28.09.2017, 14:52 Uhr

Das elektronische Portemonnaie im Test

Was taugen eigentliche bargeldlose Bezahldienste wie Twint und Apple Pay? Und wo steht Android Pay? Der PCtipp zeigt Ihnen, was diese können und wo es noch hakt.
Noch ist Bargeld eines der wichtigsten Zahlungsmittel. Zusammen mit der Bankkarte wird Bares für das Gros aller Transaktionen im Detailhandel verwendet. Andere Bezahlmethoden kommen erst langsam auf. Das Angebot reicht dabei von ausgeklügelten digitalen Portemonnaies wie Twint oder Apple Pay bis zur Kreditkarte mit Drahtlostechnologie. Im Folgenden nimmt der PCtipp die neuen elektronischen Bezahlmethoden unter die Lupe und erklärt, wo deren Stärken und Schwächen liegen. Die Kreditkarte Zugegeben: Die Kreditkarte ist nicht gerade Hightech oder besonders modern. Mit einer Jahresgebühr und zusätzlichen Transaktionskosten ist sie sogar verhältnismässig kostspielig. Dennoch hat die gute alte Plastikkarte ihre Vorteile. So ist die Kreditkarte mit Abstand die flexibelste Alternative aller bargeldlosen Bezahlmethoden. Womöglich sogar flexibler als das Bargeld selbst, da Währungswechsel mit der Karte praktisch irrelevant werden. Mit der Karte zahlen geht fast überall und funktioniert zuverlässig. Da die Kreditkarte auch die Basis für diverse App-Bezahlsysteme bildet, ist oftmals sowieso eine Karte vonnöten. Dann kann man diese auch gleich direkt zum Bezahlen verwenden. Neben der Verbreitung liegt die grösste Stärke der Kreditkarte in ihrer Einfachheit. Beim Kauf im Laden wird die Kreditkarte gleich verwendet wie eine Bankkarte. Dank kontaktloser Terminals muss die Karte dafür nicht einmal mehr eingesteckt werden. Für Einkäufe unter 40 Franken braucht man nicht einmal mehr eine PIN. Es muss auch keine App geöffnet oder irgendein Passwort bestätigt werden. Einfacher und schneller geht es nicht. Ist kontaktloses Bezahlen für Sie keine Option, kann die Karte auch wie früher per Code-Eingabe verwendet werden. Bei Onlinekäufen variiert es mit der Einfachheit der Kreditkarte. Beim ersten Kauf in einem Shop müssen erst einmal Kartennummer, Ablaufdatum und der Sicherheits-Code eingegeben werden. Stellenweise kommen Kartenhalternamen und eine Bestätigung per App oder Passwort dazu. In den meisten Onlineshops kann man diese Informationen jedoch speichern, damit man sie das nächste Mal nicht mehr eingeben muss. Ein heikler Faktor bei Onlinekäufen per Kreditkarte ist die Sicherheit. Über gefälschte Websites und Shops können Daten verhältnismässig leicht abgegriffen werden. Auch ungenügend gesicherte Verbindungen zu eigentlich legitimen Onlineshops oder schlecht geschützte Datenbanken können ein Sicherheitsrisiko darstellen. Hier ist PayPal ganz klar im Vorteil. Zuletzt hat die Kreditkarte einen sehr spezifischen Nachteil: Abgerechnet wird Ende Monat. Wer also viel per Kreditkarte zahlt und das Geld nicht gerade im Überfluss zur Verfügung hat, muss stets ein wenig mitrechnen. Sonst endet der Monat schnell mit einer bösen Überraschung. Durch die Limite wird auch der Nutzen der Kreditkarte für grössere Anschaffungen eingeschränkt. Das wird dadurch wieder ein wenig kompensiert, dass sich die Kreditkarte sowieso nicht für teurere Anschaffungen eignet. Bei grösseren Geldbeträgen fällt die Transaktionsgebühr zu stark ins Gewicht, um nicht einfach per Überweisung zu bezahlen. Fazit: überall einsetzbar Die Kreditkarte ist einfach, verbreitet und zuverlässig. Das macht die Plastikkarte zu Recht zu einer beliebten elektronischen Bezahlmethode. Schwächen offenbart die Karte vor allem bei den Kosten. Punkto