01.12.2014, 16:04 Uhr

Die Work-Life-Balance hängt schief

Jeder dritte Arbeitnehmer macht täglich Überstunden, wie eine Umfrage der «Akademie der Führungskräfte» in Deutschland ergab. E-Mails und Meetings gelten zudem als grösste Zeitfresser.
Über zuviel Arbeit zu jammern ist geradezu ein Hobby vieler Zeitgenossen. Doch sie haben allen Grund dazu, wie eine Studie der «Akademie für Führungskräfte» in Deutschland zutage brachte. Fach- und Führungskräfte leisten tatsächlich mehr Arbeit als in ihrem Arbeitsvertrag festgehalten ist. Und nicht alle werden dafür mit Urlaub oder Gehalt entlohnt. Jeder fünfte Arbeitnehmer arbeitet mindestens einmal in der Woche mehr als im Arbeitsvertag vorgesehen. Fast 40 Prozent der Befragten machen an mindestens drei Tagen pro Woche Überstunden - und jeder dritte Arbeitnehmer leistet täglich Mehrarbeit. Von einem pünktlichen Feierabend an jedem Arbeitstag dürfen nur 1,8 Prozent der Befragten träumen. Die Dauer der Mehrarbeit ist unterschiedlich: Jeder Zweite der über 1000 befragten Fach- und Führungskräfte sitzt täglich bis zu zwei Stunden länger im Büro, 29 Prozent arbeiten täglich bis zu einer Stunde mehr. Jeder Siebte arbeitet mehr als zwei Stunden über der Zeit, und das von Montag bis Freitag. Von Work-Life-Balance kann bei einem 11-Stunden-Tag nicht mehr die Rede sein.

Zwei Drittel arbeiten auch am Wochenende

Auch Abgrenzung von Privat- und Arbeitsleben scheint vielen Fach- und Führungskräften schwer zu fallen. Laut Umfrage arbeitet deutlich mehr als die Hälfte (59 Prozent) der Arbeitnehmer mindestens «gelegentlich» von zuhause aus. «11,6 Prozent sagen von sich, regelmässig an mehreren Abenden pro Woche Arbeit mit nach Hause zu nehmen». Im Vergleich dazu gibt nur ein Viertel der Befragten an, zuhause grundsätzlich nicht zu arbeiten.
Luft nach oben gibt es auch bei den arbeitsfreien Wochenenden. 37,5 Prozent der Befragten geben an, am Wochenende nicht zu arbeiten. Doch knapp zwei Drittel befassen sich mindestens «von Zeit zu Zeit» am Wochenende mit der Arbeit. Darunter fallen höchst unterschiedliche Arten von Überstunden: Mehr als die Hälfte der Befragten arbeiten «gelegentlich» am Wochenende, jeder Zehnte regelmässig und 0,5 Prozent der Befragten muss an jedem einzelnen Wochenende arbeiten.

Überstunden ansparen statt auszahlen

Zwar geben knapp zwei Drittel der Befragten an, ihre Überstunden erfassen zu lassen. Aber 36 Prozent können in ihrer Firma die Überstunden weder anrechnen noch ausgleichen lassen. Die meisten Befragten wünschen sich, die Überstunden ansparen zu können und sich dafür ein Sabbatical zu nehmen anstatt sie sich ausbezahlen zu lassen. Noch ist nicht jeder Arbeitgeber auf diesen Zug aufgesprungen. Die Möglichkeit, ein Sabbatical zu nehmen, bietet nur jede fünfte Firma an, obwohl sich 80 Prozent der Befragten dies sich wünscht. Dass Überstunden aus Versehen oder aus Freude an der Aufgabe entstehen, ist eher selten: Nur 2,6 Prozent der Befragten geben an, Workaholics zu sein, denen die viele Arbeit Spass macht. Nur 3,1 Prozent geraten ab und an in einen kreativen Flow und vergessen die Zeit um sich herum. Nächste Seite: Die grössten Zeitfresser

Die grössten Zeitfresser

Viele der Befragten wissen offenbar genau, wie sie gegen die Überstunden ankommen können: Knapp die Hälfte gibt an, dass sie Aufgaben delegieren oder abgeben müssten, um weniger zu arbeiten. 27 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sie ihr Zeitmanagement verbessern müssten. Dazu passen auch die in der Studie identifizierten Zeitfresser, die zu Mehrarbeit führen: Am meisten stören, wie viele Führungskräfte aus eigener Erfahrung wissen, im Tagesablauf die Bearbeitung von Mails, von Dokumenten und Tabellen sowie Meetings. «In puncto Meetings klagen die meisten über zu lange, zu häufige oder unstrukturierte Meetings. Auch Meetings mit grossem Teilnehmerkreisfallen negativ auf», heisst es in der Studie. «Am Punkt Mails stört vor allen Dingen der Erhalt von Spam-Mails und von Nachrichten, die für die eigene Person nicht interessant sind.»
Trotz der zahlreichen Überstunden kommen etliche Aufgaben immer noch zu kurz. Viele Teilnehmer gaben an, dass sie gern häufiger innovativ arbeiten würden, sich mit ihren Mitarbeitern mehr beschäftigen und häufiger über Ergebnisse oder Ziel nachdenken würden. Offenbar bleibt den Führungskräften für ihre eigentliche Aufgabe im Alltag an wenigsten Zeit. Die Akademie für Führungskräfte - ein Management-Institut in Überlingen/Bad Harzburg - hat für die Studie «Arbeitszeit ist Lebenszeit oder die Frage: Work und Life in Balance?» 1015 Fach- und Führungskräfte verschiedenster Branchen und Unternehmensgrössen befragt. Die komplette Untersuchung lsst sich hier herunterladen. Dieser Artikel ist zuvor in unserer deutschen Schwesterpublikation Computerwoche erschienen.



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