17.03.2017, 08:00 Uhr

Umzug unter Zeitdruck

Wenn ein Finanzdienstleister in ein neues Data Center zügelt, sind Unterbrüche untolerierbar. Das Beispiel der grössten Anbieterin von SWIFT-Zahlungen zeigt, wie es geht.
Dass der Zahlungsverkehr zwischen Finanzdienstleistern einer absolut sicheren IT-Umgebung bedarf, versteht sich von selbst. Die D+H Global Transaction Banking Solutions ist, wenn es um die Abwicklung von SWIFT-Zahlungen geht, ein Global Player: Fast 8000 Banken und Finanzdienstleister mit monatlich über 33 Millionen Transfers vertrauen auf die Technologie und die Services von D+H. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz im kanadischen Toronto, unterhält aber auch Rechenzentren in den USA, in Grossbritannien und in der Schweiz.
Hierzulande ist das Unternehmen seit dreissig Jahren aktiv. Das hiesige Dienstleistungsportfolio umfasst den Zugang zu verschiedenen Netzwerken wie SWIFT, SIC und euroSIC, die direkte Verknüpfung von Kernbankenlösungen wie Avaloq, Finnova und SAP mit den unternehmens­eigenen Systemen sowie den Helpdesk-Support für die Anwendungen. Rund 70 Mitarbeiter betreuen von Baden aus über 300 Kunden. Die meisten stammen aus der Schweiz, darunter die Aargauische Kantonalbank oder die ABB. Nicht nur Banken und Finanzdienstleister, sondern immer häufiger auch Unternehmen aus anderen Industrien delegieren die Abwicklung des Zahlungsverkehrs an D+H. Nächste Seite: Neues Rechenzentrum gesucht

Neues Rechenzentrum gesucht

Bisher unterhielt das Unternehmen in der Schweiz ein Rechenzentrum in der Stadt Zürich und ein weiteres im Rahmen einer Colocation-Kooperation mit SIX. Als SIX ins greenDatacenter Zürich-West wechselte und deshalb der Vertrag auslief, begann D+H mit der Evaluation anderer Anbieter. Dabei streckte das Unternehmen sowohl in Zürich als auch im Raum Genf die Fühler aus. Die Ausschreibungskriterien Zutrittsschutz und Betriebssicherheit hatten höchste Priorität. Ein wichtiger Aspekt war zudem der Standort. Daher konzentrierte man sich schliesslich auf die Umgebung von Zürich und zog fünf Anbieter in die engere Wahl. Das neue Rechenzentrum sollte nach Möglichkeit in einer anderen geografischen Kammer, aber dennoch nicht allzu weit entfernt vom bereits bestehenden Rechenzentrum liegen. Nach sorgfältiger Evaluation traf D+H die gleiche Entscheidung wie sein bisheriger Colo-cation-Partner SIX – und wechselte ins Data Center von Green.

Migration unter Zeitdruck

Aufseiten von D+H war Raymond Lambot, Head of System Engineering, federführend für die Evaluation und Migration des Rechenzentrums. Er beschreibt die Gewährleistung der Verfügbarkeit als besonders herausfordernd. So galt es einerseits, das operative Geschäft weiterzubetreiben, andererseits musste eine komplizierte Migration geplant und durchgeführt werden. Lambot entschied sich dafür, Metrocluster zu bilden und den Umzug der virtuellen Server gestaffelt vorzunehmen. Zur Komplexität kam Zeitdruck. Im September 2016 musste das bisherige Rechenzentrum geräumt sein. Ende 2015 wurde der Vertrag mit Green unterzeichnet, ab April 2016 hatte D+H Zugang zum Data Center in Lupfig und konnte mit dem Aufbau der Server- und Storage-Umgebung beginnen. Im Mai liefen die ersten Geräte und im Oktober 2016 war die Migration komplett abgeschlossen. Die beiden Rechenzentren von D+H weisen nun etwa die gleiche Distanz zum Unternehmenssitz auf und verfügen über äquivalente Ressourcen. Beide könnten auch allein die komplette Last des Tagesgeschäfts bewältigen, die im Normalfall hälftig auf beide Rechenzentren verteilt ist. * Adrian Meyer ist Leiter Service & Operation bei der Green Datacenter AG Nächste Seite: Raymond Lambot im Interview