Sicherheit kann eine Smartphone-Lösung besser sein als eine Kreditkarte. Jedoch nur, wenn der Nutzer App und Smartphone korrekt absichert. Nächste Seite: Die Twint-App Die Twint-App Die von PostFinance lancierte Twint-App hat einen wichtigen Schritt in Richtung Marktführung getan: Der grösste nationale Konkurrent Paymit wurde übernommen. Jetzt arbeitet die PostFinance zusammen mit diversen Schweizer Banken und der Swisscom an der Schweizer Bezahl-App als Alternative für die Angebote von Apple und Google. Statt auf Kreditkarten oder andere Vorauszahlmethoden zu setzen, funktioniert Twint eher wie digitales Bargeld. Man verknüpft sein Bankkonto mit der App und lädt Guthaben auf. Das ist momentan noch die wichtigste Methode, wird aber nicht die einzige bleiben. Kunden von ZKB und UBS können bereits Geldbeträge direkt vom Konto abbuchen. Andere Banken sollen folgen. Das Guthaben kann bei Händlern mit Twint-Bezahlstelle ausgegeben werden. Derzeit sind das Coop-Unternehmen und kleinere Detailhändler sowie Selecta-Automaten. Im Verlauf dieses Jahres sollen Migros, Denner, Landi, Volg und Lidl folgen. Auch in einigen Onlineshops kann Twint bereits verwendet werden. Die Bezahlung am Terminal gestaltet sich einfach: die App öffnen, an das Twint-Lesegerät halten (auch Beacon genannt) und die Zahlung bestätigen. Soweit kein Problem. Die Twint-App erwies sich in unserem Praxistest allerdings noch als ein wenig heikel und verweigerte ab und zu den Dienst, was sich auch in den gemischten Nutzerbewertungen und -kommentaren widerspiegelt. Allerdings dürfte die grösste Schwäche von Twint die Unterstützung durch die Händler sein. So fehlt mit der Migros noch der grösste Schweizer Detailhändler als Partner. Ausserdem dürfte es die Nutzer verwirren, dass nicht immer gleich bezahlt wird – teils via Prepaid, teils direkt übers Konto, teils per Smartphone am Terminal und teils mittels QR-Code. Ein weiterer Kritikpunkt von Twint ist die App, da diese zur Bezahlung geöffnet werden muss. Hier sind die Konkurrenten von Android Pay und Apple Pay klar im Vorteil. Bei Samsung Pay muss das Smartphone lediglich entsperrt sein, um eine Zahlung tätigen zu können. Bei Apple Pay reicht es, das iPhone mit dem Finger auf der Touch-ID an das Terminal zu halten. Bleibt noch das letzte grosse Problem von Twint. Twint gibt es nur in der Schweiz und nicht im Ausland. Der Vorteil davon liegt auf der Hand: die Sicherheit. Der Nachteil: In den Ferien klappt es nicht und man muss sich für eine zusätzliche Bezahlmethode entscheiden. Für Kreditkartennutzer ändert sich dagegen im Ausland fast nichts. Fazit: erst am Anfang Twint hat noch einiges vor sich, wenn sich die Bezahllösung durchsetzen soll. Mit der bernahme von Paymit wurde die App im Frühjahr zwar neu lanciert. Dennoch fehlt es Twint aktuell noch an einigem. Die Einbindung von Kundenkarten steht erst am Anfang. Unterstützt wird zum Beispiel Coops Supercard, aber noch nicht die Cumulus-Karte der Migros. Der Fokus von Twint sollte also darauf liegen, möglichst schnell möglichst viele grosse Partner an Bord zu holen. In diesem Fall könnte die Schweizer Bezahllösung vielleicht erfolgreich werden. Nächste Seite: Apple und Google Apple und Google Weniger ein Portemonnaieersatz als ein digitaler Kartenhalter ist Apple Pay. Der Dienst verhilft in der Praxis vor allem dazu, dass man seine Kreditkarte im Smartphone hinterlegt und so zu Hause lassen kann. In den USA werden zudem diverse weitere Karten akzeptiert, in der Schweiz ist das Angebot jedoch noch stark limitiert. Seit dem 23. Mai können Schweizer