Kantonsranking 06.10.2011, 17:01 Uhr

Basel-Stadt verteidigt den Titel

Der alte ist der neue Sieger des Kantonsrankings. Allerdings ist der Vorsprung geschrumpft, denn die Konkurrenz hat aufgeholt und die Herausforderungen haben sich gewandelt.
Grafik: fotolia.com, Sven Knie
Das Internet verändert sich in rasantem Tempo. Was im Oktober 2010 noch der letzte Schrei war, ist mittlerweile längst Alltag. Der Boom der Social Networks dokumentiert dies besonders anschaulich. Obwalden war im Mai 2009 der erste Kanton, der eine eigene Facebook-Gruppe einrichtete. Heute ist diese so gut wie verwaist und basiert immer noch auf der alten Gruppenfunktion. Facebook will sie aber demnächst auf die neue Gruppenfunktion migrieren. Im vergangenen Jahr zog Basel-Stadt nach, 2011 folgten Nidwalden, St. Gallen, Uri und Zürich. Der Kanton Solothurn gibt auf der hierzulande populärsten Social-Media-Plattform derzeit so richtig Gas: Medienmitteilungen werden eigens für die Pinnwand aufbereitet, «Fans» animiert, an den Anlässen des Kantons und den Ereignissen dort teilzuhaben. Das kommt bei den Solothurnern offenbar gut an – die rege Aktivität der etwas mehr als 315 Fans spricht jedenfalls dafür. Indes ist Facebook für eine kantonale Verwaltung nur ein Kanal, auf dem sie nicht viel mehr als den Kontakt zur Bevölkerung suchen kann. Dies scheint der Mehrheit der Ämter unpassend für ihren Auftrag und ihre Arbeit und geniesst daher nur eine untergeordnete Priorität: Nur acht Kantone nutzen die Plattform in irgendeiner Weise. Der Rest lässt sich die Möglichkeit entgehen, einen Drittel der Schweizer Bevölkerung – so viele sind derzeit auf Facebook aktiv – zu erreichen.
Auf den anderen beliebten Portalen (geprüft wurden die Linkliste del.icio.us, die Foto-Community Flickr, der Kurznachrichtendienst Twitter und die Videoplattform YouTube) ist die Anzahl der aktiven Kantonsämter noch geringer. Zum Beispiel zeigen nur Nidwalden, Solothurn sowie Uri Impressionen aus ihren Kantonen bei Flickr. Lediglich Bern, Glarus sowie Zürich unterhalten einen eigenen Filmkanal bei YouTube. Zwar sind diese multimedialen Inhalte in erster Linie eine Aufgabe für lokale Tourismusorganisationen, jedoch fallen Fotos oder auch Videos bei Medienanlässen oder anderen Veranstaltungen sowieso ab. Bevor die Inhalte im Archiv verstauben, könnten sie auch aufbereitet und ins Netz gestellt werden. Den ortsansässigen Bürger freut es, sich womöglich auf einem Bild wiederzuentdecken. Wer inzwischen anderswo wohnt, hält so den emotionalen Kontakt zur Heimat.

Für Smartphones optimiert

Bürger in nah und fern sind dankbar, wenn sie statt über den Computer auch über das Handy mit ihrer Kantonsverwaltung in Kontakt treten können. Mobile Versionen der Kantonswebseiten sind allerdings rar: Appenzell Innerrhoden, Nidwalden und Obwalden bieten für kleine Bildschirme optimierte Ansichten ihrer Portale an. Angesichts der raschen Verbreitung von iPhone & Co. hierzulande sind die drei Ämter heute ihrer Zeit voraus. Andere werden nachziehen und an ihren Portalen weiter schrauben. Zürich geht mit der Zeit und präsentiert seine Informationsdienstleistungen in einem Breitbildportal. Die Webentwickler haben seit dem Vorjahr die Plattform vollkommen neu gestaltet. Indes: «Weltstadt»-Kantonen wie Zürich oder Genf stünde eine zweite Sprache gut zu Gesicht. Heute beschränken sich die Webseiten auf die jeweilige Landesteilsprache. Der «Hauptstadt»-Kanton Bern macht es besser: Dessen Portal ist komplett auf Deutsch und Französisch realisiert – der Twitter-Feed übrigens auch. Herausragend präsentiert sich Graubünden, der Kanton bietet den Grossteil der Inhalte in vier Sprachen inklusive Rätoromanisch an. Im Ranking wird neu die Kantonssprache nicht mehr mit Punkten honoriert, jede weitere Sprache hingegen schon.

