14.10.2014, 20:43 Uhr

VMware zückt drei Trümpfe

Ein «Datacenter in a box» für KMU, eine neue Management-Plattform für hybride Clouds und die Partnerschaft mit dem Split-Kandidaten HP - einige der Highlights von der VMworld 2014 in Barcelona.
VMware CEO Patrick Gelsinger auf der Pressekonferenz in Barcelona.
Der erste Trumpf, den VMware auf seiner Hausmesse VMworld in Barcelona aus dem Ärmel zog, ist die vorkonfigurierte Appliance EVO:Rail. Offensichtlich springt der Virtualisierungsmarktführer jetzt auch auf den Appliance-Zug auf. EVO:Rail sei ein software-definiertes Rechenzentrum "in the box", das Server, Storage und Netzwerktechnologie bereits optimal aufeinander abgestimmt enthält. Mit der Appliance könnten Schweizer Unternehmen innerhalb von 15 Minuten ihr eigenes kleines Rechenzentrum mit einer Kapazität von bis zu 100 Virtuellen Maschinen hochfahren, sagte Emea-Director Gilles Lunzenfichter von VMware Schweiz zu CW. Im Gegensatz zu den megagrossen und auch megateuren Appliances von EMC oder Oracle zielt EVO:Rail also nicht auf die Grossunternehmen, sondern auf die Bedürfnisse des (Schweizer) Mittelstands (Introduction to VMware EVO:Rail). 

Partnerschaft mit Split-HP

Eine kleine Sensation war die neu angekündigte Partnerschaft mit Hewlett-Packard. Der Konzern war vor einer Woche in die Schlagzeilen geraten, als er seinen Split in die beiden etwa gleich grossen Unternehmen Hewlett-Packard Enterprise und HP Inc. ankündigte. Analysten befürchten dadurch eine Phase verstärkter Unsicherheit auf HP-Kunden zukommen. Kommt die Partnerschaft zur Unzeit? VMware wollte - verständlicherweise - den Split nicht kommentieren, sondern sprach nur vage von "Veränderungen". Die Präsenz von HP im Servermarkt ist trotz sinkender Umsätze nach wie vor sehr hoch. VMware partnert ausserdem (zur Sicherheit) mit Dell und Lenovo, und natürlich der Muttergesellschaft EMC.
Der zweite Trumpf: VMware gibt punkto End-User-Computing Vollgas und diversifiziert seine Horizon-Suite, die virtuelle Desktops bereit stellt. Othmar Bienz, Regional Director Alps, sieht den Umsatzanteil der Virtualsierungsplattform vSphere, also dem Kerngeschäft von VMware, abnehmend. Dem Unternehmen bleibt letztlich nichts anderes übrig, neue Geschäftsfelder in Angriff zu nehmen. Und im VDI-Markt (Virtual Desktop Infrastructure) sieht Bienz noch Potenzial. Erst 20 Prozent der Schweizer Unternehmen hätten ihre Desktops virtualisiert. Bienz nennt den Schweizer VMware-Partner Bechtle in Regensdorf, der bereits End-User-Computing-Projekte mit dem neuen Produktportfolio durchgeführt habe.  VMware diversifiziert Horizon. Das neue On-premise-Produkt Horizon Flex streamt virtuelle Windows-Desktops auf PCs und Apple Macintosh. Die Lösung soll noch in diesem Quartal auf den Markt kommen, Lizenzpreise beginnen bei 250 US-Dollar pro Device. Die Cloud-Variante heisst Horizon Air, dort geht es mit 5 Dollar pro Device und Monat los. Der Air-Service geht im ersten Quartal 2015 an den Start, zunächst in Frankreich und Deutschland, wo VMware demnächst ein neues Service-Rechenzentrum eröffnen will.

Citrix-Schlappe ausgebügelt

Punkto Desktop-Virtualisierung ist Citrix der Platzhirsch, und VMware der Herausforderer. Trotzdem sieht sich VMware in einer guten Position: "Wir können End-to-end-Lösungen von Server-/Storage-Virtualisierung über Netzwerke bis VDI aus einer Hand anbieten". Das seien Skaleneffekte, die andere Anbieter nicht haben, denn wir betreiben auch das Backend, sagte Cemea-Director Ralf Gegg zu CW. Ausserdem habe man eine empfindliche Schlappe gegenüber dem Erzrivale Citrix ausgebügelt. Mit der Horizon-Suite Version 6 lassen sich benötigte Applikationen, die beispielsweise unter anderen Betriebssystemen laufen, in den virtualisierten Desktop streamen und bei Bedarf wieder zurücknehmen. App-Virtualisierung war bislang die Domäne von Citrix. Jetzt nicht mehr: Mit Horizon 6 liessen sich sogar XenDesktop-Apps von Citrix integrieren, sagte Lunzenfichter zu CW. Die dafür benötigte Technologie der App Volumes hat sich VMware von Cloudvolumes geholt - per Aufkauf im August dieses Jahres. Fragt man einen Software-Marktführer nach der Offenheit seiner Lösungen, ist das immer ein heikles Thema. VMware propagiert, und das ist der dritte Trumpf, die hybride Cloud über On-premise- und Cloudgrenzen hinweg. Als CW jedoch nach der Integration etwa der Oracle Cloud fragte, ernteten wir betretene Gesichter.  Ganz offiziell ist die hybride Cloud-Managementplattform vRealize offen etwa für Microsoft Hyper-V, Amazon Web Services - an denen kommt keiner vorbei - und Linux KVM. Auch das Open-Source-Cloudprojekt OpenStack kann VMware nicht mehr länger ignorieren und bastelt gerade an einem eigenen Release (zurzeit in Beta), das Anfang nächsten Jahres die Marktreife erreichen soll.

Hybrides Cloud-Management

Bei der hybriden Cloud-Managementsuite vRealize gibt es einige neue Versionen zu verkünden, und eine neue Komponente. vRealize Code Stream 1.0 soll die Entwicklung und das Ausrollen von Software-Releases vereinfachen und beschleunigen. Im Wesentlichen sollen sich über gemeinsame Dashboards und Management-Werkzeuge die Entwicklerteams (Devs) und das Operatins-Team (Ops) besser koordinieren. Mit enthalten sind Sourcecode-Kontrollwerkzeuge wie Jenkins, Bamboo, Git oder Subversion. vRealize Business (früher: VMware IT Business Management Suite) liegt jetzt in der Version 6 vor, ebenfalls vRealize Operations. vRealize Automation 6.2 (früher: VMware vCloud Automation Center) arbeitet besser mit der Netzwerk-Virtualisierungskomponenten NSX und mit vRealize Operations zusammen. Eher kleine Verbesserungen, die gross herausgestrichen wurden. Umso erstaunlicher ist, das die Neuerungen von vSphere 6, immerhin das Kern- und Schlüsselprodukt, und die Zahl 6 steht für ein grosses sogenanntes Major Release, eher im Dunkeln blieben.



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