ETH Zürich 08.12.2008, 10:28 Uhr

Virtualisierung statt Totalumbau

An der Eidgenössischen Technischen Hochschule laufen 434 virtuelle Maschinen auf 27 physischen Hosts. Seit 2004 kommt VMware ESX Server zum Einsatz. Hat sich der Virtualisierungsaufwand gelohnt?
Die Entscheidung für VMware ESX Server als Hausstandard der ETH Zürich hatte eher historische Gründe. Denn im Jahr 2004, als sich die Hochschule für eine Virtualisierungslösung entschied, waren alternative Lösungen, wie sie heute von Xensource und Microsoft angeboten werden, schlicht noch nicht vorhanden.
Jürgen Winkelmann, Leiter der zentralen Informationsdienste an der ETH, zieht trotzdem eine positive Bilanz: «Die Virtualisierungskonkurrenz mag technisch leistungsfähiger geworden sein, aber in Sachen Verwaltbarkeit und Automation ist sie mit VMware längst nicht auf Augenhöhe. Zudem haben wir uns in den letzten Jahren intern viel VMware-Wissen angeeignet». Von den getätigten Investitionen soll die ETH jetzt auch profitieren.
Virtualisierung hat der ETH Zürich über die Jahre nicht nur die Anschaffung von mehr als 300 Servern erspart. Die vorhandenen Rechner können auch energiesparender betrieben werden. Winkelmann taxiert die Stromeinsparungen auf etwa 100 Kilowatt. Dies entspricht dem durchschnittlichen Stromverbrauch von ca. 170 Schweizer Haushalten.
Die ETH schlägt damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, denn die Stromzufuhr und Wärmeabfuhr eines riesigen Rechnerparks hätte sich aus baulichen Gründen im vorhandenen Rechenzentrum gar nicht realisieren lassen. Zusätzlich sinken die IT-Gesamtbetriebskosten. Summa summarum schätzt Winkelmann die dank Virtualisierung realisierten Einsparungen auf satte 70 Prozent. Damit leistet die Eidgenössische Technische Hochschule auch einen Beitrag zum Klimaschutz. Denn was an Stromaufwand in einen Rechner reingeht, kommt zu einem gewissen Prozentsatz in Form von Abwärme auch wieder heraus. Die Kühlung der Rechner und der Abluft kostet Energie, deren Erzeugung Schadstoffe freisetzt. Sinken Rechnerzahl und Energiekosten, profitiert auch die Umwelt.

Viele Rechner, viel Sparpotenzial

Grossen Unternehmen mit einer enstprechend grossen Rechneranzahl bieten Virtualisierungslösungen besonders viel Sparpotenzial. Virtualisierungs-Software kombiniert virtuelle Maschinen (VM) mit komplementärem Auslastungsprofil, sodass am Ende eine möglichst homogene Last für den einzelnen physikalischen Host dabei herauskommt (siehe Grafiken rechts). Zeitabhängig wird die Hochlast der einen Maschine durch die Unterlast der anderen ausbalanciert. Das funktioniert um so besser, je mehr Hosts und virtuelle Maschinen zu einem Cluster zusammengefasst werden, resümiert eine von VMware durchgeführte Studie (DRS Performance and Best Practices).
Dieses Testergebnis spiegelt sich auch im Implementationsverhalten der Kunden wider (siehe Grafik ). Die meisten Unternehmen setzen Virtualisierungslösungen zur Konsolidierung ihrer Serverlandschaften ein, konstatiert die Studie «Green IT» von Sieber & Partner. Dann folgen Speichermedien, Netzwerke, das Dateimanagement und die Desktop-Virtualisierung. Und: Je grösser das Unternehmen, desto häufiger wird virtualisiert. Firmen mit bis zu 29 Mitarbeitern virtualisieren durchschnittlich zu etwas über 30 Prozent ihre Server. In Unternehmen ab 250 Mitarbeitern greifen IT-Leiter bereits in knapp 70 Prozent aller Fälle zur Server-Virtualisierung. Ein ähnlicher Trend zeichnet sich in den Bereichen Storage, Netzwerk und Dateimanagement ab. Natürlich kann sich Virtualisierung auch für kleine Unternehmen lohnen. Aber: Wer mehr verbraucht, kann auch mehr sparen.

V-Technik der ETH

Im Rechenzentrum der ETH Zürich laufen 434 virtuelle Maschinen auf 27 physikalischen Hosts, die zu Server Pools zusammengefasst sind. VMware Virtual Infrastructure sorgt für einen nahezu unterbrechungsfreien IT-Betrieb. Die VMware-Komponente DRS (Distributed Resource Scheduler) überwacht die Auslastung von Ressourcen-Pools und verteilt Ressourcen nach vordefinierten Regeln auf die virtuellen Maschinen.
Hat beispielsweise ein Server einen vordefinierten Auslastungsgrad erreicht, stösst DRS das Tool VMotion an, um eine virtuelle Maschine auf einen weniger stark ausgelasteten physischen Server zu verschieben. Sollte eines der Geräte ausfallen, migriert die VMware-Erweiterung High Availability (HA) die dortigen virtuellen Maschinen automatisch auf andere Server. Für die Sicherung der VMs und der Daten sorgt die Funktion Consolidated Backup.

Befürchtungen unbegründet

Die anfänglich verbreitete Befürchtung, Virtualisierung könne die Performance der Anwendungen beeinträchtigen, hat sich an der ETH Zürich nicht bewahrheitet. Auf eigene Server verzichten zu müssen könnte ein eher psychologisches Problem für die hausinternen Kunden werden, hatte die Abteilung Systemdienste früh erkannt. Deswegen wurden keine laufenden Maschinen ins Virtuelle zwangsmigriert. Erst am Ende des normalen Lebenszyklus wurde den Projektverantwortlichen der Umstieg vorgeschlagen, verbunden mit einer deutlich günstigeren Kostenberechnung.
Inzwischen sind solche Probleme weitgehend überwunden. Die internen Kunden erhalten grundsätzlich nur noch virtuelle Maschinen. Es sei denn, sie können nachweisen, dass ihre jeweilige Anwendung in der VMware-Umgebung wirklich nicht läuft. Das trifft letztlich nur auf einige Systeme zu, die über spezielle Hardware mit Forschungsgeräten verbunden werden müssen.

Keine Kuh mehr heilig

Mittlerweile ist den Virtualisierungsspezialisten in der ETH-Abteilung Systemdienste keine Kuh mehr heilig. Gängige Anwendungen - ob unter Windows oder Linux - laufen virtuell, natürlich auch File-, Print- und Webserver. Datenbank-server sind schon lang kein Tabu mehr, ebenso wenig SAP-Systeme. Welchen Schwung die Virtualisierung in die IT-Technik der ETH Zürich gebracht hat, verdeutlicht ein Rückblick: In den letzten 15 Monaten wurden rund 40 Prozent mehr virtuelle Maschinen eingerichtet, als in den vier Jahren zuvor.

Zum Autor: Othmar Bienz ist Regional Director von VMware Switzerland



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