18.05.2012, 14:53 Uhr

Rechtssicher archivieren

Unternehmen müssen zahlreiche gesetzliche Dokumentationspflichten befolgen. Grundsätzlich ist die Dokumentation in elektronischer Form zulässig, die Vorschriften sind hier jedoch oft unpräzise. Als Orientierungshilfe dient die Regelung betreffend der Führung und Aufbewahrung von Geschäftsbüchern.
Worauf muss eine Unternehmung bei der Dokumentenaufbewahrung achten?
Die Autorin hat über Haftungsfragen bei grossen IT-Projekten promoviert. Sie ist Lehrbeauftragte für Informatikrecht an der Universität Bern und Recht der Informationssicherheit an der ETH Zürich. Ihre Berner Anwaltskanzlei Dr. Widmer & Partner ist seit 30 Jahren auf ICT-Recht spezialisiert.
Unternehmen haben zahlreiche gesetzliche Vorschriften zur Dokumentation von Geschäftsvorgängen und Auf­bewahrung der entsprechenden Unterlagen zu beachten. Am bekanntesten sind die Bestimmungen zur Führung und Aufbewahrung von Geschäftsbüchern, Belegen und Geschäftskorrespondenz (kaufmännische Buchführung). Sie gelten für alle im Handelsregister eintragungspflichtigen Unternehmen. Einen vergleichbar weiten Geltungsbereich umfassen auch die vom Steuerrecht geforderten Buchführungs- und Nachweispflichten. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von sektor- und branchenspezifischen Dokumentations- und Aufbewahrungsvorschriften. Etwa die Dokumentationspflicht der medizinischen Leistungserbringer (medizinische Dokumentation im Patientendossier), die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen zum Nachweis der Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten oder die umfangreichen Dokumentationspflichten im Lebensmittel- und Umweltschutzrecht. Die zentralen Fragen, die sich einem Unternehmen in diesem Zusammenhang stellen, lauten:
  • Welche Dokumente sind aufzubewahren?
  • In welcher Form sind diese aufzubewahren?
  • Wie lange sind sie aufzubewahren?
  • Welche speziellen Anforderungen gelten für die Aufbewahrung?
Die gesetzlichen Regelungen geben dabei leider nur zum Teil klare Antworten. Häufig sind die massgeblichen Bestimmungen wenig präzise formuliert und es bleibt eine erhebliche Unsicherheit. Die umfassendste Regelung zur Dokumentation von Geschäftsvorfällen und zur Aufbewahrung daraus resultierender Unter­lagen findet sich im Recht der kaufmännischen Buchführung. Diese Regelungen können daher auch als Orientierung in anderen Bereichen dienen. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Welche Dokumente müssen aufbewahrt werden?

Welche Dokumente müssen aufbewahrt werden?

Für die kaufmännische Buchführung sind diejenigen Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen und aufzubewahren, die nach Art und Umfang des Geschäfts nötig sind, um die Vermögenslage des Geschäfts und die mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängenden Schuld- und Forderungsverhältnisse sowie die Ergebnisse der einzelnen Geschäftsjahre festzustellen. Diese Pflicht erfasst neben den eigentlichen Geschäftsbüchern (Hauptbuch und Hilfs­bücher), der Erfolgsrechnung und der Bilanz auch die Buchungsbelege und insbesondere die Geschäftskorrespondenz. Der Begriff «Geschäftskorrespondenz» ist gesetzlich nicht definiert. Es sind darunter alle eingehenden und ausgehenden und auch alle rein internen Dokumente zu verstehen, deren Inhalt sich in irgendeiner Form bilanzmässig niederschlägt. Dazu gehören alle wesentlichen Dokumente betreffend das rechtsgeschäftliche Handeln und bezüglich der rechtlichen Stellung des Unternehmens. Beispiele sind Verträge, Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Korrespondenz betreffend die Ausübung von Rechten (wie Mängelrügen, Inverzugsetzung, Vertragsrücktritt, Kündigungen), Vergleiche über Rechtsstreitigkeiten, Prozess­akten und interne Dokumente wie Gesellschaftsstatuten, GV- und VR-Protokolle etc.
Unterliegen nun auch E-Mails der Aufbewahrungspflicht? Ja, nämlich dann, wenn sie einen Inhalt haben, welcher der Geschäftskorrespondenz im Sinne des Buchführungsrechts entspricht. Dies trifft etwa auf eine Auftragsbestätigung oder eine Kündigung in E-Mail-Form zu. Auch bei andern Dokumentationspflichten ist nicht immer genau definiert, welche Unterlagen aufzubewahren sind, sodass, wie im Fall der Geschäfts-korrespondenz, ausgehend vom Zweck der infrage stehenden Dokumentationsregelung die massgeblichen Dokumente bestimmt werden müssen. So gehört zum Beispiel eine E-Mail, mit der ein Arzt seinen Patienten über bestimmte Risiken einer Behandlung informiert, in die Patientendokumentation und unterliegt auch der Aufbewahrungspflicht.

In welcher Form sind Dokumente aufzubewahren?

