Modularer Wandel 28.02.2011, 06:00 Uhr

SOA für Versicherungen

Versicherungen bauen zunehmend auf Standard-Software, die auf Service-orientierten Architek­turen basiert. Um ein reibungsloses Zusammenspiel der seit Langem stabil laufenden Altsysteme zu garantieren, ist eine Kombination verschiedener Integrationsmodelle nötig.
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Der Autor ist freier Journalist in Zürich. Adcubum AG Bei den Versicherungen hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel statt­gefunden. Statt weiter in teure Legacy-Systeme zu investieren, sind viele dabei, ihre gewachsenen IT-Landschaften an die neuen Infrastrukturen anzupassen und den Funktionsvorsprung neuer Anwendungen in ihre Altsysteme zu integrieren. Das ist besonders deshalb für die Branche wichtig, weil sie jahrzehntelang erfolgreich auf selbst entwickelte Software-Programme gesetzt hat, die stabil liefen – und vielfach noch laufen. Dennoch zeigt sich heute, dass diese heterogenen, historisch entstandenen IT-Systeme mit zunehmendem Alter nur noch aufwendig zu warten sind. Ihre Anpassungsfähigkeit an die rasant wachsenden gesetzlichen Vorgaben (Compliances), an die Revisions-sicherheit oder an die nachgefragte Mobilität der Vertriebswege ist innerhalb der Legacy-Systeme kaum mehr effizient abzu­wickeln und mit hohen Kosten verbunden. Den Ausweg aus diesem Dilemma weist Standard-Software. Sie erlaubt aufgrund ihrer Agilität, neue Bausteine oder Module unkompliziert in bestehende Landschaften zu integrieren. Mit einer solchen Standardlösung löst man auch im Projekt Excelsior beim grössten Schweizer Krankenversicherer Helsana individuelle Systeme ab. «Standard-Software», sagt Alfred Jacober, Mitglied der Direktion und Gesamtprojektleiter Excelsior, «orientiert sich inklusive ihrer dynamischen Weiterentwicklung an den Kunden- und Marktanforderungen und erschliesst damit Innovationen, die nicht nur von einer Seite kommen, sondern von allen Kunden und vom Markt selbst getragen und getrieben werden.» So verfolgen die Versicherer bei der Erneuerung ihrer Systeme keinen Big-Bang-Ansatz, sondern setzen auf eine schrittweise Einführung moderner Software. Sukzessive werden die aktuellen Programme in die vorhandene IT-Landschaft integriert, ohne das ganze System abzulösen. Das dreijährige Helsana-Projekt (2009 bis 2012) erschliesst in vier Releases, von denen zwei bereits eingeführt sind, mit tech­nischen Verbesserungen konkrete Effizienz­potenziale in der Leistungsabwicklung. «Bei den Verwaltungs- und Betriebskosten können wir damit bis zu 15 Prozent der aktuellen Kosten im Leistungsbereich einsparen», sagt Jacober.

Koexistenz von Alt und Neu

Obwohl der Umbau bei den Assekuranzen im Vergleich mit anderen Industrien relativ spät einsetzte, ist er inzwischen in vollem Gang, laufend werden neue Ablösungsprojekte bekannt. Dieser späte Weg in die IT-Industrialisierung hat den Vorteil, dass man heute keine Experimente mehr machen muss. Sukzessive werden die aktuellsten Möglichkeiten zum Ausbau servicebasierter Infrastrukturen genutzt. Konkret können heute die Fachspezialisten in den Versicherungen neue Funktionen aufschalten, ohne dazu auf ihre IT-Spezialisten zurückgreifen zu müssen: Parametrierung ist dabei, die Programmierung abzulösen. Damit sind die Fachabteilungen freier in der Gestaltung des Produktportfolios, während die IT-Abteilungen von der Sisyphusarbeit der Detailanpassungen entlastet werden und sich ganz ihren Kernaufgaben im eigentlichen Workflow oder bei den Webapplikationen widmen können. Die Agilität einer derartigen Software-Lösung, also die zeitnahe und problemlose Verfügbarkeit modular konzipierter Applikationen an der richtigen Stelle, verschafft den Versicherungen Startvorteile beispielsweise bei der Gestaltung neuer Produktangebote.

