CFO vs. CIO 23.02.2012, 08:55 Uhr

Wer hat hier das Sagen?

Die IT gewinnt immer mehr an Bedeutung, den CIO hält der CFO aber oftmals noch aus der Geschäftsleitung heraus. Dafür gibt es viele Gründe – einige rationale, aber auch irrationale.
Das Kräfteverhältnis scheint klar: Finanzverantwortliche haben die Hand auf dem Budget, der IT-Leiter tritt lediglich als Bittsteller auf. Die oftmals eingeforderte Innovation für das Geschäft kann der CIO aber nur leisten, wenn er dafür auch die notwen­digen Gelder bekommt. Die IT hängt am Tropf der Finanz­abteilung, die Performance der IT als Business-Treiber allerdings auch. Schlimmstenfalls sind am Ende alle frust­riert: Der CFO sieht sein Geld in gescheiterten IT-Projekten versanden, der CIO befürchtet, an der ausgestreckten Hand zu verhungern und der Fachbereich fühlt sich von der IT nicht genug unterstützt. Den Schwarzen Peter schieben sich die Beteiligten gegenseitig zu – diesen Eindruck vermitteln die Ergebnisse unserer aktuellen Umfrage unter mehr als 300 Schweizer Finanzchefs.

Danach stellt sich die Situation in hiesigen Anwenderunternehmen wie folgt dar: Fast zwei Drittel der CFOs verantworten auch die IT, haben allerdings noch weitere Mandate, etwa die Personalabteilung. Entsprechend wenig Zeit hat der Finanzchef für Belange der Informatik. Nur 5 Prozent nehmen sich mehr als einen Tag pro Woche Zeit, um sich mit IT-Belangen zu befassen. In über der Hälfte der Unternehmen (52%) verwenden die CFOs nur einen halben Tag pro Woche für die IT – also maximal 10 Prozent ihrer Arbeitszeit. Im schlimmsten Fall hat der Finanzleiter gar keine Zeit für den CIO, was erschreckenderweise in jedem zwanzigsten Betrieb der Fall ist (vgl. Grafik 1). 
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Last auf mehrere Schultern verteilt Auch beim börsenkotierten Immobilienunternehmen PSP Swiss Property ist der Zeitplan straff, erzählt CIO Erich Schwab: «CFO Giacomo Balzarini und ich stimmen uns mehrmals im Jahr ab, jeweils aber nur für zirka eine Stunde.» Schwab präsentiert dem Finanzvorstand dann sämtliche aktuellen Projekte. «Das konzentrierte Gespräch erfordert aber sehr intensive Vorbereitung mit vielen Abklärungen, damit ich fertige Lösungen vorschlagen kann», führt der langjährige IT-Leiter aus. Der CFO lasse ihm im Rahmen des Budgets aber stets freie Hand. Schwabs Unternehmen gehört zu der knappen Minderheit der Schweizer Firmen, in denen der CIO ausschliesslich an den Finanzchef berichtet. 43 Prozent der CFOs tragen die alleinige Verantwortung für IT-Projekte und müssen Investitionen beim Geschäftsführer durchbringen. In den übrigen 57 Prozent ist diese Last auf die Schultern von CIO und CFO verteilt, die gemeinsam an den CEO berichten (vgl. Grafik 2).

Nur ein Beratungsmandat


Die Entscheidungswege für IT-Investitionen sind demnach vorgezeichnet: CIO und CFO einigen sich entweder untereinander oder stimmen sich miteinander ab. Wenn es darum geht, Geld für konkrete Informatikprojekte loszu­eisen, schlägt die Stunde des IT-Chefs. Er darf – vielmehr muss – mitreden und beraten, schon allein deshalb, weil der Finanzleiter kaum Zeit für eine fundierte Auseinandersetzung mit Technologiethemen hat. So verlässt sich auch fast jeder zweite CFO (46%) auf das Know-how der IT, wenn es Budget zu verteilen gibt (vgl. Grafik 3).

