IT-Outsourcing 20.04.2017, 06:45 Uhr

Was bringen die Externen wirklich?

IT-Outsourcing liegt im Trend – doch das Management ist mit den Ergebnissen oft unzufrieden. Überzogene Erwartungen und schlechte Kommunikation stecken dahinter.
Diesen März hat das Bundesamt für Informatik (BIT) mitgeteilt, 57 Stellen abzubauen. 32 der Angestellten sollen fortan durch «gezieltes Outsourcing der Leistungen» ersetzt werden. Damit will das BIT die vom Parlament auferlegten Sparziele erfüllen. Gleichzeitig will das BIT als Outsourcing-Partner allerdings nur noch diejenigen Firmen engagieren, die den ehemaligen Angestellten eine Beschäftigung geben.

Sparen und andere Verlockungen

Es ist kaum vorstellbar, dass das Bundesamt für Informatik damit Kosten sparen kann. Denn einerseits verknappt man den Markt künstlich, wenn man nur noch Anbieter mit Ex-BIT-Mit­arbeitern berücksichtigt. Andererseits dürften diese Entlassenen bald zu den begehrtesten Fachleuten auf dem Arbeitsmarkt werden. Im Wissen, durch die Einstellung dieser Personen bei einem lukrativen Auftraggeber sehr gute Karten zu haben, dürften die ehemaligen Beamten von Outsourcing-Anbietern fürstlich entlohnt werden – das Gehalt kann ja dann beim nächsten Auftrag direkt dem BIT weiterverrechnet werden. Auf diese offensichtliche Fehleinschätzung angesprochen, heisst es beim BIT ausweichend: «Wir hatten nur die Vorgabe, den Personal­bestand zu reduzieren.» Für den Personalverband des Bundes (PVB) ist der Stellenabbau «inakzeptabel»: Es würden Leute entlassen, deren Aufgaben über kurz oder lang private IT-Firmen teurer erledigen müssen. Dies sei ein «kostentreibendes, sinnloses Perpetuum mobile».
Grundsätzlich ist Outsourcing eine valable Option, um Kosten zu sparen. Nicht nur beim Bund, sondern auch in der Privatwirtschaft wird immer mehr ausgelagert. Der IT-Outsourcing-Markt in der Schweiz wird auf ungefähr 3 Mil­liarden Franken geschätzt, Tendenz steigend. Waren es früher hauptsächlich grosse Unternehmen, die Teile ihrer IT auslagerten, entdecken vermehrt auch KMU die Möglichkeit für sich. Die Beliebtheit kommt nicht von ungefähr: Kostenreduktionen, die Fokussierung aufs Kern­geschäft und der Zuzug von Spezialwissen ohne den Aufbau von eigenem Know-how lauten die Versprechen. Doch Unternehmern müssen aufpassen, diesen nicht blind zu vertrauen.

Was im Extremfall geschieht

Wo Probleme auftauchen können, zeigt exemplarisch ein Schweizer Gaslieferant, der Outsourcing in Ex­tremform betreibt. Die Firma ist eine Tochter des französischen Marktführers und versorgt rund 40 000 Kunden unter anderem mit medizinischem Sauerstoff und industriellem Stickstoff. Vor einiger Zeit wurde die gesamte IT von der Schweiz nach Paris verlegt. Zudem
lagerte der Konzern den Netzwerkbetrieb an Orange aus, Orange wiederum an die Swisscom, die Verwaltung an den französischen Telko SFR und den IT-Support an ein indisches Unternehmen. Die Unternehmen gaben die Aufträge teilweise noch weiter. Stefan Deutsch, Manager IT Services & Competency Center des Gaslieferanten, beschreibt das so: «Wenn Orange anruft, telefoniere ich nicht mit Paris, sondern mit Kairo. Wenn SFR anruft, mit Casablanca statt Paris.» Er müsse gar nicht mehr in den Urlaub, um mit fremden Ländern in Kontakt zu kommen. Zwar seien die Abläufe effizienter geworden und die Zentralisierung aus Konzernsicht nachvollziehbar. Doch habe der Outsourcing-Wildwuchs zu einigen Problemen geführt. «Im Netzwerkbereich beispielsweise hatten wir zuvor direkt mit Swisscom zu tun und sie haben uns ihre Leistungen verrechnet. Nun haben wir weiterhin mit Swisscom zu tun – allerdings erhalten wir für die gleiche Leistung eine rund 50 Prozent teurere Rechnung vom eigenen Konzern. Denn Swisscom verrechnet die Leistung mit Marge an Orange weiter, die wiederum an unseren Mutterkonzern und diese schliesslich an uns.» Nächste Seite: Die Karikatur von Outsourcing

