18.04.2013, 17:26 Uhr

Das erste BlackBerry-10-Gerät im grossen Test

Mit dem BlackBerry Z10 wollen die Kanadier den Smartphone-Markt zurückerobern. Das erste Gerät überzeugt und zeigt doch, dass dies schwierig wird.
Als Thorsten Heins das neue BlackBerry-Flaggschiff Z10 vorstellte, wollte er damit auch sein Unternehmen retten. Ist das gelungen?
BlackBerrys Fall kam schnell und war tief. Innert kürzester Zeit wurden die Kanadier vom prosperierenden Smartphone-Hersteller zum Nischenplayer, der hinter vorgehaltener Hand ausgelacht wurde, weil die Konkurrenz so lange nicht ernst genommen wurde, bis sie uneinholbar enteilt war. Die Erkenntnis, die Zeichen der Zeit falsch gedeutet zu haben, reifte dank eines Wechsels im Management aber auch bei BlackBerry und so kann vielleicht der Fall noch aufgehalten werden. Aber nur, wenn die Taktik, vollends auf das neue Betriebssystem Blackberry 10 zu setzen, aufgeht. Das erste Gerät welches mit dem neuen OS daherkommt, ist das BlackBerry Z10. Mit einem 4,2-Zoll-Touchscreen (1280*768 Pixel) und abgerundeten Ecken ist das BlackBerry Z10 nicht mehr mit seinen Vorgängern zu verwechseln. Stattdessen sieht es dem iPhone 5 extrem ähnlich. Auch beim Gewicht (137 Gramm) orientiert es sich am erfolgreichen Vorbild (iPhone 5: 140 Gramm) und liegt ebenso gut in der Hand. Wenn also das visuelle entscheidend wäre, hätte das Z10 gute Chancen, ab und an genügt es halt, erfolgreiche Konzepte zu kopieren. Das Z10 bietet an der Aussenseite – nebst Lautstärkeregelung und Ein/Ausschalttaste – zusätzlich Buchsen für microSD- und mcroHDMI-Anschluss und oben die Aufnahme für einen 3,5mm Klinkenstecker.

Hardware

Punkto Hardware überzeugt das Gerät, ist anderen Smartphones mit seinem 1,5-GHz-Dual-Core-Prozessor und dem 16 GB grossen internen Speicher - der um bis zu 32 GByte erweitert werden kann - aber nicht überlegen. Dafür sind 2 GByte RAM doppelt so viel wie die meisten Android-Phones zur Verfügung haben. Auch die Kameras entsprechenden den aktuellen Anforderungen. Eine 8-Megapixel-Kamera auf der Hinterseite nimmt HD-Videos in 1080p aus und ist mit Autofokus und Blitz ausgestattet. Die Kamera auf der Vorderseite hat 2 Megapixel spendiert bekommen. Selbstverständlich unterstützt das Z10 auch LTE, sowie UMTS, HSPA+ und n-WLAN. Dazu gibt es auch A-GPS, Bluetooth 4.0, NFC sowie DNLA- und HDMI-Unterstützung. Der Erfolg des Z10 steht und fällt aber mit der Software… Lesen Sie auf der nächsten Seite: Nette Features

HUB als Besonderheit

Dem neuen Betriebssystem haben die BlackBerry-Entwickler in den letzten Jahren alles untergeordnet. Das Ergebnis ist eine überarbeitete Version ihres Echtzeitbetriebssystems QNX, die gelungen ist. Das Interface unterscheidet sich nicht von anderen Smartphones, die Apps sind so aufgereiht, wie bei Android und iOS. Eine Neuheit von BlackBerry ist dafür der sogenannte «Hub», bei dem alle Nachrichten zusammenlaufen: Mails, Anrufe, SMS, Kalendereinträge, aber auch Status-Updates aus sozialen Netzen. Eine gute Sache, auch wenn es dabei schnell unübersichtlich werden kann, darum ist es wichtig, genau einzustellen, welche Nachrichten man erhalten will.

Apps mit Licht und Schatten

Nebst dem HUB fällt als Neuerung die «Wischfunktion» auf. Zu Beginn braucht sie etwas Eingewöhnungszeit, dann aber ist das Prinzip immer gleich: Im Hauptmenu wischt man nach rechts, um den HUB aufzurufen. Um das Handy zu entsperren, wird von unten nach oben gewischt. So lässt sich die ganze Navigation theoretisch mit einer Hand ausführen. Der Home-Button wird allerdings schon vermisst, in den Apps. Da es in diesen auch keine Return-Taste gibt, bleibt dem Anwender nichts anderes übrig als die App zuerst «kleinzuwischen» und danach zu schliessen, ein zusätzlicher Handgriff der nervig ist. Zu den Apps gibt es ansonsten nichts Negatives zu sagen. Der Store ist in kürzester Zeit auf über 100 00 Apps angewachsen, was vor allem daran liegt, dass es finanzielle Anreize für Entwickler gab und es wenig Aufwand brauchte, bestehende BlackBerry-Apps für BB10 fit zu machen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist der mitgelieferte Browser, bei dem die URL-Eingabeleiste nicht wie sonst oben, sondern auf Daumenhöhe sitzt. Ansonsten läuft der Browser sehr schnell und bietet Private Browsing sowie einen speziellen Lesemodus ohne Bilder an. Zudem hat der Browser gemäss Unternehmensangaben ausserdem den HTML5-Test Ringmark mit 484 Punkten bravourös bestanden. Zwar ist dies angesichts der Tatsache, dass der Browser selbst auf HTML5 basiert, kein Wunder – Fakt ist allerdings, dass er damit die Konkurrenten Android und iPhone um Längen schlägt.