Die Beraterrolle ist allerdings das einzige Zugeständnis, das der Finanzmanager dem CIO macht. Alleingänge der IT bei der Budgetgenehmigung praktiziert nur jedes achte Unternehmen (12%). In jedem dritten Unternehmen werden IT-Vorhaben nur dann realisiert, wenn sich Informatikdepartement und Fachabteilung einig sind. Weitere 26 Prozent der CFOs entscheiden gemeinsam mit dem CIO. Ganz allein fällen nur 13 Prozent der Schweizer Finanzleiter das Urteil über ein IT-Projekt, in 17 Prozent der Firmen hat allein der Geschäftsführer die Entscheidungsgewalt – weder CIO noch CFO haben hier etwas zu melden (vgl. Grafik 2).
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Mangelhafte Kennzahlen

Aus der Perspektive des IT-Verantwortlichen ist das eine magere Bilanz – und angesichts der wachsenden Bedeutung der IT fürs Geschäft ein Status, der diskutiert werden sollte. Allerdings muss der CIO auch selbst die Initiative ergreifen, meint Matthias Röser, Director bei der Technologieberatung BearingPoint: «Die IT ist mehr denn je gefragt, die Wertschöpfung ihrer Investitionen transparent ausweisen zu können, um Mittel für ihre Projekte zu generieren.» In diesem Punkt müssen die CIOs noch viel Boden gutmachen: In einer Umfrage unter 350 Unternehmen ermittelte BearingPoint, dass es weniger als die Hälfte der IT-Manager (41%) schaffen, den Wertbeitrag der Technologie zum Geschäftserfolg wirklich nachzuweisen. Im Branchenvergleich stehen Unternehmen des Dienstleistungsgewerbes sowie Banken und Versicherungen am besten da. Sie erzielen einen Wertbeitrag von jeweils knapp 50 Prozent. Bei Industrie und Handel besteht hingegen viel Nachholbedarf (37%).

Dem CIO fällt der Leistungsnachweis schwer, der CFO hat andererseits Mühe beim Beurteilen der IT. Grund dafür ist nicht allein, dass Finanzleiter zu wenig Zeit für die IT haben. Die CFOs verfügen schlicht über keine ausreichenden Mess- und Monitoring-Methoden für das IT-Budget. Entsprechend haben etwa 60 Prozent der Finanzverantwort-lichen keinen Überblick darüber, wie sich Kürzungen des IT-Budgets auf geschäftliche Abläufe und Ergebnisse auswirken und welche Risiken das Unternehmen dadurch eingeht. Das ergab eine Befragung von 81 CFOs durch IDG Business Research im Auftrag des Beratungsunternehmens Alfabet. Demnach brauchen die Finanzverantwort-lichen auch viel zu lange, um etwaige Folgen abschätzen zu können: In vielen Firmen (40%) stehen erst nach zwei Wochen belastbare Prognosen über Auswirkungen von Kürzungen des IT-Budgets auf das Geschäft bereit. Weitere 22 Prozent der CFOs warten bis zu einem Monat auf verlässliche Vorhersagen. Auf Knopfdruck verfügbar sind die Daten in nur 15 Prozent der Organisationen. Das sind für Alfabet-Geschäftsführer Erik Masing unhaltbare Zustände: «Die Mehrheit der Budgetverantwortlichen arbeiten unter erschwerten, teilweise kontraproduktiven Bedingungen.»

