Fachartikel 07.04.2014, 10:36 Uhr

Wie Ticketing-Software funktionieren sollte

Grossveranstaltungen kommen heute nicht mehr ohne Online-Ticketschalter aus. Die Kunden verlangen es und nehmen dem Anbieter dadurch auch noch Arbeit ab. Allerdings muss das System dem Ansturm der Besucher auch gewachsen sein. Die Lösung: eine Hype-resistente IT-Umgebung.
Der Autor ist Geschäftsleiter der Aspectra AG.
Tickets online kaufen: Für Besucher von Konzerten, Festivals oder Sportanlässen ist es eine Selbstverständlichkeit, für die Veranstalter jedoch eine Heraus­­-
for­derung. George Egloff ist CEO von Tixtec, des ersten Schweizer Anbieters für Ticketing als Software as a Service und ehemaliger Ticket­corner-CEO. Er sagt: «Die wenigsten Veranstalter können sich eine eigene hochperformante Plattform leisten, die Hypes standhält. Lagern sie das Ticketing an eine Vertriebsgesellschaft aus, geben sie den Kontakt zum Kunden aus der Hand.» Das Ticketing als SaaS-Lösung kann diese Lücke schliessen. Für Tixtec konzipierte Aspectra als Hoster eine dedizierte System­architektur, die auf Hypes ausgelegt ist, ohne Kos­ten durch Überprovisionierung zu generieren.

Aufgabe: hype-sicher & flexibel

Für den Veranstalter ist es ein Erfolg, wenn ein Konzert innert Minuten ausverkauft ist. Die Systeme und Server hinter einer Ticketing-Software müssen also auf extreme Hypes ausgelegt sein. Ein langsamer Ticketshop oder gar Ausfälle haben direkte finanzielle Folgen und vergraulen sowohl die Endkunden als auch die Veranstalter. Neben der Software war der Betrieb deshalb von Beginn weg eine tragende Säule für das neue Angebot. Die Anforderungen an die Funktionalität waren daher in doppelter Hinsicht hoch: Zum einen muss die Software dem Endkunden die gängigen Möglichkeiten bieten wie Print@home, mobilen Zugriff und verschiedene Zahlungsmöglichkeiten. Darüber hinaus soll sie den Veranstaltern ermöglichen, Clubmitgliedschaften und Saisonkarten zu
verwalten, das Layout der Tickets an die Veranstaltung anzupassen sowie das Merchandising über dieselbe Plattform abzuwickeln. Das Backoffice braucht zudem dynamische Reporting- und CRM-Funktionalitäten.

Umsetzung: Lasttests

Nach der Evaluation der Software legte Tixtec Wert auf die enge Zusammenarbeit aller Partner. Der Software-Anbieter Toptix und Aspectra als Betreiber führten die Startworkshops gemeinsam durch. Aspectra brachte als Hoster ähnlich gelagerter Anwendungen die Erfahrung ein, Lösungen skalierbar zu bauen. Eine Folge aus den Workshops: Die Software-Entwickler parallelisierten die Anwendung. Das bedeutet, dass mehrere Instanzen parallel dasselbe tun können, ohne sich in die Quere zu kommen. Tixtec plante keinen Senkrechtstart, sondern eine schrittweise Umsetzung. «Wir benötigten eine Umgebung, die wir bei Bedarf rasch ausbauen können», erklärt George Egloff. Um die Systemlimiten zu kennen, wurden nach jedem Release und jeder Einführung von neuen Funktionen umfangreiche Lasttests durchgeführt. Sie dienten dazu, die Funktion der Software und die Kapazitäten der Infrastruktur auszuloten. Aber auch, um die Performance von Kredit­kartengesellschaften und anderen Zahlungsprovidern bei Hypes zu testen. Unter Labor­bedingungen konnten so bis zu 300000 Tickets pro Stunde verarbeitet werden. Lesen Sie auf der nächsten Seite: virtueller Warteraum