Virtuelle Tastatur gelungen

Besonders hervorgehoben werden muss auch die virtuelle Tastatur. Zwar ist es etwas gewöhnungsbedürftig, dass die Wörter über dem jeweils nächsten Buchstaben erscheinen (gebe ich «lu» ein, erscheint über dem «f» das Wort «Luft» und über dem «s» die «Lust». Wer aber herausgefunden hat, dass mit einem Wisch vom jeweiligen Buchstaben weg nach oben das entsprechende Wort eingefügt erhält, tippt dadurch ungemein schnell. Grossartig ist, dass dabei auch zwischen verschiedenen Sprachen gewechselt werden kann, im Selbsttest funktionierten Deutsch, Englisch und Französisch problemlos (Demo der virtuellen Tastatur). Lesen Sie auf der nächsten Seite: Für Unternehmen interessant

Ohne BES 10 geht es nicht

BlackBerry, die ja früher vor allem Unternehmenskunden angesprochen haben, wird mit diesen Features im alten Segment jedoch nicht punkten können. Da sich die Kanadier dies bewusst sind, haben sie auch «BlackBerry Balance» deutlich überarbeitet, die eine Trennung von privater und geschäftlicher Smartphone-Nutzung möglich macht. Um BlackBerry Balance nutzen zu können, wird allerdings der BlackBerry Enterprise Service 10 (BES10) benötigt. Dann aber wirkt neu wirkt die Aufteilung nicht mehr nur auf die Funktionen, stattdessen gibt es zwei komplett getrennte File-Systeme, und die Trennung von Beruflichen und Privatem findet sowohl auf Funktions-, Account- und auch auf App-Ebene statt. Dies macht es möglich, den Business-Bereich separat zu verwalten und im Ernstfall eben auch zu löschen – ideal für Szenarien wie Byod oder die private Nutzung von Business-Geräten. Um in den Business-Bereich zu gelangen, wischt der Anwender dabei einfach in der App-Übersicht nach unten. Anschliessend werden die Icons für den professionellen Einsatz zugelassenen Anwendungen angezeigt, allerdings mit einem Köfferchen markiert und passwortgeschützt. Sobald sich der Nutzer einloggt, werden private Inhalte dann komplett ausgeblendet, lediglich im Blackberry Hub gibt es noch eine Mischung aus Beruflichem und Privatem. Über Policies kann die IT-Abteilung ausserdem festlegen, dass Inhalte nicht per Cut & Paste in den persönlichen Bereich kopiert oder auf einer MicroSD-Karte gespeichert werden können. Im Business-Modus greift der Browser zudem via BES getunnelt auf Intranet, Internet etc. zu. Auch die Blackberry AppWorld ist auf dem Gerät in zwei Bereiche getrennt – in die normale und eine Corporate AppWorld, in der optionale und Enterprise-Apps aufgeführt werden - vorgeschriebene Anwendungen lassen sich Blackberry-typisch natürlich auch remote aufspielen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Fazit

Fazit

Wie zu Beginn geschrieben befindet sich BlackBerry im Fall. Das Z10 soll der erste Schritt sein, diesen zu bremsen. Die Hardware ist dafür nicht aussergewöhnlich genug, doch sie genügt den momentanen Ansprüchen. Wichtiger ist aber ja sowieso, ob BlackBerry10 ein gutes Betriebssystem ist. Ja, ist es. BlackBerry hat es geschafft, gute Dinge der Konkurrenz zu übernehmen und trotzdem noch so viel eigenes in die Software zu stecken, dass man BlackBerry erkennen kann. Als Gesamtpaket braucht sich das Z10 darum nicht vor den Flaggschiff-Modellen zu der Konkurrenz zu verstecken. Die Frage bleibt aber, ob die Konsumenten BlackBerry noch eine Chance geben. Einige werden es sicher tun, aber es ist zweifelhaft, ob es genügend sein werden. Denn dafür ist der Vorsprung der Konkurrenz mittlerweile zu gross. Wer den Kanadiern trotzdem eine Chance geben will, wird mit dem Z10 einige Freude haben.