auch Samsung Pay nutzen. Samsung Pay funktioniert mit der Galaxy-S-Reihe ab dem Modell S6. Ausserdem mit einigen weiteren Geräten wie dem Samsung Galaxy A5. Wie bei Apple Pay hält man zum Bezahlen einfach das Smartphone anstelle der Kreditkarte an das Terminal. Noch beschränkter ist Android Pay. So ist der Google-Dienst zum Beispiel in der Schweiz noch gar nicht verfügbar. Das Prinzip ist etwa das Gleiche wie bei Apple: Es werden Karten hinterlegt, die man an einem Terminal zum Bezahlen verwendet. Das fügt den verwendeten Karten eine weitere Sicherheitsebene hinzu. Sie können nicht gestohlen werden und sind durch den Fingerscanner oder einen Code geschützt. Die Verfügbarkeit in der Schweiz dürfte sowohl für Apple als auch für Google zu einem Problem werden. Eine grosse Zahl von Schweizer Banken macht bereits beim Konkurrenten Twint mit. Ob diese Banken Apple Pay und Android Pay ohne Weiteres mit unterstützen, ist nicht sicher. Das Angebot an teilnehmenden Banken und Kartenanbietern bei Apple Pay ist jedenfalls eher bescheiden. Das macht auch nicht wirklich viel Hoffnung für den Launch von Android Pay. Besonders, was Fans von Debitkarten angeht, wird es schwierig. In der Schweiz werden kontaktlose Technologien derzeit hauptsächlich für Kreditkarten verwendet (eine Ausnahme ist die PostFinance-Karte). Aussichten für Android Pay Gut möglich, dass sich die Schweizer Banken auch mit einer breiteren Akzeptanz von Apple Pay und Android Pay hauptsächlich auf Kreditkarten fokussieren und die extrem beliebten Debitkarten aussen vor lassen. Immerhin: Für Geschäfte ist es sehr einfach, die Bezahldienste von Apple und Google anzubieten. Sowohl Apple Pay als auch Android Pay lassen sich über die bestehende Infrastruktur einbinden. Da es Twint sogar mit zusätzlicher Hardware geschafft hat, sich bereits relativ flächendeckend zu verbreiten, sollte dieser Punkt für Apple und Google kein Problem darstellen. In Sachen Kundenkarten sind Apple und Google im Prinzip vorbereitet. Es liegt hier aber an den Kartenanbietern, ihre Systeme mit Apple Pay und Android Pay kompatibel zu machen. Gerade bei kleineren Geschäften wird das schwierig. Ausser: Google und Apple könnten es mit einem simplen, eigenen Kartensystem für kleinere Geschäfte sogar noch einfacher machen, Kundenkarten zu erstellen und einzubinden. Im Ausland verhält es sich mit Apple und Android Pay ähnlich. Einige Länder haben den Dienst, andere nicht. Bedenken Sie auch: Die reine Unterstützung von Apple oder Android Pay heisst noch nicht, dass der Dienst auch breitflächig verwendet wird. Wer also im Ausland unterwegs ist, muss dennoch immer Bargeld oder zumindest eine Kreditkarte dabeihaben. Fazit: noch wenig Unterstützung Grundsätzlich sind Apple Pay und Android Pay die wohl vielversprechendsten Dienste im Bereich «Bezahlen mit dem Smartphone». Sie bieten eine extrem flexible Plattform mit erfahrenen Software-Herstellern dahinter. Zudem kann die Technologie einfach in die bestehende Ladeninfrastruktur eingebaut werden, was die Verbreitung vereinfacht. Problematisch dürfte vor allem die Unterstützung vonseiten der Banken und Kartenanbieter werden. Respektive im Falle von Android Pay die Unterstützung von Google. Hoffen wir, dass Google Zürich mit dem neuen Büro beim Hauptsitz ein wenig auf Android Pay pocht. Übrigens: Auch Microsoft bietet einen eigenen Bezahldienst an. Das Angebot mit dem Namen Microsoft Wallet ist jedoch derzeit nur in den USA verfügbar und funktioniert lediglich für Windows Phone 10.


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