Information Management 30.08.2010, 06:00 Uhr

Strategie statt Stückwerk

Obschon das Information Lifecycle Management ein wichtige Rolle in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens spielt, wird das Thema nach wie vor der IT-Infrastruktur zugeordnet. Umdenken lohnt sich.
Robert Schlee ist Principal Solution Consultant bei Open Text Die Informations- und Kommunikationswege in einem Unternehmen müssen sich heute sowohl an Veränderungen in der Firmenstruktur, als auch an den gesellschaftlichen Wandel anpassen können. Internationalisierung, Expansion, Firmenzukäufe und Restrukturierungen wirken sich unmittelbar auf die Informationsverwaltung aus, da Daten und Dokumente immer mit den Abteilungen und Unternehmen mitgehen. Auch die breite Akzeptanz von Web 2.0 und die zunehmende Mitarbeitermobilität verändern das Information Lifecycle Management (ILM). Dabei geht es nicht um einen kurzfristigen Hype, sondern um ein neues Kommunikationsmuster: Über Social-Media-Plattformen lassen sich etwa neue Themen oder bislang unbekannte Wissensträger ausfindig machen. Das Kommunikationsmuster «viele sprechen mit vielen» gewinnt gegenüber den traditionellen «1-zu-1»- oder «1-zu-Verteilerliste»-Mustern an Bedeutung - mit direkten Folgen für die Datensicherheit, die Compliance und die Wiederauffindbarkeit der Informationen. Konnte man sich früher auf wenige Medien wie Papier, Druck-Output, E-Mail und Office-Dokumente konzentrieren, stehen wir heute multimedialen Web-2.0-Inhalten, Podcasts, Videos und Instant-Messaging gegenüber. Damit sind neben Scannern, Output-Archivierung und Mailclients auch Kameras und mobile Endgeräte wie iPhone, BlackBerry oder iPad als Ein- bzw. Ausgabemedien zu berücksichtigen. Daten-speicherung, Content-Verarbeitung und Suchtechnologie stehen so ebenfalls vor neuen Herausforderungen. Der Zugriff auf Daten über eine führende Applikation oder eine vordefinierte Beschlagwortung und eine unstrukturierte Trefferliste über die Volltextsuche reichen nicht mehr. Um effizient arbeiten zu können, braucht es Leseempfehlungen und semantische Navigation - also auch Technologien wie Text Mining. Natürlich beschäftigen sich Unternehmen schon seit geraumer Zeit mit der Handhabung grosser Daten-mengen, mit der Integration von Dokumenten und Geschäftsprozessen sowie mit der revisionssicheren Langzeitarchivierung. Auch dokumentenorientierte Collaboration-Lösungen mit Benachrichtigungen, Versionierung, Protokollierung, Onlinemeetings, Ratings, Abstimmungen, Tasklisten und Diskussionsforen werden schon produktiv eingesetzt. Nur war die Verbreitung dieser Tools bisher weitaus geringer, man konnte sich daher auf die klassische Office-Korrespondenz und E-Mail konzentrieren.

Nicht neu, nur anders

Obwohl die Integration der neuen Medien und die Wiederverwendbarkeit der Daten in den Vordergrund rücken, bleiben Storage- und Betriebskosten wichtige Aspekte - besonders, weil Audio-/Video-Dateien den Speicherbedarf steigern. Während aber ein Storage-System meist nach fünf Jahren ersetzt wird, haben Inhalte einen deutlich längeren Lebenszyklus. Der Nutzen von ILM lässt sich daher nicht am Speicherpreis festmachen. Es ist weit wichtiger, Informationen über mehrere Storage-Generationen und Medientypen mitnehmen zu können.

Investments sichern

Ein wichtiger Punkt ist das Thema Investitionsschutz. Enterprise Content Management (ECM), Information Lifecycle Management (ILM), Business Process Management (BPM), Dokumentenmanagement und Archivierung haben gemeinsam, dass sie Daten und Dokumente aus unterschiedlichen Applikationen zusammenführen und integrieren. Damit sind substanzielle Investments in Software verbunden, vor allem aber in Customizing, Consulting und Organisation. Es gilt daher, Informationen langfristig nutzbar zu halten und die Investitionen zu schützen. Um Ersterem gerecht zu werden, ist ein Fristenmanagement erforderlich, das über die Einhaltung gesetzlicher Aufbewahrungszeiträume hinausgeht. Es muss ersichtlich sein, wie lange Informationen gültig sind, welche Nutzungsrechte sich für einen bestimmten Zeitraum daraus ableiten lassen und ab wann Dokumente nur noch dokumentarischen Wert besitzen. Die Forderung nach Investitionsschutz bedingt, dass die Daten problemlos über mehrere Gerätegenerationen mitgenommen werden können, ohne dass man sich in eine Abhängigkeit begibt oder hohe Umstellungskosten tragen muss. Dies gilt auch für die Software. Aufbewahrungsfristen von sieben, zehn, dreissig Jahren und länger reichen weit über aktuelle Software-Versionen hinaus. Daten und Dokumente sollten unbedingt ohne Migrationen über Versionsgrenzen hinweg übernommen werden können. Dies ist leider nicht immer selbstverständlich. Auch bei einer TCO-Betrachtung spielt der Implementierungsaufwand eine wichtige Rolle. Es ist daher zu hinterfragen, wie weit das bestehende Customizing einer Software beim nächsten Release weiter genutzt werden kann, und wie der Software-Hersteller mit dem Thema Abwärtskompatibilität umgeht: Ein technologisch «sprunghafter» Hersteller kann hier schnell teuer werden.

