24.05.2013, 09:50 Uhr

Aargauer Gemeinden führen BPM ein

Die drei Aargauer Gemeinden Aarburg, Rothrist und Strengelbach rüsten sich für die eGovernment-Zukunft. Sie dehnen das von Bund und Kanton geforderte interne Kontrollsystem für Finanzprozesse auf alle Verwaltungsabläufe aus.
Die drei Aargauer Gemeinden Aarburg, Rothrist und Strengelbach rüsten sich für die eGovernment-Zukunft
Der Autor ist Geschäftsführer von Soreco Publica, der auf eGovernment, Geschäftsprozesse und eCH-Standards spezialisierten Tochtergesellschaft des Schweizer BPM-Software-Herstellers Soreco.
Die Anforderungen an öffentliche Verwaltungen haben sich in den letzten Jahren stark verändert: Der Kostendruck steigt, gleichzeitig sollen die Angebote sowohl für Unternehmen als auch für Bürger vielfältiger und kundenfreundlicher werden. Die Gemeinden sind einerseits von Gesetzes wegen verpflichtet, mit den Finanzen sorgfältig umzugehen, andererseits stehen ihnen grössere Herausforderungen der digitalisierten Gesellschaft bevor, die sich in der eGovernment-Strategie des Bundes und den neuen eCH-Standards für Geschäftsprozessmanagement niederschlägt. Diese beiden Themen – die Kontrolle der finanziellen Risiken zur Wahrung einer sparsamen Verwendung der Mittel und die Erfüllung von Anforderungen an kommende eGovernment-Dienstleistungen – haben sich die drei Aargauer Gemeinden Aarburg, Rothrist und Strengelbach zu Herzen genommen: Sie dehnen das vom Kanton geforderte interne Kontrollsystem (IKS), das den Fokus vor allem auf die Minimierung der Risiken von Finanzprozessen legt, auf sämtliche Geschäftsprozesse der Verwaltung aus. Voraussetzung dafür – und Grundlage der eGovernment-Strategie des Kantons – ist ein nachhaltig aufgebautes
Geschäftsprozessmanagement. «Die geltenden Gesetze und Verordnungen, nach denen sich unsere Verwaltungstätigkeit richtet, bergen erhebliche Risiken, die nicht zu unterschätzen sind», sagt Stephan Niklaus, Gemeindeschreiber von Aarburg. «Dies betrifft bei Weitem nicht nur die Finanzprozesse. Man denke beispielsweise an die Nichteinhaltung von Fristen oder an Formfehler und die daraus entstehenden Haftpflichtforderungen.» Da sowieso vom Kanton die Auflage besteht, ein IKS einzuführen, habe man sich entschlossen, gleich Nägel mit Köpfen zu machen und ein professionelles Business Process Management (BPM) für sämtliche Führungs-, Kern- und Support-Prozesse einzuführen, wie es in der Privatwirtschaft gang und gäbe ist. Um für eine vernetzte Verwaltung gerüstet zu sein, sollen bei dem Vorhaben auch die gängigen Standards und Vorgaben der Business Process Model and Notation (BPMN) in der Version 2.0 berücksichtigt werden. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Fähnlein der drei Aufrechten

