09.05.2016, 11:44 Uhr

Abenddämmerung am Schweizer Telko-Himmel

Heute nimmt der neue Sunrise-CEO Olaf Swantee seine Arbeit auf. Er tut dies in einem Marktumfeld, das den Unternehmen schon deutlich freundlicher gestimmt war.
Heute nimmt der neue Sunrise-CEO Olaf Swantee seine Arbeit auf. Er tut dies in einem Marktumfeld, das auch schon Telko-freundlicher war. Die drei grossen Schweizer Mobilfunkanbieter haben 2015 allesamt negative Umsatz- und Gewinnentwicklungen verzeichnet. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, ebenso wie die Zukunftsprognosen, die sich daraus ergeben. Vorab die wichtigsten Kennzahlen:
! TABELLE !
Salt
###BILD_55874_left###Die Unbekannte. Vor einem Jahr hat die ehemalige Orange das Kapitel France Télécom endgültig beendet und sich für rund vierzig Millionen Franken einen neuen Namen und einen neuen Auftritt geleistet. Mit dem Ziel, von der Nummer drei Position im Schweizer Markt so rasch wie möglich wegzukommen oder zumindest den Rückstand auf Sunrise zu verringern. Mindestens kurzfristig ist das nicht gelungen. Weniger Umsatz und gesunkene EBITDA sind dabei nicht das Problem, hier befindet man sich im Gleichschritt mit den Konkurrenten (vergleiche Tabelle). Was bei Salt fehlt, ist eine Strategie. Mit Xavier Niel erhielt Salt letztes Jahr einen Besitzer, dem in Frankreich Wunderdinge gelungen sind. Während er dort mit einer Tiefpreisstrategie massive Marktanteile der etablierten Konkurrenz abknöpfen konnte, wollte Niel in der Schweiz davon nichts wissen. Als erstes führte Salt hier teure All-Inklusive-Angebote ein. Bis Niel doch wieder zum Frankreich-Modell wechselte und derzeit mit immer wieder neuen Promo-Angeboten Schnäppchenjäger ansprechen will. Sowohl die Premium- wie die Billig-Strategie funktionierten bisher nicht. Statt Wachstum gab es letztes Jahr einen Kundenrückgang um 6,6 Prozent. Verantwortlich dafür wird das alte Management gemacht, in dessen Richtung immer wieder öffentliche Spitzen abgefeuert werden. Das ist unprofessionell und bringt keinen Mehrwert. Nach dem Rebranding verliessen die Top-Kader nach und nach das Unternehmen, zuletzt auch CEO Johan Andsj. Wie freiwillig die Abgänge waren, steht im Raum. Unzweifelhaft ist hingegen, dass der neue Chef Andreas Schönenberger eine Marke wieder auf Kurs bringen muss, an deren Aufbau weder er noch seine engsten Vertrauten beteiligt waren. Die Dienstälteste im Top-Management ist Chief Business Officer Britta Reinhardt, die im November 2014 von Swisscom zu Salt wechselte. Xavier Niel äussert sich nicht zur aktuellen oder künftigen Lage bei Salt, dafür habe er sein Management. Über dieses liess er verlauten, dass mit Stellenabbau und Insourcing der IT Kosten gespart werden sollen. Intern wird gemunkelt, dass durch die Einsparungen in jedem Fall Qualitätseinbussen in Kauf genommen werden müssen.
Sunrise
###BILD_55873_fullwidth### Die Gewinnerin. Noch nicht lange ist es her, da war Sunrise das hssliche Entlein der Schweizer Telko-Branche. Falsche Rechnungen, schwache Beratung und lange Wartezeiten führten dazu, dass sich Kunden nach Alternativen umsahen und Sunrise bei Beliebtheitsumfragen regelmässig ##{"type":"InterRed::Userlink","linktype":"b","linkoffset":0,"ziel_ba_name":"cwx_artikel","bid":0,"cid":0,"extern":"","fragment":"","t3uid":"64175","page":0,"text":"auf dem letzten Rang","target":"_top","alias":"","_match":"","_custom_params":[]}#! landete. Das war 2013. Daraufhin startete man eine Charme-Offensive, erhöhte die Zahl der Hotline-Mitarbeiter um 20 Prozent und machte die Kundenzufriedenheit lohnrelevant. Das Ergebnis: In Beliebtheitsumfragen hat man die Konkurrenz ein- und berholt. In Zahlen ausgedrückt hat sich das noch nicht, im Gegenteil. Der Umsatz sank 2015 stärker als bei den Konkurrenten und der Verlust war ein dreistelliger Millionenbetrag. Allerdings sind die Erklärungen dafür besser als die von Salt und Swisscom: Als erste Anbieterin koppelte