Microsoft-Chefin 20.04.2012, 11:44 Uhr

Schweiz, Cloud und Windows 8

Seit einem halben Jahr amtet Petra Jenner als Country Manager von Microsoft Schweiz. Mit Computerworld sprach sie über hiesige Besonderheiten, fehlende Fachkräfte und die Chancen für Windows 8.
Microsoft steht hierzulande gut da, aber auch vor grossen Herausforderungen: Die jüngste Produktgeneration der Server, Betriebssysteme und Office wird vom Markt gut angenommen, für die Nächste scheint das Interesse gering. In dieser Situation übernimmt Petra Jenner die Geschäfte in Microsofts Walliseller Niederlassung. Im Gespräch mit Computerworld erklärt Jenner, wieso sie sich für die Schweiz entschieden hat, wie sie Fachkräfte rekrutieren will und welche Chancen Windows 8 gegen das iPad hat. Computerworld: Warum wechselt eine Top-Managerin von Österreich in die Schweiz? Petra Jenner: Der Wechsel ist gleichzusetzen mit einem Aufstieg, da die Schweiz bei Microsoft eine besondere Bedeutung hat. Die hiesige Niederlassung rangiert unter den Top-Dependancen weltweit und ist vom Umsatz sowie der Mitarbeiterzahl praktisch doppelt so gross wie Österreich. Mich persönlich haben zudem die vielen weltweiten Kunden gereizt, die in der Schweiz ihren Hauptsitz haben. Da ich in meiner Karriere bei anderen Anbietern schon mehrmals für die Schweiz mitverantwortlich war, wusste ich, worauf ich mich einlasse. Das meine ich im positiven Sinne, denn ich habe in den vielen Jahren meiner Berufstätigkeit – unter anderem beim Security-Anbieter Check Point – immer sehr gute Erfahrungen gemacht. Ein Beispiel ist die hohe Verlässlichkeit. Ich schätze Kulturen, in denen das Wort noch einen Wert hat. In Österreich zählt der Handschlag, in der Schweiz ist es ähnlich. In so einem Umfeld kann ich gut arbeiten. Welche Unterschiede gibt es zwischen Microsoft-Filialen in Österreich und der Schweiz? Die Schweiz ist wesentlich internationaler als Österreich. Wirtschaftsbeziehungen gibt es hier mehr nach Asien und Amerika, Wien ist eher der Hub für Osteuropa. Daneben geht im östlichen Nachbarland alles über Beziehungen. Diese Kultur ist sehr hilfreich, wenn man sie einmal durchdrungen hat. Anfangs ist es jedoch extrem schwer, sie zu erschliessen. Wer keinen «Ortskundigen» hat, steht vor einer grossen Herausforderung. In der Schweiz geht es eher pragmatisch zu: Es ist gut, die Personen zu kennen, letztendlich dreht es sich aber um die Sache. Hierzulande kann ich auch dann Kontakte knüpfen, wenn ich «nur» gute Themen habe – nicht allein über gute Beziehungen. Daneben ist auch das Anspruchsdenken der Kunden bezüglich zum Beispiel Qualität, Standard und Service sehr viel höher als in Österreich. Nächste Seite: die IT hat (k)ein Image-Problem In Österreich und in der Schweiz fehlen die Fachkräfte. Was plant die Microsoft-Chefin, um ihr Unternehmen und auch ihre Partner mit IT-Experten zu versorgen?
Dieses Thema steht überall an. Organisationen und Verbände kümmern sich um die Problematik, von Zeit zu Zeit verzetteln sie sich dabei. Mein Wunsch wäre ein Programm, in dem Kandidaten aus anderen Branchen weiterqualifiziert werden. Eine Zielgruppe wären Personen aus dem Telekommunikationssektor. Hier sind die fachlichen Grundlagen bei den Mitarbeitern schon vorhanden. Microsoft Schweiz hat dank der starken Marke nicht so grosse Schwierigkeiten. Allerdings haben wir im Vergleich mit den anderen Ländern die längsten Rekrutierungszeiten. Teilweise benötigen wir bis zu neun Monate, um eine Position nach zu besetzen. Der Mittelwert sind zwar fünf Monate, aber auch das ist noch ein viel zu langer Zeitraum. Um kurzfristig personelle Lücken zu schliessen, könnten wir uns an einer Massnahme aus Österreich ein Beispiel nehmen: Dort haben Microsoft und andere Technologiefirmen ein Weiterbildungsprogramm initiiert, das die Unterstützung der Wiener Ministerien hatte. Ob sich das auf die Schweiz übertragen lässt, gilt es zu prüfen. Allerdings ist dies ein Thema, das Microsoft nicht alleine stemmen kann. Glauben Sie, Bern hat offene Ohren für ein solches