Architektur: virtueller Warteraum

Der extreme Anstieg von Benutzeranfragen innert sehr kurzer Zeit – sogenannte Hypes – gehören im Online-Ticketing zum Alltag. Der Shop muss einem Ansturm standhalten, ohne Per­formance-Einbussen oder gar Ausfälle. Um dies sicherzustellen, verfügt die Anwendung über einen virtuellen Warteraum. In den eigentlichen Shop werden nur so viele Kunden geleitet, wie das System parallel korrekt verarbeiten kann. Hat ein Kunde seine Tickets bestellt und bezahlt, gibt er seinen Platz im Shop für den nächsten Kunden frei. Damit ist der Vorgang aber noch nicht zu Ende: Was, wenn ein Kunde nach dem Kauf seine Quittung nochmals anschauen oder die Tickets ein weiteres Mal downloaden möchte? Die Lastverteiler sind so umgesetzt, dass bestehende Kunden auf solche Funktionen auch während eines Hypes direkt zugreifen können, ohne sich noch einmal hinten anstellen zu müssen. Der Lastverteiler ist Dreh- und Angelpunkt beim Online-Ticketing. Bei der Tixtec-Lösung ist er dafür zuständig, weitere Software-Instanzen zu bedienen, die bei einem Hype zugeschaltet werden. Damit Benutzerdaten zwischen den parallel arbeitenden Instanzen nicht synchronisiert werden müssen, übernimmt der Last­verteiler die Aufgabe, einen Benutzer auf immer dieselbe Software-Instanz zu leiten. Nicht zuletzt ist der Lastverteiler auch dafür zuständig, den sicheren HTTPS-Verkehr sicherzustellen. Auch diese Funktion entlastet die Ticketing-Software von Rechenleistung und Konfigura­tionsaufwand.

Betrieb: klare Rollentrennung

Der sichere Gesamtbetrieb der Anwendung hängt massgeblich von einer klaren Aufteilung der Verantwortlichkeiten und Aufgaben ab. Die Rollen sind zahlreich: Das Callcenter für Endkunden und Veranstalter, die Betreiber von In­frastruktur, Anwendung und Zahlungsdienste und der Entwickler der Software müssen reibungslos zusammenarbeiten. Aspectra verantwortet dabei den Betrieb von Infrastruktur und Anwendung. Der Hoster beherbergt in seinen Rechenzentren die gesamte Produktions- und Testumgebung als voll vir­tualisierte Systeme. Bei Hypes stellt Aspectra genügend Systemressourcen bereit und nimmt die nötigen Instanzen der Software in Betrieb. Nicht alle Ressourcen sind dabei dynamisch: Die Anbindung an das Internet und die Pay­mentprovider beispielsweise müssen permanent über die entsprechenden Kapazitäten beziehungsweise Bandbreiten verfügen. Dasselbe gilt für die Mailgateways, da jederzeit ein Veranstalter einen Versand initiieren kann. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Nagelprobe

Ausblick: Nagelprobe

Nach einem Silent Launch und ersten Bewährungsproben sollen in naher Zukunft auch Grossveranstaltungen via Tixtec abgewickelt werden. Das Risiko für Zwischenfälle haben die Partner durch die enge Zusammenarbeit und die von Beginn an umgesetzte Skalierbarkeit minimiert. Denn Überraschungen kosten im Online-Ticketing rasch grosse Summen.
Das Projekt
Aufgabe: Online-Ticketing als SaaS, skalierbar Umfang: Ausstellung von bis zu 300?000 Tickets pro Stunde Verwendete Technologien: Microsoft Windows Server mit SQL Server 2012, VMware ESXi, Riverbed Stingray Zeitrahmen: Juli 2013 bis Januar 2014 Dienstleister: Toptix Ltd. (Software-Lieferant), Aspectra AG (Hoster)


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