Basel-Stadt ist Vorbild

Die wichtigsten Angebote kantonaler Webseiten sind und bleiben allerdings deren Onlineschalter und -serviceleistungen – davon haben Bürger wie Unternehmen am meisten und dafür vergeben wir in unserem Ranking auch die meisten Punkte. Besonders eifrig sind dabei die Entwickler des Halbkantons Basel-Stadt, die mittlerweile 66 Dienstleistungen auf der Seite www.bewilligungen.bs.ch offerieren. Der Einwohner braucht dabei kein PDF auszudrucken oder zum Telefon zu greifen. Das Eingeben der Daten in die verschiedenen Onlineformulare genügt, damit ein Behördenmitarbeiter den Auftrag ausführen kann. Diese Optimierung haben heute fast alle Kantonsämter geschafft – eine deutliche Verbesserung gegenüber dem letzten Jahr. Nur noch die Bürger von Jura, Obwalden, Schaffhausen und Thurgau müssen auf jeden Fall zum Stift greifen, wenn sie einen kantonalen Dienst in Anspruch nehmen wollen. Laut Auskunft der Kantonsbehörden ist der Besucherandrang in den Ämtern Steuern, Strassenverkehr und Zivilstand am grössten. Über alle Kantone hinweg werden online am häufigsten Fristerstreckungsgesuche gestellt, Kontrollschilder oder Fahrzeugprüfungen beantragt sowie Ausweise und IDs bestellt. Die drei bei den Bürgern des jeweiligen Kantons besonders populären Onlinedienstleistungen sind in der Ergebnistabelle zu Informationszwecken aufgeführt. An dieser «Hitliste» können sich die Verantwortlichen der anderen Kantone orientieren, wenn sie Dienstleistungen für den Internetschalter umsetzen möchten. In Genf – neben Neuenburg und Zürich einer von drei Kantonen mit Onlineabstimmungssystem – führt «Vote électronique» die Liste der meistgenutzten Funktionen an. Das Genfer System wird allerdings auch von den Auslandsschweizern der Kantone Basel-Stadt und Luzern verwendet.

Bezahlen und anmelden

Kein Vorbild ist Basel-Stadt dagegen bei den Internetbezahlmethoden. Während Bürger die Leistungen zwar online beziehen können, müssen sie hinterher noch auf eine Rechnung warten, um die Behördendienste zu bezahlen. Einwohner Zürichs haben es da bequemer. Der Kanton hat nach eigener Auskunft sogar die Implementierung von PayPal erwogen. Bei der Evaluation fiel das Internetbezahlsystem aber durch. Nahezu landesweit etabliert ist die digitale Identifikation mit der SuisseID: Die technischen Voraussetzungen sind weitgehend implementiert, auch wenn die konkrete Umsetzung sich häufig noch im Planungs- oder Pilotstadium befindet. Nur in Appenzell Ausserrhoden, Obwalden, Solothurn und Wallis liegt die Unterstützung der SuisseID noch brach. Dagegen ist die rechtssichere elektronische Anmeldung bei den Portalen von Jura, Luzern, Neuenburg, Nidwalden, St. Gallen, Thurgau und Zürich schon heute möglich. Allerdings sind kantonale Gerichte seit dem Jahreswechsel auch gesetzlich verpflichtet, Eingaben der Bürger elektronisch zu empfangen. SuisseID ist eine Möglichkeit für Einwohner, sich gegenüber virtuellen Ämtern rechtssicher zu identifizieren.