«Der Zeitplan war sehr sportlich»

Raymond Lambot ist Head of System Engineering bei D+H und hat das Umzugsprojekt auf Kundenseite federführend verantwortet. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen.
Computerworld: Wie haben Sie Ihren neuen Hoster ausgewählt, was waren die drei «Killerkriterien» bei der Evaluation? Raymond Lambot: Das neue Rechenzentrum musste die Vorgaben der Finanzindustrie und ihrer Regulatoren erfüllen, absolute Zuverlässigkeit im Zutrittsschutz und bei der Redundanz der Anlagen bieten und die Distanz zu unserem Rechenzentrum in Zürich musste passen. CW: Warum ist die Lage nahe Zürich so wichtig, müssen Sie denn noch oft vor Ort sein? Lambot: Durch die Virtualisierung sind wir kaum mehr vor Ort. Dass der Standort verkehrsgünstig liegt, ist allerdings ein Vorteil, wenn wir beispielsweise Hardware nachrüsten. CW: Hat es Ihre Entscheidung beeinflusst, dass Ihr ehemaliger Partner SIX ins gleiche Data Center gewechselt ist? Lambot: Dieser Punkt war für uns wichtig. So waren wir sicher, dass wir den Anforderungen der Finanzindustrie genügen. CW: Welche Projektphase war die schwierigste? Lambot: Die Planung des Wechsels und die Wahl der richtigen Mi­grationsstrategie waren die grössten He­rausforderungen. Wir konnten uns für die Migration höchstens ein Zeitfenster von einigen Stunden an einem Wochenende erlauben, in dem die Services nicht verfügbar waren. CW: Welche Migrationsstrategie wurde gewählt? Lambot: Das neue Rechenzentrum von Grund auf neu auszurüsten, kam nicht infrage. Eine Big-Bang-Migration mit einer Downtime von zwanzig Stunden war ebenfalls ausgeschlossen. So war für mich klar, dass wir die Gelegenheit nutzen, um unsere SAN-Technologie zu erneuern. Wir bildeten Metrocluster, um ein neues Niveau der Hochverfügbarkeit mit unserer VMware-Umgebung zu erreichen. Die virtuellen Server aus dem bisherigen Rechenzentrum haben wir erst nach Zürich migriert und dann von dort nach Lupfig. So waren wir auch in der Lage, Tests bei hoher Last durchzuführen, ohne das operative Geschäft zu beeinträchtigen. CW: Gab es einen Zeitpunkt, an dem Sie ins Schwitzen gekommen sind? Lambot: Der Zeitplan war sehr sportlich. Wir waren auf die volle Unterstützung von Green angewiesen, um so schnell den eigenen Cage zu beziehen. CW: Gab es einen Plan B für den Fall, dass die Migration nicht klappt? Lambot: Wir hatten eine Vereinbarung, dass wir noch länger im alten Rechenzentrum hätten verbleiben dürfen – die Zeit war allerdings begrenzt. CW: Was würden Sie anders machen, wenn Sie noch einmal vor der gleichen Aufgabe stünden? Lambot: Man lernt in jedem Projekt dazu. Grundsätzlich sind wir mit dem Resultat wie auch mit der Vorgehensweise aber sehr zufrieden. CW: Waren die laufenden Kosten ein Thema und ist es Ihnen gelungen, hier zu sparen? Lambot: Durch den Einsatz von Virtualisierung ist es uns tatsächlich gelungen, die laufenden Kosten weiter zu senken.


Das könnte Sie auch interessieren