Keiner will mehr zurück

Bei der Helsana konnten mit der Erhöhung des Automatisierungsgrads die Prozesse beschleunigt werden. So ist beispielsweise die Basis für eine automatisierte Prüfung  von Leistungs­erbringerverträgen geschaffen worden. «Detaillierte und belegübergreifende Prüfungen sind in Excelsior bereits realisiert», führt Jacober aus. Zudem wurden schon in den ersten Phasen des Projekts verschiedene Altapplikationen und -Systeme abgelöst: «Keiner will mehr auf die Legacy-Systeme zurück», resümiert der Projektleiter schon jetzt. Kein Wunder, dass aufgrund solcher Erfolge inzwischen praktisch alle Software-Hersteller die Branche mit standardisierten Lösungen zu bedienen vorgeben. Das wichtigste Kriterium für die Auswahl einer solchen modernen Software ist jedoch zugleich das grösste Problem: Die Adaption und Integration der neuen Programme in die Altsysteme müssen garantiert sein. Nur Software-Anbieter, die eine Symbiose aus Standard- und Individuallösungen liefern können und für jeden Anwendungsfall die richtige Kombination der verschiedenen Integrations- und Entwicklungsmodelle zur Verfügung stellen, haben hier eine Chance.
 

Beispiel: Drei Modelle, eine Software

Indem eine Infrastruktur die Standard- und Individual-Software serviceorientiert vereint, verbindet sie die Vorteile beider Welten und erreicht eine höhere Flexibilität und Integra­tionsfähigkeit. Auf dieser Basis werden die Versicherer in die Lage versetzt, ihr Schadensmanagement zu verbessern, präzise Leis­tungsabrechnungen zu erstellen, schwarze Schafe effizienter herauszufiltern und ihre Prozesse transparent abzubilden. Damit sind zugleich die Haupttreiber für den Einsatz neuer Software bei den Versicherungen benannt. Denn im Vergleich zur verbesserten Prozess­effizienz und zum ausgebauten Schadens­management ist das Einsparpotenzial bei den Verwaltungs- und IT-Kosten noch gering. Die St. Galler Adcubum Software Solutions, IT-Partner der Helsana, adressiert diese Probleme zum Beispiel mit fertigen Modulen. In deren Software Syrius haben die Entwickler ein dreistufiges Adaptions- und Integrationskonzept implementiert: Parametrieren, Integrieren und Erweitern. Anpassungen oder Parametrierung erfolgen über das Setzen von System­einstellungen bereits in der Standard-Software. Das Integrationskonzept erlaubt dann die Verknüpfung der Standardapplikationen mit den Alt- und Individualanwendungen. Zum einen lassen sich von den Fremdsystemen Anwendungen der Standard-Software aufrufen und umgekehrt können über ein Interceptoren-Konzept Ereignisse aus der standardisierten Software an andere Systeme weitergereicht werden. Interessant ist hierbei, dass weder für die Integ-ration in die Altsysteme noch für deren weiteren Betrieb zusätzliche Investitionen nötig sind. Das Erweiterungskonzept schliesslich ermöglicht den individuellen Aus- oder Aufbau spezifischer Module. Dieser erfolgt über einen individuellen Programmcode, der wiederum auf dem Framework der Standard-Software beruht. Die einzelnen Funktionen werden dafür in eigenständigen Quellcode-Repositories ent­wickelt. Und, was noch keineswegs für jede Lösung in diesem Bereich selbstverständlich ist, auch bei der Parametrierung wird grundsätzlich die Aufwärtskompatibilität oder Release-Fähigkeit garantiert. Da alle Daten revisionssicher gehalten werden, lassen sich im Übrigen auch alle Änderungen in der Parametrierung jederzeit nachvollziehen. Schnittstellen sind verfügbar und Ausbauten, beispielsweise über das Service- oder Interceptoren-Konzept, jederzeit möglich.

Schneller Reaktionsfähig

Der Nutzen der neuen Lösung lässt sich konkret an der Agilität der verbesserten Schadens­abwicklung ablesen. Die transparenten Prozesse erlauben den Fachabteilungen, Funk­tionserweiterungen selbst vorzunehmen. Und die IT-Abteilungen verbrauchen ihre Kapazitäten nicht mehr für Routineaufgaben, sondern können sich beim Workflow auf das Erarbeiten von Konkurrenzvorteilen konzentrieren. Nicht mehr der Versicherer, sondern der Software-Anbieter entwickelt die Anwendungen weiter und stellt die entsprechenden Updates bereit. Da durch die Integrationsfähigkeit der Standard-Software Medienbrüche ausgeschaltet sind, steht einer problemlosen Zusammen­arbeit der Assekuranzen mit ihren externen und internen Partnern auch über ein weitverzweigtes Netzwerk nichts mehr im Wege. Die hinzugewonnene Agilität durch modular verfügbare Services erlaubt gezielt, einzelne Komponenten in die eigene IT-Architektur einzubinden und an vorhandene oder neue Geschäftsprozesse anzupassen. Die Versicherungen werden in die Lage versetzt, in Koexistenz mit den laufenden Legacy- und Neusystemen, ihre Applikationen sukzessive zu erneuern. Statt eine Anwendung zu definieren, um dann die entsprechenden Programme dafür zu schreiben, werden einfach bereitstehende Services abgerufen. Ob es um ein schnelles «Time to Market» für neue Module oder kostengünstige Anpassungen geht, die Altsysteme sind dabei immer integriert.


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