Pflicht so gut wie erfüllt

Zum Pflichtprogramm gehört heute auf allen Kantonswebseiten auch die Suche. Dagegen haben sich ein Index von A bis Z, der dem Besucher das Auffinden eines Schlagworts vereinfacht, und eine Sitemap, die ähnlich nützlich ist und auch noch von Internetsuchmaschinen mit einer besseren Platzierung belohnt wird, noch nicht überall durchgesetzt.
Das gilt auch für die «sprechenden» Seitenadressen, die mittlerweile jedoch immer mehr Kantone besitzen. Das Wallis lässt seine User in der Adresszeile des Browsers zwar rätseln, wo sie sich auf der Webseite gerade befinden, gewährt dank des Verlaufs unterhalb des Seitenkopfs aber immerhin eine Orientierung. So befindet sich das Walliser Departement für Finanzen, Institutionen und Gesundheit unter der Adresse www.vs.ch/Navig/servicedeps.asp. Die entsprechende Abteilung des Kantons Solothurn lässt sich demgegenüber unter der gut lesbaren Adresse www.so.ch/departemente/finanzen.htmlaufrufen. Optimierungspotenzial für Webmaster und Administratoren nahezu aller Kantonsseiten offenbaren die Tests des Internetkonsortiums W3C. Die Validierungsprüfungen für HTML-, CSS- und RSS-Funktionen weisen grosse Defizite aus. Luzern muss sich insgesamt fast 400 Fehler nachweisen lassen, Appenzell Innerrhoden betreibt die einzige Webseite, die alle Tests besteht. In dieser Disziplin kommt auch auf die Webentwickler von Basel-Stadt noch Arbeit zu.

Fazit: noch Potenzial vorhanden

Insgesamt gewinnt – wie schon im Vorjahr – Basel-Stadt das Kantonsranking. Zürich muss sich wieder mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Das im letzten Jahr noch drittplatzierte Bern rutscht auf Rang sieben ab. Schaffhausen – 2010 ebenfalls auf dem Treppchen – fällt besonders tief. Hier macht sich auch unser angepasstes Bewertungsschema bemerkbar: Im Gegensatz zum letzten Jahr fällt die Kategorien «Onlineschalter» deutlich mehr ins Gewicht, neu hinzugekommen sind ausserdem mobile Webseiten und Social Media: In allen drei Bereichen hat Schaffhausen noch Nachholbedarf.
Trotz dieser Verschiebungen erlaubt auch das diesjährige Kantonsranking eine klare Aussage: Die meisten kantonalen Webseitenentwickler haben ihre Hausaufgaben aus dem letzten Jahr erledigt und ihr Pflichtprogramm erfüllt: übersichtliche Webseite, brauchbare Navigation und Suchfunktion. Dagegen gibt es bei der Kür – etwa bei der Präsenz im Web 2.0 – noch recht grosse Unterschiede. Die Differenz bei der Gesamtpunktzahl (64 von 100 für Basel-Stadt und 30 für das Wallis) belegt dies eindrucksvoll. Selbst für den Siegerkanton Basel-Stadt gibt es jedoch noch viel Entwicklungsspielraum nach oben. So fehlen dem Kanton etwa Punkte bei den Onlinebezahlverfahren, der SuisseID-Unterstützung und der Optimierung für mobile Endgeräte.
So testet Computerworld die Kantonswebseiten
Im Vergleich zum vorigen Jahr haben wir unser Bewertungsschema leicht modifiziert. Der Onlineschalter wird nun im Verhältnis zu den anderen Faktoren deutlich mehr gewichtet, neu ist zudem die Kategorie mobile Webseiten. Die Angaben der beiden Quellen IFAA und gfs.bern wurden in diesem Jahr nicht erhoben und entfallen daher. Beim Onlineschalter setzt der Siegerkanton Basel-Stadt mit 66 Funktionen den maximalen Referenzwert. Zu diesem Maximum wurde die Zahl der Funktionen anderer virtueller Behördenschalter ins Verhältnis gesetzt. Berücksichtigt wurden dabei nur Funktionen, die Bürger ohne Zuhilfenahme eines PDF-Formulars rein übers Internet abwickeln können. Die Angaben zu den am häufigsten genutzten Funktionen der Webseiten, die Dienstleistungen im Onlineschalter, die Bezahlmöglichkeiten und die SuisseID-Unterstützung basieren auf den Angaben der Kantone, ergänzt durch eigene Recherchen – insbesondere in den zwei Fällen, die uns keine Auskunft geben wollten. Die letzten drei Kriterien fliessen auch in die Bewertung ein. Wie schon im letzten Jahr nutzten wir die automatisierten Tests des Internetdienstes Qualidator (www.qualidator.ch), um alle Kantonseiten auf ihre Zugänglichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Suchmaschinenoptimierung zu testen. Die Vergleichbarkeit aller Ergebnisse war dabei die oberste Maxime. So geschahen etwa alle 26 Webseitenprüfungen mittels Qualidator-Analyse oder W3C-Validierungs-Tool innerhalb der gleichen Stunde. Die W3C-Validierung prüft dabei, inwieweit die Webseiten technische Standards erfüllen. Neben den automatisierten Tests stützt sich die Bewertung auf eigene, intensive Prüfungen.



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