Vertrauen ist gut, aber …

Den Finanzleitern fehlen also bei Budgetentscheidungen wirklich harte Fakten. Sprechen sie aber trotzdem Geld zu, geschieht das oft aus dem Gefühl heraus, dass die IT schon irgendwie am gleichen Strang zieht wie die Fachabteilung. Die Umfrageresultate von Computerworld legen das zumindest nahe: Zwei Drittel (64%) der Schweizer CFOs trauen dem Informatikdepartement genügend organisatorische und technologische Flexibilität zu, auf veränderte Business-Prioritäten zu reagieren. Fast genauso viele (58%) sehen die von der Business-Seite benötigte Innovation durch die IT-Kollegen erbracht (vgl. Grafik 4 und 5). «Die IT sitzt monatlich mit den Bereichsleitern zusammen, um Bedürfnisse zu ermitteln», gibt PSP-CIO Schwab ein Beispiel aus der Praxis. Für ihn sei das Abstimmen mit dem Business selbstverständlich: «Die IT ist kein Selbstzweck, sondern sie dient dem Business», lautet sein Credo.
LesenSie auf der nächsten Seite: Kein Schweizer Phänomen Wie viele seiner CIO-Kollegen muss Schwab aber damit leben, bei wirtschaftlichen Entscheidungen nur mittelbar mitreden zu dürfen. Denn den meisten IT-Leitern wird mehrheitlich noch keine Schlüsselrolle beim Definieren der Unternehmensstrategie eingeräumt: 63 Prozent der von uns befragten CFOs sprechen ihren CIOs die Kompetenz ab, über künftige Geschäftsziele mit abzustimmen (vgl. Grafik 6). Ein krasser Widerspruch zur hohen Meinung, die der Finanzchef sonst über den IT-Verantwortlichen hat (vgl. Grafik 7). Know-how abschöpfen vom CIO also schon, beteiligen an den strategischen Geschäftsentscheidungen im Führungskreis aber lieber doch nicht? Eine solche Rollenverteilung funktioniert in Unternehmen und Branchen, in denen Technologie im Wettbewerb noch nicht matchentscheidend ist – etwa der produzierenden und verarbeitenden Industrie. Gewinnt die IT aber an Bedeutung, kann sich ein «unterdrückter» Informatikchef rächen. Während der Konkurrent schon Zehntausende mit dem neuen B2B-Shop scheffelt, muss dann das eigene ERP erst aktualisiert und ein Direktverkaufsmodul eingebunden werden.

Kein Schweizer Phänomen

Wollte man es sich einfach machen, würde man das immer noch traditionelle Rollenbild, das die CFOs ihren CIOs zuweisen, als Schweizer Besonderheit abtun. Hiesige Manager gelten eher als «Follower» denn als «Leader», adaptieren neue Entwicklungen eher später als zum Beispiel die US-amerikanischen Kollegen. Aber gerade von dort kommen Widerworte. Das Analystenhaus Gartner stützt die Ergebnisse der Computerworld-Umfrage: Auch weltweit billigen nur 32 Prozent der CFOs ihrem IT-Leiter die Rolle als strategischer Partner bei Geschäftsentscheiden zu – hierzulande sind es 30 Prozent.

Mehr noch: Die Frage nach der Hoheit der CFOs über das IT-Budget wirft ein eher fortschrittliches Bild auf die Schweizer Organisationen. Weltweit haben 26 Prozent der Finanzleiter die Hand auf dem Geld und nur 5 Prozent der CIOs können selbst entscheiden. Hierzulande bestimmen immerhin 12 Prozent der CIOs im Rahmen eines gesetzten Budgets eigenständig über IT-Investitionen und nur bei 13 Prozent der Unternehmen entscheidet allein der CFO über IT-Investitionen.

Lehren und Lernen

Angesichts des Gewichts der Finanzchefs bei IT-Entscheidungen plädieren die Gartner-Analysten dafür, dem CFO die Chancen und Risiken von IT-Investitionen verstärkt näherzubringen oder sogar gezielt zu schulen. In jedem Fall sind ein intensiver Austausch und häufige Kommunikation zwischen CFO und CIO wichtig. Insbesondere die kommunikativen Fähigkeiten der IT-Verantwortlichen werden jedoch immer wieder kritisiert – sei es vonseiten des Business oder der Geschäftsleitung. An diesem Defizit muss gezielt gearbeitet werden. «Die IT sollte lernen, die Entscheidungskriterien des Finanzleiters bei Technologie-Investitionen zu verstehen und dann an einer geschäftlichen Partnerschaft mit dem CFO arbeiten», schlägt Gartner-Chefanalyst John Van Decker vor.

Allerdings treffen dabei zwei grundverschiedene Charaktere aufeinander, wie der Artikel auf den folgenden Seiten skizziert. Dass diese trotzdem an einem Strang ziehen, ist mit etwas gutem Willen nicht ausgeschlossen – und Voraussetzung für den Geschäftserfolg. 



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