionen des Internet Explorer die Zeichen erkannt. Zudem stellt der Konzern der Web-Community Tools bereit, um Anwendungen auch zum Internet Explorer kompatibel zu machen. Ballmers Stärken liegen in Marketing und Verkauf, mit regelmässigen Auftritten an Entwickleranlässen wie der Build, der Mix und der PDC (Professional Developers Conference) signalisierte er aber klar, dass die Programmierer-Community der Firmenleitung sehr wichtig ist. Eine enge Bindung hatte Ballmer zum Server-Geschäft, war er doch vor dem Wechsel auf den CEO-Posten an diversen Stellen für die Grossrechner-Produkte verantwortlich. Damals steckte das Business noch in den Kinderschuhen, heute ist Microsoft in vielen Bereichen führend. Exchange, Lync, SQL Server, System Center und Windows Server bekommen von den Analysten die Spitzenpositionen in ihren jeweiligen Sparten zugesprochen. Würde Microsoft nur SharePoint ausgliedern, wäre die SharePoint Inc. eines der zehn grössten Software-Unternehmen der Welt, heisst es aus Redmond. Der Zukauf von Yammer und die strategische Ausrichtung hin zum Social Business dokumentieren, dass Ballmers Microsoft nicht alle Zeichen der Zeit übersehen hat.



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