11.02.2015, 10:48 Uhr

Dokumentenverarbeitung der Zukunft

Mit dem Wechsel vom rein physischen zum elektronischen Versand ist das Ziel einer modernen Dokumentenlogistik noch lange nicht erreicht. Gewünscht ist der direkte Austausch von Rohdaten über eine zentrale Output-Instanz.
Der Autor ist Regional Manager bei Compart Northern Europe.
Bei der klassischen Dokumentenver­arbeitung werden aus Fachanwendungen wie ERP oder CRM die Rohdaten in für den Menschen lesbare Inhalte umgewandelt, dann formatiert, also als A4-Dokument aufbereitet, dieses wird gedruckt und schliesslich an den Empfänger geschickt. Dort geht die Verarbeitung den gesamten Weg wieder zurück: Das gedruckte Dokument wird durch Einscannen elektronisch verfügbar gemacht, durch OCR in Text zurückverwandelt, dieser deformatiert und schliesslich werden die Rohdaten extrahiert (vgl. Grafik). Oder anders ausgedrückt: Digitale Dokumente, die an sich von Maschinen gelesen und verarbeitet werden könnten, bringt man erst in eine analoge Form (Druck) und wandelt sie in TIF- oder JPG-Dateien um. Der eigentliche Inhalt wird zuerst verschlüsselt (Rasterbilder) und dann wieder mittels OCR maschinenlesbar gemacht. Das ist nicht nur umständlich, sondern geht mit dem Verlust semantischer Strukturinformationen einher, die für eine spätere Wiederverwendung notwendig sind. Der Umweg ist auch deshalb problematisch, weil er sich am Seitenformat A4 orientiert. Dieses eignet sich für Druck, Fax und Archiv, wohl aber kaum für mobile Endgeräte und Web. Viel besser wäre es doch, nur die Rohdaten zu transferieren. Mit anderen Worten: Erstellung und Versand eines Dokuments müssen ausserhalb der jeweiligen Fachanwendung stattfinden. Die Wahl der Seitengrösse und des Ausgabekanals erfolgt in diesem Fall nicht in der Fachanwendung, sondern von ihr losgelöst zu einem viel späteren Zeitpunkt als heute allgemein üblich.

Ist PDF-Versand noch zeitgemäss?

Sicher ist die Umstellung auf den inzwischen allgemein üblichen elektronischen PDF-Versand ein wichtiger Schritt, um den eingangs beschriebenen Kreislauf abzukürzen. Es ist aber eben nur ein Anfang. Dem PDF-Dokument werden in der Regel keine Metadaten für die mehrkanalfähige Aufbereitung beigegeben. Zwar sind Technologien wie XMP dafür entwickelt worden, Metadaten in einem elektronischen Dokument zu hinter­legen, sie auf Empfängerseite automatisch auszulesen und in die jeweilige Fachanwendung zu übernehmen. Auf diese Weise soll die Automatisierung in der Dokumentenverarbeitung weiter forciert werden. Doch das Ende der Fahnenstange ist damit noch lange nicht erreicht – zumal auch PDF auf einer fixen Seitengrösse wie A4 basiert und daher für den Versand zum Beispiel auf mobilen Endgeräten wieder mühsam deformatiert werden muss. Es wäre hier also nicht viel gewonnen, denn Deformatierung und Dekomposition sind komplex  und meist nur mit teuren Tools machbar.

Drehscheibe für die Daten

Wie sieht also die Dokumentenverarbeitung der Zukunft aus? Die eleganteste Methode ist zweifelsohne, eine Schnittstelle zu den reinen Daten zu schaffen, losgelöst von Seitenformat, Layout und Kanal. Denn nur so lassen sich Dokumente jedes Typs und Formats auch wirklich für alle digitalen und physikalischen Kommunikationswege effizient aufbereiten. Für Unternehmen bedeutet das: Sie müssen Erstellung und Versand voneinander trennen und eine zentrale Dokumenten- und Output-Management-Instanz etablieren. Diese Drehscheibe entscheidet aufgrund  definierter Regeln und Kriterien der Fachabteilungen (z.B. Vertrieb, Marketing, Service), welche Daten in welchem Layout und Format auf welchem Kanal ausgegeben werden; natürlich immer auf den jeweiligen Empfänger bezogen. Der Sachbearbeiter wird dadurch entlastet – schliesslich soll er sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Das ist aber nicht der einzige Vorteil. Vielmehr bekommt man auch einen zuverlässigen Überblick darüber, welche Dokumente das Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum verlassen haben. Den Report kann man dann natürlich nach verschiedenen Kriterien gestalten. Dieses Monitoring ist ein nicht zu unterschätzender Nutzen, denn viele Firmen wissen nicht genau, wie viel insgesamt gedruckt, gefaxt und elektronisch versendet wird. Was fehlt, ist der 360-Grad-Blick im Dokumentenmanagement. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Senden auf allen Kanälen

