10.05.2012, 08:50 Uhr

Von Big-Data-Profit und der Facebook-Bank

Banken sind die ersten Kunden, denen SAS seine High Performance Analytics offeriert. Die Systeme arbeiten indes im Hintergrund, an der Kundenfront stehen andere Herausforderungen an.
Erik Brynjolfsson vom MIT weist nur geringe finanzielle Vorteile datengetriebener Geschäftsentscheide nach
Risk-Manager von Schweizer Unternehmen können in Zukunft die Geschäftsrisiken innert Sekunden neu kalkulieren. Ihnen soll High Performance Analytics von SAS helfen. Von der Technologie verspricht der Software-Hersteller, dass früher zeitraubende Prozesse nun auf Knopfdruck abgearbeitet werden sollen. SAS-CEO und –Mitgründer Jim Goodnight demonstrierte an einem Anlass der seines Unternehmens in Amsterdam, dass kein Statistik- und Informatikstudium erforderlich ist, um die Resultate einer Analyse zu interpretieren. Für den Fachbereich können Ergebnisse in einem Dashboard grafisch aufbereitet werden. Wenn dann der Vertrieb noch eine regionale Auswertung wünscht, muss die IT keine neue Routine schreiben. Mit der Maus navigiert und klickt sich der Manager selbst zur gewünschten Detailinformation durch. An dem Amsterdamer Anlass versammelt SAS Führungskräfte aus europäischen Firmen. Das Publikum wurde unruhig bei Goodnights Präsentation, Diskussionen entbrannten unter den Teilnehmern. SAS-Produktmanager Randy Guard berichtete Computerworld allerdings nur von Pilotkunden, die sein Unternehmen bisher vorweisen könne. «Insbesondere das Risk Management von Finanzkonzernen bekundet Interesse», gab sich Guard zuversichtlich. Für Professor Erik Brynjolfsson vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist der Einsatz von Analytik ein logischer Schritt in der Unternehmensentwicklung. Zudem lohne sich die Investition: Eine MIT-Studie ergab, dass datengetriebene Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher sind als Konzerne, in denen Geschäftsentscheidungen vom nach dem HiPPO-Prinzip (Highest Paid Persons Opinion) getroffen werden. Allerdings wiesen Brynjolfssons Ergebnisse «nur» einen Mehrwert von fünf bis sechs Prozent aus – dürftige Argumente für teure Analytik-Lösungen. Nächste Seite: Banking in Facebook
In anderen Fragen, in die SAS involviert ist, gibt es stärkere Argumente. Zum Beispiel bei der künftigen Versicherungsregulierung nach «Solvency II», bei dem die Konzerne keine Wahl haben. Entweder holen sie sich Know-how ins Haus oder sie stellen sich den Regularien selbst – «Solvency II» steht im nächsten Jahr an. SAS ist allein in auf dem europäischen Kontinent in Projekte von 30 Assekuranzen involviert, offenbarte Allan Russell, Senior Vice President of Strategy.

Wenn die Kunden davonlaufen

Retail-Banken haben ebenfalls keine Wahl. Ihre Kunden werden quasi täglich mündiger, die Jüngeren wechseln die Kontoverbindung wie ein Paar Socken. Wer als Geldinstitut auf diesem Markt noch verdienen will, braucht unter anderem gute Kundenbindungsprogramme. Die türkische Yapi Kredi Bank will mit der «Winning Customer Strategy» ein solches lanciert haben. Die Basis ist ein konsequentes Data Mining der Informationen über die sechs Millionen Kunden der viertgrössten Retail-Bank der Türkei. Mithilfe von SAS Data Miner analysieren die Banker die Informationsbestände kontinuierlich und bewerten so die Kunden. Laut Nazan Somer, Executive Vice President Retail Banking der Yapi Kredi Bank, werden ausserdem die landesweiten Filialen monatlich neue Verkaufsziele vorgegeben. Die Bilanz beeindruckt: Zwischen 2009 und 2011 stieg der Umsatz im Retail Banking um 43 Prozent, 48 Prozent mehr Produkte wurden verkauft. Bislang geschah aber alles im Backoffice, schränkt Somer ein. Social-Media-Kampagnen und digitales Marketing stehen bei Yapi Kredi erst jetzt auf der Agenda.

Banking im Facebook-Profil

Kunden der niederländischen ING Group können teils schon in ihrem Facebook-Profil den Kontostand ablesen. «Die Einbindung ist zwar eventuell nicht ein grosser Schritt, aber wir wollen es probieren», sagte Saul van Beurden, CIO Retail Banking bei ING. Zusätzlich zur Einbindung in das grösste soziale Netzwerk der Welt betreibt der Finanzdienstleister auch Monitoring, um Kunden gezielt ansprechen zu können. Nach Aussage von van Beurden werden Informationen aktuell aber noch anonym ausgewertet: Gäben die Kunden ihrer Bank die Facebook-Credentials preis, liessen sich noch viel detaillierte Auswertungen anstellen – und individualisierte Werbekampagnen fahren. ING hat definiert, dass Banking der Zukunft das Leben der Kunden vereinfachen muss, für die Konsumenten eine persönliche Bedeutung haben und individuell sein muss. Allerdings wird laut CIO van Beurden noch nicht alles umgesetzt, was technisch machbar wäre: «Wenn ein Oldtimer-Sammler einen Kontakt zu anderen Sammler wünscht, könnte eine Bank anhand der ihr vorliegenden Informationen diesen Kontakt natürlich herstellen.» Dieses Beispiel passe zwar zur ING-Strategie, widerspreche aber dem Geschäftsgebaren einer Bank. Wenn sich die Kundenbedürfnisse ändern und sich auch die Einstellung zum Datenschutz wandlen, seien aber auch bankfremde Services eine Option.



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