21.03.2014, 08:45 Uhr

Wer beliefert den Bund?

Die Digitalisierung des Geschäftsverkehrs in der Bundesverwaltung ist beschlossene Sache. Dabei gilt die Lösung der österreichischen Fabasoft als gesetzt. Schweizer Anbieter haben aktuell das Nachsehen. Mit einer WTO-Ausschreibung könnte sich das ändern.
Der Bund digitalisiert seinen elektronischen Geschäftsverkehr. Eine österreichische Firma gilt bisher als Favorit für den Auftrag. Schweizer Anbieter wollen das ändern
Niemand sollte die Geschäftsprozesse in der Bundesverwaltung besser kennen als die Schweizer selbst. Und niemand sollte besser wissen, wie sich die Geschäftsprozesse mithilfe von Computertechnologie abbilden und optimieren lassen – das liegt auf der Hand. In der Bundesverwaltung übernimmt aber vielerorts die österreichische Fabasoft-eGov-Suite die elektronische Geschäftsverwaltung. Die Code-Basis stammt also einerseits nicht aus Schweizer Programmierstuben und wird andererseits auch in deutschen sowie österreichischen Behörden genutzt. Die Software ist jedoch an hiesige Erfordernisse angepasst und jeweils auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Departemente zugeschnitten. Ausserdem, so argumentiert der Anbieter, gäbe es in den unterschied­lichen Ländern viele Gemeinsamkeiten in der Verwaltungsarbeit. «Beispiele sind Anforderungen an die Lösung wie Registraturplan und die Grundprinzipien der Nachvollziehbarkeit», sagt Klemens Berger, Direktor von Fabasoft Schweiz. Auch das liegt auf der Hand. Dennoch ist die grossflächige Verbreitung von Fabasofts «eGov-Suite» in der Bundesverwaltung einheimischen Anbietern ein Dorn im Auge.

Historische Gründe

Seit mittlerweile 15 Jahren regelt und steuert der Bund seine Geschäftsprozesse mithilfe von Software. Im Jahr 1999 fand die bis anhin einzige öffentliche Ausschreibung zu einer sogenannten «Gever»-Lösung statt. «Gever» ist der Sammelbegriff für «elektronische Geschäftsverwaltung». Damals erhielt Fabasoft den Zuschlag. Bereits in den Departementen ins­tallierte Systeme anderer Hersteller wurden eingefroren – unter anderem openGeko (heute iGeko) der schweizerischen ABF Informatik. In den folgenden Jahren wurde Fabasoft in diversen Departementen ausgerollt, aber nicht in der gesamten Bundesverwaltung. Gründe sollen Software-Probleme und unzufriedene Benutzer gewesen sein. So blieben die bestehenden Installationen der Wettbewerberprodukte vorübergehend in Betrieb. Der Status änderte sich auch nicht, als 2005 der Bund mit Fabasoft einen Rahmenvertrag zur Standardisierung der Gever-Lösung schloss. Andere Anbieter wie ABF Informatik scheiterten mit ihren Standardisierungsbestrebungen an administrativen Hürden: «Die Standardisierung setzt eine WTO-Ausschreibung voraus. Als openGeko eingekauft wurde, war das WTO-Abkommen noch gar nicht in Kraft», erinnert sich Paul Hostettler, Verkaufsleiter von ABF Informatik. Lesen Sie auf der nächsten Seite: das Projekt Gever Office

Das Projekt Gever Office

Mit dem Ziel, auf der Basis von Standard-Software selbst eine Lösung für die elektronische Geschäftsverwaltung zu entwickeln, lancierte das Bundesamt für Informatik (BIT) 2007 das Projekt «Gever Office». Hier war Microsoft SharePoint die Grundlage. Nach vier Jahren Entwicklungszeit und Tests in diversen Departementen stoppte der damals neue BIT-Direktor Giovanni Conti das Projekt. Die Fortführung sei wirtschaftlich nicht vertretbar, liess sich Conti damals zitieren. Bis zum Abbruch verschlang «Gever Office» rund 7,8 Millionen Franken. Viel Geld für nichts, denn einen Fortschritt bei der Verbreitung der elektronischen Geschäftsverwaltung beim Bund brachte das Projekt nicht. Allerdings hatte Fabasoft nun ganz offiziell einen Konkurrenten, und Wettbewerb belebt ja bekanntlich das Geschäft. Wer gegen die Österreicher antritt, steht aber bis heute nicht fest. Bis sich ein Mit­bewerber in einer WTO-Ausschreibung findet, muss der Betrieb der aktuell eingesetzten Gever-Lösungen gewährleistet sein. Dafür wurden vorübergehend 2,8 Millionen Franken an Lizenzgebühren und Wartung an Fabasoft überwiesen. Weitere 6,1 Millionen Franken könn­ten hinzukommen, wenn die bestehenden Systeme bis Ende 2015 weiterlaufen müssen. Allerdings ist zu erwarten, dass es schneller geht. Für den Sommer dieses Jahres wird in der Branche auf eine WTO-Ausschreibung zu Gever gehofft.