Die Karikatur von Outsourcing

Die IT sei nicht nur teurer geworden, sondern reagiere auch schwerfälliger auf Probleme. So hätte der IT-Support in Indien einmal Tests in einer Testumgebung durchgeführt, woraufhin  bei einem Reseller im Wallis ein Lieferschein aus dem Drucker kam. «Der Wiederverkäufer wusste nicht, wie ihm geschah, und auch in Indien verstand man nicht, wie bei einem ERP-Test in
geschlossener Umgebung so etwas passieren konnte.» Vor Kurzem hatte ein Wiederverkäufer zudem zwei Wochen lang kein Internet, weil Swisscom technische Änderungen an ihren
Leitungen durchführte, erzählt Deutsch. «Da Orange darauf nicht eingestellt war und die Unternehmen miteinander nicht kommunizierten, standen wir völlig im luftleeren Raum. Früher hätte uns die Swisscom mitgeteilt, was sie tut, und wir hätten uns darauf eingestellt und unsere Wiederverkäufer informiert.» Aufgrund solcher Vorfälle kam Stefan Deutsch zum Schluss, dass hier eine Karikatur dessen vorliegt, was Outsourcing eigentlich sein sollte. «Die IT ist nicht mehr Business-gerecht, denn die Leute in Paris kennen die Anforderungen des Business nicht genügend. Zudem ist die Priorisierung nicht mehr so einfach, wir müssen länger auf Problemlösungen warten.»

Auslagerung schafft Abhängigkeit

Der Fehler läge aber auch bei der Filiale selbst, gibt Deutsch zu. «Um Kosten zu sparen, entlies­sen wir in Folge des Outsourcings sämtliche IT-Mitarbeiter. Heute würde ich statt fünf Leute nur vier entlassen und einen behalten.» Ein Kompetenzträger müsse immer in der Firma bleiben, damit man dem Outsourcer nicht komplett ausgeliefert sei, rät Deutsch Unternehmen in ähnlichen Situationen. Schliesslich müssten neue Applikationen oder Systeme vor dem Rollout trotzdem in der Schweiz getestet werden, da im Ausland teilweise völlig andere Philosophien etwa hinsichtlich Usability herrschen würden. Und wenn beispielsweise ein Wiederverkäufer Probleme mit einem Router habe, kommt er trotzdem zu Stefan Deutsch und ruft nicht in Indien an, schon alleine der Sprachbarriere wegen. Das ist denn auch die wichtigste Erkenntnis von Stefan Deutsch: «Bei Outsourcing nie die gesamten Kompetenzen auslagern.» Zudem müsse man sich bewusst sein, dass sich Outsourcing in der Theorie oft ziemlich gut rechne, mittelfristig aber die Komplexität zunehme und Kosten auftreten, wo keine erwartet werden. Trotz all der Umstände gewinnt Stefan Deutsch der neuen IT auch Positives ab, schwärmt von moderneren Tools und gesteigerter Effizienz. Sein Fazit deshalb: «Outsourcing kann einiges bringen – zu optimistisch sollte man dabei aber nicht sein.» Nächste Seite: Ist das Management selbst schuld?

Management selbst schuld?

Dass Outsourcing eine heikle Angelegenheit ist, macht auch unsere Swiss-IT-Umfrage deutlich. Grundsätzlich steigt unter den befragten Kaderleuten die Zufriedenheit mit der IT. Wenn das Management allerdings unzufrieden ist, dann hauptsächlich wegen des Outsourcings. 44,4 Prozent der Manager kreuzten diese Antwortmöglichkeit an, das ist der Spitzenwert (vgl. Grafik). Gefolgt von «zu wenig Verständnis der IT fürs Business», was durchaus auch mit Outsourcing zu tun haben kann. Andere Punkte wurden deutlich seltener genannt.
Woher kommt dieser Frust mit der Auslagerung? Für Peter Haecky, VR-Präsident der Haecky Gruppe, eine Distribution- und Produktions-Gruppe für Lebensmittel und Spirituosen aus dem baselländischen Reinach, ist der Fall klar: «Wenn ein Manager sagt, er sei mit dem Outsourcing nicht zufrieden, hat er seinen Job nicht gemacht.» Immer wieder muss sich Haecky anhören, dass Manager für einen schiefgelaufenen IT-Auftrag die Schuld bei jemand anderem suchen, beispielswiese beim Outsourcing-Partner. Zwar könne man nicht den Verwaltungsrat und das Top-Management für alles verantwortlich machen, aber bei Projekten ab einer gewissen Grösse müssten diese Leute die richtigen Fragen stellen, sagt Haecky. Der Unternehmer war während einem Vierteljahrhundert im Controlling eines grossen Pharmakonzerns tätig und hat selber erlebt, wie Projekte an Partner gegeben wurden, um sie nach einiger Zeit als Flop zu verbuchen und wieder zurückzuholen. Dies zumeist, weil die Denkweisen für operative Prozesse in anderen Regionen der Welt teilweise völlig anders sind als in Zentraleuropa.

