11.07.2012, 16:43 Uhr

RIM kämpft

Ein Firmenjet wird verkauft, App-Entwickler mit 10 000 Dollar belohnt und keine Entschuldigungen mehr gesucht: RIM versucht alles, um die Negativschlagzeilen der letzten Monate hinter sich zu lassen
Thorsten Heins gab an der jährlichen Aktionärsversammlung Auskunft über Probleme und Ziele von RIM.
Natürlich mussten sich die RIM-Chefs Kritik anhören, als sie sich am 10. Juli 2012 an der jährlichen Hauptversammlung ihren Aktionären stellten. Doch mit Beschwichtigungen und Versprechungen konnten die Aktionäre überzeugt werden, dass die momentane Führung die richtige ist, einen Denkzettel bekam sie aber trotzdem verpasst: Zwar wurden alle vorgeschlagenen Mitglieder in den Verwaltungsrat gewählt, doch die Ablehnungsquote war hoch. Gegen die Gremiumsvorsitzende Barbara Stymiest sprachen sich 23 Prozent aus, den Firmenmitgründer und ehemaligen CEO Mike Lazaridis wollten 19 Prozent nicht im höchsten Firmenorgan sehen und dem neuen CEO Thorsten Heins wurden 15 Prozent der Stimmen verweigert. «Wir wissen, dass das eine schwere Zeit für Aktionäre ist, und dass viele frustriert sind», sagte Heins der Nachrichtenagentur dpa. Er sei selbst nicht zufrieden mit der Leistung des Unternehmens. Diese Aussage klingt ziemlich glaubhaft, schliesslich verlor das Unternehmen alleine im letzten Quartal mehr als eine halbe Milliarde Dollar, die Aktie befindet sich im Dauertief. Die letzte Hoffnung lastet nun auf dem neuen Betriebssystem Blackberry 10, wie Heins in einem Interview einmal mehr besttigte.  Doch dieses lässt auf sich warten, krzlich musste man eine Verschiebung des Launches ins erste Quartal 2013 und zustzlich die Entlassung von 5000 Mitarbeiten bekanntgeben.  Gegen Aussen versuchen die RIM-Leute dennoch, Zuversicht auszustrahlen. So werden in diesem Jahr 100 Millionen Dollar in die Blackberry Entwicklerprogramme gesteckt. «Wir haben in diesem Jahr bereits in Ausbildung, Ressourcen und neue Programme für Entwickler investiert. Dazu gehört auch unsere Garantie, jedem App-Entwickler 10 000 Dollar zu geben, dessen BlackBerry-10-App bestimmte Richtlinien erfüllt und die in der BlackBerry App World zum Verkauf stehen, bevor BlackBerry 10 herauskommt», sagte Alec Saunders, RIMs Vizepräsident für Entwicklerbeziehungen, im Rahmen der BlackBerry 10 Jam am 9. Juli in Singapur.  Lesen Sie auf der nächsten Seite: Der Jet muss weg

Der Jet muss weg

Dieses Entwickler-programm kostet Geld. Geld, das RIM momentan eigentlich gar nicht hat. Bevor die Meldung aus Singapur für mehr Unruhe bei den Aktionären sorgen konnte, gab Thorsten Heins deshalb weitere News zu seinem Sparpakets bekannt: Ein Firmenjet soll verkauft werden. Zwar soll dieser gemäss «Bloomberg» nur sechs bis sieben Millionen Dollar einbringen, doch auch dies wird helfen, das Ziel von einer Milliarde Dollar Einsparungen zu erreichen.  Denn der Jet des Typs Dassault F50EX, dessen Interieur nach Prospektangaben aus  «hochglänzender Schweizer Holzarbeit» besteht, soll pro Jahr 2,1 Millionen Dollar verschlingen, zusätzliche Einsparmöglichkeiten also. Bei diesem Verkauf geht es gemäss Bill de Decker, Gründer und Präsident von Arlington, einer Flugzeugberatungsfirma, aber weniger um das Geld: «Da das Unternehmen in einer Krise steckt und Stellen abbaut, ist der Verkauf des Jets eine symbolische Haltung, die den Geldwert bei weitem übertrifft.» Heins und seine Kollegen müssen aber auch zukünftig nicht mit Charterflügen in eines der mindestens 27 Länder fliegen, in denen RIM Büros hat. Denn ein Jet bleibt dem Unternehmen noch, eine Dassault F900EX, grösser und besser geeignet für Langstrecken als die F50EX.   Nebst den Sparmassnahmen bekamen die Aktionäre auch aktuelle Zahlen von Heins zu hören und die werden sie kaum freuen. So hat RIM im ersten Quartal 518 Millionen Dollar verloren, was 99 Cent pro Aktie entspricht. Die Gesamtverkäufe waren 2,8 Milliarden Dollar wert, im gleichen Quartal des Vorjahres allerdings noch 4,9 Milliarden. 

Ehrliche Worte

Nach der Aktionärsversammlung stand der Deutsche dann unserer amerikanischen Schwesterpublikation CIO.com für ein Interview zur Verfügung ? und überrascht mit überraschenden Aussagen. So benutzt er nicht nur sein BlackBerry, sondern wechselt zwischen Android und iPhone hin- und her, um immer zu wissen, was die Konkurrenz macht. Auf die Schwierigkeiten von RIM angesprochten, sagte Heins: «In den USA stehen wir vor einer grossen, sehr grossen Herausforderung und haben einige Entwicklungen verpasst. Aber im Rest der Welt betreiben wir nach wie vor ein gesundes Geschäft.» Was aber lief in den USA falsch? «4G.», sagte Heins. «Das Verlangen nach dem neuen Mobilfunkstandard wurde immer grösser und wir wussten nicht mehr, was mit 3G, beispielsweise HSPA+, geschehen soll. Man entschied sich, voll auf 4G zu setzen und ich glaube, dafür war man eigentlich gar nicht bereits. Wir dachten auch, dass der LTE-Rollout zu einer anderen Zeit geschehen würde, da wurden wir überrascht. Darüber hinaus haben wir die Entscheidung getroffen, uns auf den Rest der Welt zu fokussieren, was zu guten Verkaufszahlen führte, uns aber neue, innovative Technologien in den USA verpassen lies, die mittlerweile wieder die Führung im Mobil-Technologiemarkt übernommen haben.» Anschliessend ging er darauf ein, warum man sich von BlackBerry 10 so viel verspricht: «Das momentane Betriebssystem ist eine gute, solide Plattform, die uns erlaubte, alles zu schaffen, das wir machten. Aber da wir nun denken, dass Mobile Comptung auf dem gleichen Level ist wie Laptops, mit Dual-Core, Vierkern-Prozessoren, hochauflösender Grafiken und GPUs, wussten wir, dass wir eine neue Plattform brauchen. Und das ist BlackBerry 10.» Das Betriebssystem wird mit einer Videochat-Funktion erscheinen, wie der CEO zum ersten Mal bestätigte. Heins verwies auch darauf, dass es nach wie vor 78 Millionen Nutzer für die BlackBerry-Dienste gebe und man auf dieser Basis aufbauen könnte. Ebenfalls positiv, wenn auch mit Galgenhumor, zeigte sich am Ende der Haupversammlung ein Aktionär: «Der Veranstaltungsort ist nicht so nett wie im vergangenen Jahr und ich habe beim Reingehen keine Erfrischungen gesehen. Es ist schön zu sehen, dass sie Kosten sparen.»



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