Sunrise mit den «Freedom Abos» Hardware von Abonnementen ab. Für den Kunden ist dies hilfreich, so kann er bei Sunrise das Abo und bei den oft günstigeren Händlern wie Brack oder Digitec das Telefon kaufen. Beim Telko gehen dafür die Hardware-Umsätze zurück, was aufgrund der geringen Margen aber verkraftbar ist. Den Verlust von über 113 Millionen Franken erklärt man mit dem Börsengang. Ohne dessen Kosten hätte ein Gewinn resultiert. Wie erfolgreich derzeit geschäftet wird, werden die kommenden Ergebnisse zeigen (Die Q1/16-Zahlen präsentiert Sunrise am 12. Mai). Sicher ist, dass Sunrise seit 2013 mit elf Prozent am meisten Abokunden hinzugewann. Ein Indiz dafür, dass einiges richtig gemacht wird. Bei Sunrise ist aber längst nicht alles gut. Der Aktienkurs kennt nach gutem Start seit längerem nur noch den Weg nach unten. Um Kosten zu sparen wurde vor wenigen Monaten angekündigt, bis zu 175 Mitarbeiter zu entlassen. Die langjährige Eigentümerin CVC stieg vor wenigen Wochen aus und verkaufte ihr Aktienpaket an die deutsche Freenet AG. Ein neuer Verwaltungsratspräsident (Peter Kurer, ehemals UBS-CEO) und ein neuer CEO (Olaf Swantee  u.a. EE, Orange) sollen die Aktionäre davon überzeugen, dass die eingeschlagene Richtung stimmt. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Swisscom und Fazit
Swisscom
###BILD_55872_fullwidth### Die Konstante. Machen wir uns nichts vor: Der Schweizer Mobilfunkmarkt wird seit der Liberalisierung 1997 von Swisscom dominiert und einen neuen Marktführer wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Die aktuellen Entwicklungen zeigen aber, dass auch Swisscom zu kämpfen hat. Der Umsatz stagniert und unter dem Strich verdiente die Swisscom 2015 einen Fünftel weniger als vor einem Jahr. Die Verantwortlichen schieben die Schuld dafür auf gesunkene Roamingtarife, Währungseinflüsse und eine Busse ber 186 Millionen Franken für zu hohe Mietpreise bei ADSL-Leitungen. Fakt ist aber auch, dass Swisscom in den vergangenen fünf Jahren den Nettoumsatz nur unmerklich erhöhen konnte. Im gleichen Zeitraum sank dafür das EBITDA um 400 Millionen Franken. Mit den Q1/16-Ergebnissen musste man zudem zum allerersten Mal einen Rückgang im Mobile-Segment vermelden. Schuld daran sei eine Marktsättigung, sagt CEO Urs Schaeppi. Sehr überzeugend klingt das nicht. Einerseits gibt es in der Schweiz laufend Zuwanderung, allesamt potenzielle Kunden. Zudem ist der Bestand an Prepaid-Kunden bei allen drei Anbietern hoch, auch die sollen alle irgendwann Abo-Kunden werden, wenn es nach den Telkos geht. Und die SIM-Penetration ist mit 120 Prozent zwar hoch, im Vergleich mit anderen Ländern aber ausbaufähig. Vielleicht liegt der Rückgang also auch einfach darin begründet, dass die Kunden wählerischer geworden sind und der einstige Vorsprung der Swisscom in Sachen Netzqualität und Servicelevel geschrumpft ist. 
Fazit
Weder Salt, noch Sunrise oder Swisscom hatten ruhige letzte Monate. Weil Mobile-Kunden immer mehr Leistung für weniger Geld erwarten und auch erhalten, dürfte das auch so bleiben. Während Salt bislang eine Mobile-Only-Strategie fährt, versuchen Sunrise und Swisscom wenigstens, Erosionen im Mobilfunkbereich über andere Geschäfte aufzufangen. Da haben sie es aber mit weitaus mehr Konkurrenz zu tun als im beschaulichen Schweizer Mobilfunkmarkt, der sich nach und nach zu einem Triumvirat entwickelt hat, in dem das Motto «Leben und leben lassen» Hochkonjunktur hat. Die Margen der Telkos werden deshalb weiter sinken und die Umsätze stagnieren. Noch ist das Jammern auf hohem Niveau, der Schweizer Mobilfunkmarkt gilt mit einer EBITDA-Marge von über 30 Prozent als der profitabelste der Welt. Die lukrativsten Zeiten der Mobilfunkanbieter sind aber vorbei. Die Abenddämmerung ist angebrochen und wer sich von den Gewinnen der Vergangenheit in den Schlaf wiegen lässt, wird grosse Probleme beim Aufstehen haben.



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