23.09.2011, 08:39 Uhr

Breite Unterstützung für eHealth-Gesetz

Das BAG stellt den Gesetzesentwurf für das elektronische Patientendossier zur Diskussion. Ärzte, Spitäler, Kassen und die Wirtschaft sind zufrieden, wünschen sich aber Ergänzungen.
Laut Jacques de Haller vom FMH ist IT nur in jeder achten Praxis Standard
Auf dem Weg zum Ziel, bis im Jahr 2015 allen Einwohnern der Schweiz ein elektronisches Patientendossier bereitzustellen, ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen weiteren Schritt gegangen. Seit wenigen Tagen läuft die Vernehmlassung zum Entwurf des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier. Bis Dezember haben die Akteure des Gesundheitswesens nun Zeit, Änderungen vorzuschlagen. Am elften «eHealthCare»-Kongress in Nottwil positionieren sich Vertreter der Ärzteschaft, der Spitäler, der Krankenversicherungen und der Industrie zum Vorschlag des BAG. Jacques de Haller, Präsident der Ärztevereinigung FMH, nutzte das Podium für ein klares Bekenntnis zu den Zielen von eHealth: Der Medizinerverband hätten zum Beispiel selbständig den elektronischen Ärzteausweis HPC (Health Professional Card) eingeführt, der weit verbreitet sei und auch genutzt werde.

Bund setzt den Standard

Mit Blick auf den Gesetzesentwurf führte de Haller aus, dass in der Vorlage Anreize für die Ärzteschaft fehlten, das digitale Patientendossier zu nutzen. Der Einsatz von Informationstechnologie im Behandlungsalltag bedeute für die Mediziner einen erheblichen Mehraufwand, weshalb nur circa 15 Prozent der niedergelassenen Ärzte ihre Praxis vernetzt hätten. Der BAG-Vorschlag habe das Potenzial, dass mehr Mediziner auf IT setzten. «Es ist gut und richtig, dass der Bund koordinierend bei eHealth eingreift und nicht den Kantonen die ausschliessliche Initiative überlässt», sagte de Haller. Ein landesweites Gesetz sichere eine gewisse Kompatibilität der Systeme, was auch zu Investitionssicherheit führe. Der Gesetzesentwurf gewährt den Ärzten jedoch die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob sie das elektronische Patientendossier unterstützen wollen oder nicht. Laut der Berner Fachanwältin Ursula Widmer haben Spitäler diese Wahl nicht. Den Häusern schreibt das BAG die Teilnahme vor. Bernhard Wegmüller, Direktor des Spitälerverbandes H+, fragte seine Vorredner ironisch, ob der Bund die Spitäler als wichtiger für die Krankenversorgung erachtet als die niedergelassenen Ärzte. Noch mehr als die Ärzte stünden die Spitäler vor der Frage, wie der Bund die Anwendung des Krankendossiers fördern wolle – auch finanziell. Laut Wegmüller fehlen in dem Entwurf Anreizsysteme noch. Dies sei eine mögliche Bremse für eHealth. Nächsten Seite: RoI-Kalkulation für eHealth Die Versicherungen sehen in der freiwilligen Teilnahmemöglichkeit von Patienten und Ärzten eine Gefahr für die Akzeptanz und Verbreitung des Digitaldossiers. Laut santésuisse-Direktor Stefan Kaufmann stimmen indes Umfragen unter den Kassenmitgliedern zuversichtlich: 80 Prozent der Versicherten befürworten eine zentrale Speicherung von Gesundheitsdaten für Notfälle, 81 Prozent sehen in der Versichertenkarte ein geeignetes Mittel für den Zugang zum Patientendossier. Bislang habe sich die Chipkarte für die Kassen nicht gerechnet, kritisierte Kaufmann. Den versprochenen Einsparungen von 32,6 Millionen Franken stünden Investitionen in Höhe von 35 Millionen Franken gegenüber. Ein Grund ist laut dem Krankenversicherungsvertreter das Kompatibilitätsproblem zwischen den Systemen der beiden Kartenherausgeber Post und Sasis. Eine kompatible Middleware werde erst Ende Jahr implementiert werden können.

Mit Chipkarte gegen Lkw-Lieferungen

Bis dahin müssten die 64 Schweizer Kassen im administrativen Bereich den gleichen Aufwand stemmen wie vor der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. «Bei einem grossen Versicherungskonzern fährt morgens ein Lastwagen mit Rechnungen vor», gab Kaufmann ein Beispiel. Die Belege müssten bis zum nächsten Tag verarbeitet sein, denn dann treffe die nächste Lieferung ein. Insgesamt empfingen einheimische Kassen jedes Jahr rund 60 Millionen Rechnungen im Wert von zusammen 23 Milliarden Franken. Jeder Beleg enthalte im Durchschnitt acht Positionen, die sich auf 317 Franken summieren. Sowohl den administrativen als auch den medizinischen Mehrwert durch den Einsatz von Informationstechnologie im Gesundheitswesen sieht Walter Stüdeli in dem Gesetzesentwurf repräsentiert. Er ist Geschäftsführer der IG eHealth, der Interessengemeinschaft der Schweizer IT-Lieferanten. «Ohne rechtlichen Rahmen kommt eHealth nicht voran», betonte Stüdeli. Da sich nun eine Regulierung abzeichne, die der Industrie auch Investitionssicherheit biete, könnte auf die Hightech-Unternehmen gezählt werden. «Zur gewissen Vorfinanzierung von Projekten sind die Mitglieder der IG eHealth durchaus bereit», sagte der Industrievertreter. Beispiele gibt es unter anderem im Kanton Genf, in dem die Post mit «e-toile» aktiv ist, bei IBMs Engagement bei «eHealth Regio Basel» und im kantonsweite Pilotder Swisscom im Wallis. Stüdeli wurde am Kongress «eHealthCare» wie seine Vorredner nicht müde zu betonen, dass Anreize wichtig und womöglich erfolgskritisch für die eHealth-Projekte seien. Bewährt haben sich etwa Partnerschaften zwischen öffentlicher Hand und den Unternehmen – wie es in den drei kantonalen Modellversuchen schon praktiziert wird.



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