Welche Lösung?

Die Einführung einer elektronischen Geschäftsverwaltung in allen Departementen ist 2008 vom Bundesrat beschlossen worden. Damals war die Vorgabe, bis Jahr 2015 sämtliche Geschäftsprozesse in der Bundesverwaltung elektronisch abzuwickeln – ein durchaus rea­listisches Ziel, meinen Experten. Die grösste installierte Basis besitzt zweifellos Fabasoft. «In der Schweizer Bundesverwaltung haben wir 12 000 Lizenzen verkauft», erklärt Fabasofts Schweiz-Chef. Die eGov-Suite werde in der Bundeskanzlei und den sieben Departementen eingesetzt – mit unterschied­lichem Ausrollgrad. Der Konkurrent ABF Informatik kommt nach Auskunft von Verkaufsleiter Hostettler in vier Departementen auf rund 4000 User. Die i-engine von the i-engineers kommt als Speziallösung auf 100 Benutzer in einer Abteilung des VBS. Im Bakom und im UVEK ist ausserdem – als Gever-Vorstufe – ein Dokumentenmanagement des Berliner Lieferanten Optimal Systems in Betrieb. Die drei letztgenannten Hersteller – zwei Schweizer und ein deutscher Anbieter – dürften sich für die anstehende Gever-Ausschreibung gute Chancen ausrechnen. ABF-Informatik-Manager Hostettler spekuliert darauf, dass nicht die installierte Basis, sondern die Ausschreibungskriterien entscheidend sein werden, also gute Bedienbarkeit, Mobilunterstützung, Schnittstellen, Berücksichtigung neuster (eCH-)Standards und Wirtschaftlichkeit. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Standards für Gever

Standards für Gever

Klemens Berger von Fabasoft rechnet sich für seine erprobte Lösung die besten Chancen aus – angesichts der grossen installierten Basis eine nachvollziehbare Annahme. «Fabasoft hat einen Rahmenvertrag mit der Eidgenossenschaft zur Standardisierung der Gever-Lösung abgeschlossen», betont er. Dem hält ABF-Mann Hostettler entgegen, dass auch standardisierte Produkte alle fünf Jahre bestätigt werden müssten. Standardisierung ist also kein Freifahrtschein für einen Gever-Lieferanten. Garantiert muss hingegen die Implementierung von eCH-Standards in die Software sein. Sowohl Fabasoft als auch ABF beherrschen diese Dis­ziplin selbstredend. «Wir sind bemüht, unseren Kunden die relevanten eCH-Standards rasch zur Verfügung zu stellen», sagt der Fabasoft-Direktor. Auf die Frage nach den Kosten relativiert er: «Implementierungsaufwand entsteht häufig dadurch, dass Gever-Vorhaben auch organisatorische Vorarbeiten beim Kunden bedingen.»

Mehr als eine Installation

In der Praxis wird eine Gever-Einführung nur allzu oft mit der Beschaffung eines IT-Systems verwechselt. Der Fokus liegt dadurch auf der Informatik und nicht auf den Veränderungen, die auf die Organisation und die Angestellten zukommen – das wissen auch die Anbieter. «Nicht nur das konkrete Produkt ist für den
Erfolg von Gever entscheidend», sagt etwa ABF-Verkaufsleiter Hostettler. Prozessoptimierung, Management- und Mitarbeiter-Commitment zählten hier viel mehr. Allerdings sei die Ein­führung von Computertechnologie für die Geschäftsverwaltung heute für den Endanwender einfacher als früher: «Durch moderne Technologie im Privatleben sind die User eher bereit, ein komfortables Produkt mit Suche und Übersichtslisten im Arbeitsalltag einzusetzen.» ABFs iGeko werde aktuell dafür optimiert: Die webbasierte Software soll eine für Mobilgeräte und sichere BYOD-Szenarien zugeschnittene Oberfläche bekommen. Womöglich fällt der nächste Launch just mit der öffentlichen Ausschreibung der Gever-Lösung zusammen. Dann könnten die Geschäftsprozesse der Bundesverwaltung auch mit Schweizer Apps für Smartphones und Tablets abgewickelt werden.


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