Senden auf allen Kanälen

Streng genommen bedeutet Multi-Channel-Kommunikation also die Loslösung von einem bestimmten Seitenformat, damit jedes Dokument auf jedem Kanal ohne Umwege wie Deformatierung ausgegeben werden kann. Denn heute kommunizieren Kunden ja auf unterschiedlichen Kanälen mit einem Unternehmen: Beispielsweise will ein Kunde seine Versicherungspolice nach wie vor als Papierdokument haben, seine monatliche Abbuchungsmitteilung aber als E-Mail-Anhang oder am besten gleich auf sein Smartphone. Mit anderen Worten: Das jeweilige Versandmedium wird bei jedem Geschäftsvorgang neu gewählt. Und das kann eben nur in einer zentralen Verarbeitung erfolgen, in der alle dokumentenbezogenen Kommunikationswege zusammenlaufen; zumal man damit auch flexibler bei der Anbindung neuer Kanäle ist.

Wegbereiter HTML5

In diesem Zusammenhang hat HTML5 der modernen Dokumentenverarbeitung den Weg geebnet. Die textbasierte Auszeichnungs­sprache gibt schon heute auf mobilen Geräten wie iPhone, iPad und Android-Smartphones den Ton an. Kein Wunder, können Inhalte in HTML5 doch problemlos für alle elektronischen Aus­gabekanäle aufbereitet werden, für Smartphone-Apps genauso wie für Webseiten. Der Ausdruck auf Papier und die Konvertierung in PDF-
Dateien bleiben weiterhin möglich. HTML5 ist derzeit das intelligenteste Format für die grös­sen- und kanalunabhängige Erstellung und Darstellung von Dokumenten. Es ermöglicht eine dynamische, grössenabhängige Darstellung, beispielsweise von A4 zum Smartphone-Display, die Konvertierung beliebiger Layouts in textorientierte Formate, die Extraktion von Einzeldaten (unter anderem die Rückgewinnung von Rechnungs­positionen) und den Aufbau von Inhaltsverzeichnissen und Indexlisten.

Fazit: Ausgabe möglichst spät

In Zeiten von Multi-Channel ist das «Malen» von A4-Seiten mit Page-Kompositions-Tools der falsche Weg, weil das Zielformat alles zwischen 2 und 24 Zoll sein kann. Stattdessen sollte man in eine Dokumentenlogistik investieren, die in der Lage ist, die Daten der jeweiligen Fachanwendung entgegenzunehmen und sie empfänger- und kanalgerecht aufzubereiten. Gefragt ist also eine IT, die den gesamten Kreislauf der Dokumentenbewirtschaftung in einem zentralen System abbildet, und zwar für alle Applikationen, die Dokumente produzieren. Dazu hinterlegt man als Geschäftslogik klar definierte Regeln für das Corporate Design, die Ausgabeformate und die Behandlung von Metadaten. Nicht immer kann deutlich aus­einandergehalten werden, was Daten und was Dokumente sind. Doch über eines sollte man sich im Klaren sein: Je weiter die Entscheidung über den Ausgabekanal in der Dokumenten­logistik nach hinten rückt, je stärker dadurch Geschäftsvorgang und Erstellung voneinander getrennt sind, desto flexibler bleibt man als Unternehmen.
Komposition versus Formatierung - Versuch einer Abgrenzung
Komposition ist nicht zu verwechseln mit Formatierung (Rasterization). - Komposition ist die Erzeugung von Inhalt und Layout unter Berücksichtigung von Sprach- und Geschäftslogik. - Formatierung bedeutet, Inhalte auf ein Ausgabegerät zu «pressen». -Komposition ist Kunst, Formatierung ist Handwerk. -Komposition und Formatierung müssen voneinander getrennt werden, weil Ersteres unabhängig vom jeweiligen Kanal erfolgt, während die Formatierung kanalabhängig ist.


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