Argumente fürs Budget

Die Erfahrung zeigt, dass die IT leichter Geld für die Infrastruktur erhält als für umfassende Themenstellungen wie DLM und ILM. Bei Storage- und Server-Themen greifen einfache Argumente wie fehlender Speicherplatz oder Performance. Die IT kann jedoch genauso plausibel aufzeigen, warum sich Investitionen auch und vor allem im Bereich von ILM lohnen: Die IT bietet damit letztlich einen Service an, der die Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität des Unternehmens erhöht und sicherstellt, dass Geschäftsprozesse effizienter ablaufen, Wissen im Unternehmen bleibt und das Rad nicht immer neu erfunden werden muss. Um ein ILM-Projekt erfolgreich vertreten zu können, ist es allerdings notwendig, Anforderungen mehrerer Bereiche aufzunehmen und zu einer kritischen Masse zu aggregieren. Einzelthemen - etwa eine «Projektablage» - reichen selten aus, wenn sie in kein schlüssiges Gesamtkonzept eingebettet sind. Sie müssen schon konkret darlegen, was eine zentrale Projektablage für den Vertrieb, die Produktentwicklung, den Einkauf und die Rechtsabteilung leistet und wie die Kommunikation zwischen den Abteilungen bzw. zu Kunden und Lieferanten davon profitiert. Nicht zuletzt hilft eine konsistente, zentrale Datenhaltung, auch die IT-Infrastruktur schlank zu halten. Will man den Anforderungen von Wissenserhaltung, Compliance und Multichannel-Kommunikation gerecht werden, sind die Fachabteilungen in ILM-Projekte einzubinden. Das Business muss definieren, wie es mit Daten und Informationen arbeitet, was es wie lange benötigt, wie es sucht und was es vom ILM erwartet.
Diese Anforderungen werden sich im Laufe der Zeit natürlich verändern. Es ist daher sinnvoll, ein Projektteam zu bestimmen, das in regelmässigen Abständen den Ist- und Soll-Zustand überprüft. Technische Fragen, wie sie beim Hierarchischen Storage Management (HSM) auftreten, rücken gegenüber der organisatorischen Herausforderung und der strategischen Ausrichtung in den Hintergrund. Der Aufwand lohnt sich aber: Die IT wird vermehrt in den eigentlichen Wertschöpfungsprozess eingebunden, und der Nutzen der Investitionen ist grösser und leichter für das Management erkennbar.
Eckpunkte des Information Lifecycle Managements
Um mit Data- und Information-Lifecycle-Management-Systemen langfristig Mehrwert zu schaffen und Kosteneinsparungen zu erzielen, sollten folgende Eckpunkte berücksichtigt werden:
  • Daten und Informationen aus verschiedenen Quellen müssen im richtigen Business-Kontext und über geeignete Kommunikationskanäle bereitgestellt werden.
  • Das System muss die prozessgesteuerte Bereitstellung, Kontrolle und Freigabe von Informationen unterstützen.
  • Die Verfügbarkeit der Daten muss über mehrere Generationen von Speichermedien und ILM-Software gewährleistet sein - unabhängig vom Hardware- oder Software-Hersteller.
  • Die Einbindung von unternehmensrelevanten Daten und Informationen in/aus Wikis, Blogs, Foren, Collaboration-Plattformen durch die ILM-Software ist zwingend.
  • Die Langzeitarchivierung im Sinne der urschriftgetreuen Wiederherstellung und der Revisionssicherheit gemäss den regulatorischen und abteilungsspezifischen Anforderungen und Bedürfnissen muss garantiert sein.
  • Das System soll Medienbrüche (Papier, elektronische Office-Dokumente, Web 2.0) eliminieren helfen und eine Automatisierung der Dokumentverarbeitung (COLD, OCR, ICR, Text Mining) unterstützen.
  • Sowohl die Daten als auch das Customizing der Lösung müssen einfach auf neue Systemumgebungen und Storage-Technologien portierbar sein.
  • Client-Integrationen müssen für möglichst viele Applikationen verfügbar sein. Eine MS-Office-Integration reicht nicht aus. Clients für SAP- und Oracle-ERP-Lösungen, CAD- und GIS-Systeme, Output-Management-Lösungen, Audio-/Video-Anwendungen und Mobile Devices (iPhone, BlackBerry) sind mindestens genauso wichtig. 
Robert Schlee


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