05.05.2017, 10:20 Uhr

Tag Heuer Connected Modular 45 im Test

Die Luxus-Smartwatch aus der Schweiz geht in die zweite Runde. Aber wie bewährt sie sich im Alltagstest? Gleich vorweg: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Die Tag Heuer Connected mit ihrem Preisschild von rund 1400 Franken war schon im November 2015 die denkbar teuerste Luxus-Smartwatch mit Android Wear. Technisch war sie anderen Smartwatches ab 400 Franken aber keinesfalls überlegen. Nicht weniger als 56'000 Stück gingen Jean-Claude Biver zufolge über den Ladentisch. Daher erstaunt es auch nicht, dass die Uhrenschmiede bereits mit einer neuen Uhr nachlegt. Die Besonderheit? Die Neue ist nicht nur smart und digital, sondern je nach Stimmung und Extra-Hardware auch im Handumdrehen mechanisch, denn die smarte Uhreneinheit lässt sich nach Lust und Laune auch einfach gegen ein mechanisches Uhrenstück auswechseln. Nachdem wir bereits an einem Presse-Event in Brunnen SZ mit der Schweizer Smart-Uhr auf Tuchfhlung gegangen sind, wollten wir es nun aber genauer wissen. Wie gut ist der Bildschirm tatsächlich? Wie lange hält der Akku? Wie bewährt sich das modulare Konzept? Der Tester stellt fest: Es gibt ein paar Enttäuschungen, aber auch Lichtblicke.

Etwas für Neuentdecker

Die Strategie, die Tag Heuer mit dem modularen Konzept verfolgt, ist durchaus smart. Man nehme mich als Beispiel. In meinen Kinderjahren trug ich bestenfalls eine günstige Swatch-Uhr für 50 Franken. Eine spezielle Präferenz für Schmuck jedweder Art entwickelte sich während der Jahre nie. Eigentlich gar nie. Dann kam das Smartphone. Eine Uhr am Handgelenk wurde irgendwann obsolet. Erst viel später, vor etwa fünf Jahren, kamen die sogenannten Smartwatches auf den Markt. Die plötzliche Neugierde auf eine Armbanduhr, die wie ein Computer ist, war auf einmal wieder da. Der Reiz: Anders als bei einer Casio aus den Achtzigern kann man mit einer Smartwatch nach Lust und Laune ständig das Ziffernblatt wechseln und sich die Benachrichtigungen vom Smartphone einblenden lassen. Auch wenn Smartwatches noch nicht ganz so smart bzw. selbstständig sind, haben sie für mich doch etwas Hübsches und Funktionales zugleich.
Jetzt durchschaue ich auch das Konzept des Schweizer Uhrenmachers. Hat man als Nichtkenner der Luxus-Uhrenindustrie zum ersten Mal eine der echten Carrera-Chronographen als Austauschmodul vor sich liegen, weckt das durchaus Neugierde oder die Lust, noch weitere echte Uhren des Herstellers zu erkunden. Nächste Seite: Edelmaterialien und Android Wear 2.0

Edelmaterialien und Android Wear 2.0

Die Connected Modular 45 ist eine der ersten Smartwatches mit Android Wear 2.0, und das erst noch aus dem Schweizer Watch Valley. In jener Werkstatt in La Chaux-de-Fonds, die von Intel abgesegnet ist, wurde die Uhr zu allen Teilen zusammengebaut. Von der Funktionalität her unterscheidet sie sich nicht gross von alternativen Uhren wie der Huawei Watch 2 ? Hauptunterschied: Kunden können beim modularen Aufbau der Edeluhr aus 56 verschiedenen Variationen wählen. Auch die Bandanstösse, das Armband und die Schliesse sind auswechselbar. Bei den Armbändern sind nebst der Standardausführung mit einem schwarzen Kautschukarmband auch Metall- oder braune Naturlederarmbänder verfügbar. Das alles hat natürlich seinen Preis. Gestatten? Das Basismodell kostet 1690 Franken. Je nach Material- und Modulwahl kann eine Luxuskonfiguration mit einem zusätzlichen mechanischen Chronographenmodul mit Tourbillon Heuer-02T bis über 16'000 Franken kosten. Das Uhrenmodul ist im Handumdrehen mit zwei Klicks ausgetauscht (siehe PCtipp-Videotest).
Die restlichen Teile sind mit ein wenig Feingefühl und einem Schraubenzieher schnell ausgewechselt. Nächste Seite: Akkulaufzeit, Alleinstellungsmerkmale, Fazit

