20.02.2017, 14:33 Uhr

Stand der Digitalisierung bei Schweizer KMU

Das Beratungsunternehmen EY hat 700 Schweizer Unternehmen mit 30 bis 2000 Mitarbeitern zum Stand der Dinge in Sachen Digitalisierung befragt. Die Bedeutung von digitalen Technologien hat sich demnach stark erhöht.
Die Digitalisierung bei Schweizer Unternehmen schreite in grossen Schritten voran. Gleichzeitig öffne sich eine Schere zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Betrieben. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Umfrage des Beratungsunternehmens EY bei 700 Schweizer Unternehmen mit 30 bis 2000 Mitarbeitenden. Die Bedeutung von digitalen Technologien hat sich demzufolge im Vergleich zum Vorjahr stark erhöht. Weit über die Hälfte setzt bereits auf digitale Technologien: 60 Prozent messen diesen eine mittlere bis grosse Bedeutung zu – im Vorjahr lag der Anteil noch bei 45 Prozent.
Allerdings setzen erfolgreiche Unternehmen deutlich stärker auf Digitalisierung als Unternehmen mit schlechter Geschäftslage und negativen Geschäftsaussichten. Für 62 Prozent der so genannter «Top-Performer» spielt sie eine sehr grosse oder eine mittelgrosse Rolle. Bei den weniger erfolgreichen Unternehmen sagen dagegen nur 30 Prozent, dass digitale Technologien für ihr Geschäftsmodell elementar sind.

«Digitale Zweiklassengesellschaft» befürchtet

«Viele mittelständische Unternehmen stehen am Scheideweg», lautet der Befund von Marcel Stalder, CEO von EY Schweiz. «Ein Teil der Unternehmen passt sich flexibel an die neuen Entwicklungen an. Diese schaffen es, durch innovative Produkte und Dienstleistungen ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln», führt Stalder weiter aus. «Andere werden jedoch den Anschluss verlieren: Sie investieren nicht genug in die Umstellung auf digitale Technologien, suchen zu wenig spezifisch nach geeigneten Mitarbeitenden oder vernachlässigen die Kulturentwicklung. Es droht der Schweizer Wirtschaft eine digitale Zweiklassengesellschaft.» Die Unternehmen wissen selbst, dass sie sich der Digitalisierung stellen müssen: Der Anteil der Unternehmen, die diesem Megatrend offen gegenübersteht, ist auf 83 Prozent gestiegen. Nur noch 17 Prozent (Vorjahr 36 Prozent) geben an, dass die Bedeutung digitaler Technologien für ihr Geschäftsmodell in den kommenden fünf Jahren nicht steigen wird. Diese Erkenntnis im täglichen Geschäft umzusetzen ist für viele Unternehmen aber noch schwierig. Für Martin Ceccon, EY Digital Strategy Leader Schweiz, steht fest: «Viele Unternehmen werden noch gravierende Umwälzungen erleben. Sie brauchen eine agile Strategie für die Digitalisierung, innovative Produkte, Serviceleistungen und neue Geschäftsmodelle. Sofern die Führung die Digitalisierung als Chance begreift und fördert, ergeben sich neue spannende Wachstumsmöglichkeiten. Wer zu lange an einem veralteten Geschäftsmodell festhält, wird dagegen zu den Verlierern gehören.» Nächste Seite: Die Grösse ist entscheidend

Umsatzstarke Unternehmen sind Vorreiter

«Size matters» – zumindest wenn es darum geht, neue Technologien für das eigene Geschäft einzusetzen: Laut der EY-Studie nutzen beinahe drei Viertel der Unternehmen (73 Prozent) mit einem Umsatz über 100 Millionen Franken digitale Technologien. Bei Unternehmen mit einem Umsatz unter 30 Millionen Franken dagegen sagt nur knapp jedes Fünfte (21 Prozent), digitale Technologien hätten eine sehr grosse Bedeutung.
Ceccon ruft daher auch die kleineren Unternehmen auf, offen für die Digitalisierung zu sein, sich neue Fähigkeiten und Kenntnisse anzueignen und in entsprechende Technologien zu investieren, denn sonst drohe eine gefährliche Abwärtsspirale. «Auch Betriebe mit 100 oder 200 Mitarbeitenden können Lieferketten optimieren, Kundenbeziehungen intensivieren oder Produkte individualisieren. Sie werden so flexibler und sparen Geld, Zeit und Ressourcen. Kooperationen sind wichtig, nicht nur wenn im Betrieb das Geld oder das Wissen für eigene digitale Lösungen fehlt. Die Unternehmen müssen ein digitales Ökosystem mit Partnern aufbauen. Dies bedeutet mehr und mehr auch anorganisches Wachstum.» Neben einer Zunahme der Kooperationen rechnet Ceccon auch damit, dass die Zahl der spezialisierten digitalen Lösungsanbieter in den kommenden Jahren massiv zunehmen wird. «Es besteht noch viel Luft nach oben für digitale Lösungen als Baukastensysteme. So können kleinere Unternehmen, die keiner eigenen Lösung bedürfen, auf offene Plattformen zurückgreifen und diese in ihre Prozesse einbauen. Wir werden in Zukunft vermehrt solche Dienstleistungen für kleine und mittlere Unternehmen auf dem Markt sehen.»

Kein Röstigraben

Bei der Digitalisierung ist in der Schweiz kein Röstigraben erkennbar. Die Umfrage zeigt, dass der Digitalisierung von Genf bis Romanshorn beinahe der gleiche Stellenwert zugemessen wird. Auch die von EY Schweiz und vielen anderen Organisationen unterstützte Standortinitia¬tive für Digitalisierung und Innovation, digitalswitzerland, setzt sich zum Ziel, dass digitale Strategien, Businessmodelle und Technologien in der ganzen Schweiz Verbreitung finden, vor allem auch durch die Förderung von Start-Ups. Ein im Vergleich unausgeglichenes Bild bezüglich regionaler Verteilung zeigt die gleichzeitig in Deutschland durchgeführte Befragung: Im Nordosten des Landes ist der Anteil der Unternehmen, welche die Digitalisierung als sehr wichtig für ihr Geschäft bezeichnet, sechs Mal tiefer als im Südwesten. Die Bedeutung der einzelnen Technologien und Anwendungsgebiete ist gemäss der Umfrage in der Schweiz durchgehend gestiegen. Vor allem Kundenbeziehungen werden von den befragten Unternehmen inzwischen digital organisiert. 69 Prozent der Unternehmen nutzen dafür digitale Technologien. Mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets werden inzwischen von 54 Prozent der Unternehmen eingesetzt, sei es für die Arbeit ihrer Mitarbeitenden oder den Vertrieb der Produkte. Bereits mehr als die Hälfte der Unternehmen verkauft zudem Produkte online, der Anteil stieg von 44 auf 52 Prozent.



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