Mangelhafte Kommunikation

Die Gründe, warum so offensichtliche Probleme nicht bedacht werden, meint Haecky zu kennen: schlechte Kommunikation und Boni-getriebene Manager. «Wer nichts von IT versteht, macht einfach mal vorwärts. Das hat mit dem Ego vieler Männer zu tun, die sich nicht eingestehen können, etwas nicht zu wissen.» In grossen Konzernen seien zudem viele Top-Manager überzeugt, in drei, vier Jahren woanders zu arbeiten.  «Daher möchten sie nur eine rasche Kosten­optimierung erreichen.» Die Konsequenzen aus dem aufgezogenen IT-Projekt müssten sie folglich nicht mehr tragen. Kommunikationsprobleme gibt es allerdings auch wegen der Partner, sagt Haecky. Der IT-Dienstleister dürfe sich nicht hinter seinem Fachjargon verstecken und müsse den Auftraggeber immer wieder fragen, was dieser genau wolle. «Doch oft ist ein IT-Mitarbeiter in erster Linie Technokrat, der Entscheidungen nur ungern hinterfragt. Und auf der anderen Seite hat man einen Auftraggeber, der nicht zugeben will, nicht genau zu wissen, was er eigentlich für sein Team braucht.» Business und IT sprechen auch im Jahr 2017 nicht die gleiche Sprache. Priska Schoch ist Co-CEO des Offertenportals Gryps.ch, das KMU und Private bei Beschaffungsfragen unterstützt. Immer wieder muss sie feststellen, dass KMU mit den Fachbegriffen der Outsourcer Schwierig­keiten haben: «Wenn der Leistungserbringer von IaaS, PaaS oder ASP spricht, versteht der Treuhänder vermutlich wenig», sagt Schoch, die Outsourcing-Anbietern empfiehlt, näher am Zielpublikum zu sein. «Wenn KMU Server und Desktops auslagern, sind ihnen hauptsächlich Qualität, eine Senkung der Kosten und eine schnelle Abwicklung wichtig. Anbieter, die ein verständlich formuliertes Standardangebot für KMU offerieren können, haben sicher gute Karten auf dem Markt.» Nächste Seite: Überzogene Erwartungen

Überzogene Erwartungen

Anders als früher haben KMU heute kaum noch Bedenken, Teile ihrer IT in die Cloud zu stellen. Zu verlockend ist es, unbeliebte Arbeiten einem kompetenten Partner abzugeben und stattdessen auf die Kernkompetenzen zu fokussieren. Doch dabei bleibt es nicht. Mit der Zeit wird vom Outsourcing-Partner nicht nur erwartet, dass er effizienter und günstiger ist, sondern auch innovativer. Plötzlich werden Anforderungen gestellt, die bei Vertragsbeginn nicht ausgemacht waren. Der Outsourcer hat aber den Auftrag, Kosten zu sparen und wird deshalb nicht innovieren, sondern optimieren. Entsprechend werden die Manager unzufrieden, die sich mehr von der Partnerschaft erhofften. Outsourcing-Probleme sind fast immer auf Kommunikationsprobleme zurückzuführen, die aus schlecht durchdachten Sourcing-Strategien entstehen. Entweder definiert der Auftraggeber seine Ziele nicht genau genug oder der Auftragnehmer erklärt nicht, welche Erwartungen realistisch sind und welche nicht. So ist es beispielsweise Unsinn zu denken, Outsourcing senke die Kosten automatisch. Gerade im ersten Vertragsjahr können die Kosten sogar steigen, weil Abläufe noch nicht eingespielt sind. Pannen oder Qualitätsmängel können dazu führen, dass die Kosten am Ende viel höher sind als angenommen. Man denke etwa an die Versuche grosser Schweizer Banken und Pharmaunternehmen, ihren IT-Support nach Indien aus­zulagern. Fast alle taten es und brachen die Versuche mit Millionenverlusten ab. Weil die Inder eine andere Arbeitsphilosophie hatten und aus dem – eigentlich offensichtlichen – Grund der  Sprachbarriere.

In die Gesamtstrategie einbinden

Die Idee, Outsourcing-Risiken auf mehrere Partner zu verteilen, birgt selbst Risiken. Bald einmal weiss niemand mehr, wer in der Firma wofür zuständig ist. Zudem können die diversen Serviceverträge die Kosten ansteigen lassen. Outsourcing darf nicht als reine Kostensparmassnahme verstanden werden, sondern muss in die gesamtheitliche Firmenstrategie passen. So ist es beispielsweise wenig sinnvoll, den Betrieb strategisch wichtiger Anwendungen auszulagern, nur weil damit kurzfristig etwas Geld gespart werden kann. Denn dadurch wird man vom Outsourcer abhängig, der irgendwann damit beginnt, seine Macht zu missbrauchen, indem er die Serviceverträge verteuert. Für erfolgreiches Auslagern ist es unvermeidlich, dass Auftraggeber und Auftragnehmer offen kommunizieren und ihre Ziele ständig abgleichen. Ein Unternehmen muss sich bewusst sein, dass die Auslagerung nur den erhofften Effekt zeigt, wenn auch der Outsourcer vom Vorhaben überzeugt ist – es muss eine Win-win-Situation vorliegen. Das scheint selbstverständlich zu klingen, darf aber nicht als Phrasendrescherei abgetan werden. Denn würde Outsourcing bereits heute überall in eine gesamtheitliche Strategie eingebunden, gäbe es viel weniger unglücklich verlaufene Projekte und weniger unzufriedene Manager. * Fabian Vogt ist freier Journalist: www.fabianvogt.ch
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