Anschmiegsam

Das bis 50 Meter Tiefe wasserdichte Smartwatch-Modul kommt in einem 45-mm-Titangehäuse, fühlt sich aber trotz seines Gewichts von ca. 68 Gramm sehr komfortabel an. An Männerhandgelenken wohlverstanden. Mit einer Dicke von 13,75 Millimetern haben darin auch ziemlich alle Sensoren wie WLAN, NFC, Bluetooth 4.1 und GPS Platz, die man so von einer Smartwatch erwartet. Sogar ein Mikrofon ist unter der seitlichen Krone eingebaut. Nach wie vor überzeugt uns das 1,39 Zoll grosse Amoled-Display mit seiner Auflösung von 400 × 400 Bildpunkten. Dieses ist zusätzlich von einem kratzfesten Saphirglas geschützt. Die Ziffernblätter werden auch bei niedrigen Helligkeitsstufen noch scharf und mit knackigen Farben dargestellt (bei Android Wear 2.0 stehen fünf Helligkeitsabstufungen zur Wahl). Bei direktem Sonnenlicht muss es aber schon mindestens die mittlere Stufe sein.

Akkuschleuder

Trotz des flotten Intel-Atom-Prozessors (Z34XX) und 512 MB RAM sind wir nun aber enttäuscht von der Akkulaufzeit. Bei automatischer Helligkeit im Always-on-Modus und aktiviertem GPS geht der teuren Computeruhr schon nach einem halben Tag der Schnauf aus. Auch bei mittlerer Helligkeit und abgedunkeltem Standby-Uhrendisplay reicht der Akku nur knapp für einen 18-Stunden-Arbeitstag. Letzten Endes hängt es natürlich auch ein wenig davon ab, ob man eher dunkle Ziffernblätter liebt. Trotzdem: Mit der dunkelsten Stufe und ohne Always-on-Modus reicht das für knapp einen Tag. Zeitgenossen aus China und Südkorea (Huawei, Samsung etc.) schaffen mit ihren neusten Smartwatches locker zwei Tage ? ohne abgedunkelte Uhrenbildschirme. Wer will schon bei einer so edlen Uhr ständig auf ein abgedunkeltes Display starren?

Sport ist Mord

Bei der restlichen Hardware-Ausstattung sieht es, abgesehen von NFC für Android Pay, spärlich aus. Wie die Huawei Watch 2 verfügt die Connected Modular 45 mit ihrem seitlichen Edelstahlknopf über keinen funktionalen Zusatznutzen wie bei der Gear S3/S2, bei der man über die Drehbewegung der Lünette noch flinker durch die Bedienelemente rotieren kann. Stattdessen bringt der Knopf den Anwender jeweils nur zum Hauptbildschirm zurück. Weiter fehlt ein Herzfrequenzsensor. Darauf verzichtet hat Tag Heuer allerdings schon bei seiner ersten Smartwach, weil man die Infrarottechnik als zu wenig genau erachtet. Die Luxus-Uhrenschmiede hat aber immerhin etwas nicht gemacht, worüber man sich bei der Huawei Watch 2 streiten kann: Obwohl Android Wear 2.0 stärker auf Fitness-Apps ausgelegt ist und mehr Uhren-Apps ohne ein Smartphone auskommen, gibt es hier auf Knopfdruck keine zusätzlichen Workout-Optionen mit Tagestrainingsplänen. Braucht es auch nicht. Will man vielleicht auch nicht. Das schöne Wearable wäre für Outdoor-Aktivitäten ohnehin ein wenig zu klobig. Oder anders gefragt: Wer will schon mit einer so teuren Uhr spätnachts in einer finsteren Bahnhofsgegend joggen gehen?

Alleinstellungsmerkmale?

Zu einer Laudatio einstimmen können wir hingegen bei den über sechs eigenen Ziffernblättern mit den diversen Farbabstufungen. Das Tüpfelchen auf dem «i» ist die eigene Smartphone-App, mit der man auf Wunsch noch ein paar Kleinigkeiten wie beispielsweise die Leuchtstärke oder Konturen einzelner Ziffernblätter nachkonfigurieren kann. Die Frage bleibt: Ist die Tag Heuer Connected Modular 45 eine Smartwatch, die man sich vielleicht kaufen sollte? Die Uhr ist wirklich schön und top verarbeitet. Man muss aber im Hinterkopf behalten, dass man es schlussendlich immer noch mit einer Computeruhr zu tun hat, die in vier Jahren veraltet sein kann ? Austauschmodul hin oder her.

Fazit

Tag Heuers neue Smartwatch ist vollgespickt mit vielen Extras und gefällt mit dem schönen Display und den vielen eigenen Ziffernblättern. Funktional reicht das aber nicht ganz, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Darüber hinaus rechtfertigt der hohe Preis zwar die Verarbeitung, jedoch nicht die schlechte Akkulaufzeit. Die Tag Heuer Connected Modular 45 ist in der Schweiz bei ausgesuchten Uhrenhändlern und in den Tag Heuer Boutiques ab Fr. 1690.? verfügbar. Sie benötigen ein Smartphone mit mindestens Android 4.4 oder iOS 8.2.