Anliegen? Ich bin mir sogar sicher, dass es in Bern offene Ohren gibt. Eine zwingende Voraussetzung ist, dass Microsoft nicht allein auftritt. Wenn sich mehrere Unternehmen oder ein Verband wie ICTswitzerland für das Thema stark macht, sollte die Politik auch aktiv werden. Müssen die IT-Firmen ihr Image polieren, um attraktiver für Bewerber zu sein? Das ist sicher eine Methode. Womöglich hilft dabei schon, dass heute eine Frau an der Spitze von Microsoft Schweiz steht. IT ist heute keine nüchterne, harte Männerwelt mehr, sondern bietet gute Karrierechancen auch für das vermeintlich «schwache» Geschlecht. Daneben bieten Unternehmen wie Microsoft (und auch Cisco sowie Google) ein attraktives Arbeitsumfeld, moderne Bürokonzepte sowie Freiheiten wie die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten. Aus der Perspektive der Insiderin ist es teilweise schwer nachvollziehbar, warum die IT überhaupt ein Imageproblem haben soll. Denn die Branche ist echt cool. Sie ist sehr dynamisch, international, innovativ und lukrativ. Karriereorientierte Personen – gleichgültig ob Mann oder Frau – haben gute Chancen, rasch aufzusteigen sowie lokal oder global tätig zu sein. Dank des hohen Innovationsgrades bleiben die Perspektiven auch in den nächsten Jahren ausgezeichnet und das bei einem guten Gehalt. Das tönt nicht so, als hätte die IT ein Imageproblem. Die Schwierigkeiten sind auch hausgemacht, denn die IT präsentiert sich in der Öffentlichkeit schlecht. Wir sprechen eine Sprache, die eine Person ohne IT-Hintergrund kaum versteht. Ich merke es immer dann, wenn ich zum Beispiel meinen Eltern erkläre, was mich tagtäglich beschäftigt. Sie sind begeistert, aber sprachlos, da sie selbst nicht mitreden können. Das Problem der IT ist, dass sie auf ihrem Gebiet zu spezialisiert ist und es nicht versteht, die Themen alltagsgerecht aufzubereiten und zu emotionalisieren. Das ist auch für Microsoft eine Herausforderung. Nächste Seite: Windows 8 kein Thema? Microsoft wandelt sich zur Cloud Company. Der hiesige Markt ist zurückhaltend. Was tut Microsoft, um die Kunden zu überzeugen?
Ich will vorausschicken, dass es Microsoft nicht darum geht, per se zur Cloud Company zu werden. Vielmehr wollen wir verschiedene Technologien anbieten, mit denen Kunden standardisierte Geschäftsprozesse schneller und kostengünstiger vervielfältigen können. Daher ist für mich die Cloud lediglich ein Liefermodell für IT. Mit den hiesigen CIOs diskutiere ich, welche der IT-Dienstleistungen immer identisch ist. Auf der anderen Seite frage ich nach den Services, die das Unternehmen im Wettbewerb unterscheiden. Nach dieser Selektion kann der CIO entscheiden, welche Cloud-Lösung für ihn passt. In die Private Cloud können IP-basierte Prozesse mit Differenzierungscharakter ausgelagert werden. Auch streng vertrauliche Daten gehören in die Private Cloud. Andere Dienste, wie zum Beispiel E-Mail (die sowieso jedermann schon in der Cloud hat), können in die Public Cloud. Der Weg für die sicherheitsbewussten Schweizer Unternehmen wird das hybride Modell sein: Einige Dienste und Prozesse werden aus der Private Cloud bezogen, andere aus der Public Cloud. Aktuell läuft vielerorts die Migration auf Windows 7. Wird Windows 8 womöglich ein Flop bei den Firmenkunden? Zunächst ist es richtig, dass Windows 7 ein grosser Erfolg für Microsoft ist. Die Migration ist aktuell ein grosses Thema, die Umstellung braucht aber auch Zeit. Windows 8 wird aus meiner Sicht für die Unternehmen ein sehr spannendes Thema werden. Das System ist natürlich ideal für den Trend «Bring Your Own Device». Die Angestellten haben die Wahl der Geräte, die IT hat ein einheitliches Betriebssystem zu verwalten und kann sich das Einbinden von anderen Plattformen ersparen. Zudem: Wer weiss schon, welchen Formfaktor künftige Computer haben werden. Heute reden alle über Tablets, aber ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss? Mit Windows 8 sind die Unternehmen auf alle Eventualitäten vorbereitet.



Das könnte Sie auch interessieren