Für die kaufmännische Buchführung gilt eine technologieneutrale Regelung. Die Bücher, Belege und Geschäftskorrespondenz können schriftlich, elektronisch oder in vergleichbarer Weise (zum Beispiel auf optischen Datenträgern) geführt und aufbewahrt werden. Lediglich für Betriebsrechnung und Bilanz ist es notwendig, diese schriftlich und unterzeichnet auf­zubewahren. Für andere Dokumentationspflichten ist die Form der Aufbewahrung häufig gesetzlich nicht definiert. So zum Beispiel im Gesundheitsrecht vieler Kantone betreffend der medizinischen Behandlungsdokumentation. In diesen Fällen ist jeweils im Einzelnen zu prüfen, ob Schriftlichkeit zwingend vorgeschrieben ist oder ob die Dokumentation auch in elektronischer Form geführt werden darf. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Anforderungen + Gesetz

Welche Anforderungen gelten für die Aufbewahrung?

Für die Führung und Aufbewahrung von Geschäftsbüchern ist sicherzustellen, dass die Dokumentation mit den zugrunde liegenden Geschäftsvorfällen übereinstimmt. Die zweite wesentliche Anforderung, die insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn die Dokumentation elektronisch geführt wird, besteht darin, dass die Dokumente jederzeit wieder lesbar sein müssen. Diese allgemeinen Anforderungen gelten auch für alle anderen Dokumen­-
ta­tionspflichten und ergeben sich aus deren Zweck, wonach der Beweis bestimmter Tat­sachen oder der Nachweis für die Erfüllung
bestimmter gesetzlicher Anforderungen ge­sichert wird. Für die Geschäftsbücher wird in der entsprechenden Verordnung präzise ausgeführt, mit welchen Massnahmen die erwähnten Anforderungen erreicht werden können: Arbeitsanweisungen: In Arbeitsanweisungen sind die Organisation, die Zuständigkeiten, die technischen Abläufe und Verfahren sowie die eingesetzte Infrastruktur (Hardware und Software) zu dokumentieren. Dadurch soll der planmässige Ablauf der Aufzeichnung der Geschäftsunterlagen gesichert, ein späteres rasches Auffinden der Daten ermöglicht und sichergestellt werden, dass die Daten lesbar gemacht und verstanden werden können. Informationsträger: Für die Aufbewahrung können unveränderbare (etwa CD/DVD-ROM) oder veränderbare Informationsträger (etwa Magnetbänder, Fest- oder Wechselplatten) verwendet werden. Veränderbare Informationsträger dürfen jedoch unter anderem nur unter den folgenden Voraussetzungen verwendet werden: - Verwendung eines technischen Verfahrens, das die Integrität der ge­speicherten Informationen gewährleistet (z.B. ein digitales Signaturverfahren). - Nachweisbarkeit des Zeitpunkts der Speicherung (z.B. durch einen Zeitstempel). - Abläufe und Verfahren zum Einsatz der Informationsträger müssen festgelegt und dokumentiert sowie die entsprechenden Hilfsinformationen (wie Protokolle und Logfiles) ebenfalls aufbewahrt werden. Überprüfung und Datenmigration: Weitere Vorgaben betreffen die regelmässige Überprüfung der Informationsträger und der darauf gespeicherten Daten auf ihre Integrität und Lesbarkeit sowie das Vorgehen bei der Übertragung der Daten in andere Formate oder auf andere Informationsträger (Protokollierung etc.). Sollten im Zusammenhang mit anderen Dokumentationen keine spezifischen gesetzlichen Anforderungen bestehen, empfiehlt es sich, die für die Geschäftsbücher definierten Anforderungen zu befolgen, um den Zweck der Dokumentation sicherzustellen.

Wie lange dauert die gesetzliche Aufbewahrungsfrist?

Für die Geschäftsbücher gilt eine Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren, beginnend ab dem Ende des Geschäftsjahres, in dem das betreffende Dokument entstanden ist. Dies entspricht der allgemeinen Verjährungsfrist für privatrechtliche Forderungen. Es ist allerdings zu beachten, dass die Verjährung unter­brochen werden und sich daraus die Notwendigkeit ergeben kann, die für bestimmte Forderungen relevanten Dokumente länger aufzubewahren.
Die Steuergesetze schreiben zum Beispiel regelmässig vor, dass Unterlagen und Daten bis zum Ablauf der festgesetzten steuerlichen Verjährungsfrist aufzubewahren sind. Wenn daher, wie bei der direkten Bundessteuer, die absolute Veranlagungsverjährung und die Nachsteuerverjährung erst nach 15 Jahren eintritt, so ist der Steuerpflichtige dementsprechend gehalten, nicht nur während 10, sondern während 15 Jahren die für die Steuerpflicht wesentlichen Unterlagen und Daten aufzubewahren. Auch in anderen Bereichen gelten erheblich längere Aufbewahrungsfristen. So gilt zum Beispiel im Bereich des Blutspendewesens und bei der Verabreichung von Blutprodukten sowie bei Transplantationen eine Aufbewahrungspflicht von 20 Jahren.


Das könnte Sie auch interessieren