Fähnlein der drei Aufrechten

Doch weshalb gehen nur die drei genannten Gemeinden diesen innovativen Weg in Richtung moderne Geschäftsverwaltung, Qualitätsmanagement und medienbruchfreie Geschäftsführung? «Zu Beginn waren es viel mehr Gemeinden im Bezirk Zofingen, die sich für das Projekt interessierten», sagt Niklaus. Weil BPM nun aber nicht zum Kerngeschäft einer Gemeindeverwaltung gehört und um eine professionelle Sicht und Beurteilung von aussen zu gewährleisten, haben sich die Gemeindeschreiber 2011 entschieden, einen externen Berater hinzuzuziehen. Gemeinsam führten 13 Gemeinden des Bezirks Zofingen einen Workshop durch, von denen noch sieben am Vorprojekt zur Definition einer Roadmap teilnahmen. Schliesslich blieben noch drei der grösseren Gemeinden des Bezirks übrig, die den Initialaufwand zur Optimierung der betrieblichen Abläufe auf sich nehmen wollten: Aarburg, Rothrist und Strengelbach entschieden im Sommer 2012, sämtliche Verwaltungsprozesse IT-gestützt und gemäss den eGovernment-Standards abzubilden, zu optimieren und zu dokumentieren. «Die Wahl nach der Tool-Eva­luation fiel schliesslich auf Soreco Publica, da das Unternehmen bereits gute Referenzen in öffentlichen Verwaltungen vorweisen konnte und wir sowohl für die Beratung und Schulung als auch für die Software einen einzigen Ansprechpartner haben», sagt Niklaus, der in dem Projekt die Leitung übernahm und seither auch als Ansprechpartner gegenüber Soreco amtet.

Bestandsaufnahme

In einem ersten Realisierungsschritt werden die Leistungen inventiert und die Prozesslandkarten definiert. Gemeinderäte und Verwaltungskader haben eine erste grobe Risikobeurteilung vorgenommen. «Anhand dieser Grundlagen werden wir die zu beschreibenden und zu optimierenden Prozesse priorisieren», skizziert Nik-laus den weiteren Projektverlauf. In jeder der drei Gemeinden werden zwei Mitarbeitende beauftragt, nach einer entsprechenden Schulung die Prozesse mit dem Software-Tool Modeller der BPM-Suite Xpert.ivy aufzunehmen und neben der Effizienzsteigerung auch Massnahmen zur Minimierung der Risiken zu definieren. Dabei gilt es beispielsweise, Kontrollaktivitäten so zu definieren, dass sie in die einzelnen Prozesse integriert sind. «Wenn die zuständigen Mit­arbeitenden genau wissen, was wann zu tun ist, werden Kontrollen auch wirksam.» Lesen Sie auf der nächsten Seite: Richtig Kommunizieren

Richtig Kommunizieren

Der Information und Kommunikation komme dabei eine besondere Bedeutung zu, meint Niklaus: «Um die Prozesse möglichst effizient und fehlerfrei abzuwickeln, kann man nicht mehr im stillen Kämmerchen seine Arbeit verrichten. Die Kommunikation zwischen den Abteilungen muss innerhalb eines Prozesses respektive an der Schnittstelle ein fest definierter Prozessbestandteil sein.» Um für die Prozessaufnahme geeignet zu sein, müsse ein Mitarbeitender deshalb auch gewisse Anforderungen erfüllen: Er muss die Verwaltung gut kennen und die Bereitschaft haben, abteilungsübergreifend zu denken und die Kundenorientierung zu verbessern. «Schliesslich geht es darum, zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu produzieren und dabei immer den Fokus auf den Kunden zu legen. Dazu muss jemand auch Abläufe infrage stellen können», ist Niklaus überzeugt.

Gemeindeübergreifende Arbeit

Zur Prozessaufnahme und -optimierung müssen also die Abteilungen stärker zusammenarbeiten. Im Falle Aarburg hat man von jeder Abteilung die zehn wichtigsten Prozesse ins Leistungsverzeichnis aufgenommen. Diese werden intensiv auf Durchgängigkeit, Effizienz und Qualität geprüft. Untergeordnete Prozesse, die hinsichtlich der Risikobildung unbedenklicher erscheinen, werden vorerst nicht modelliert. Sind die Prozesse einmal definiert und Verantwortlichkeiten zugeteilt, werden sie mit dem Modul Publisher für die Mitarbeitenden veröffentlicht. Die Abbildung eines Prozesses besteht aus einem Ablaufdiagramm, zu dem auch Dokumente und Risiken hinterlegt werden können. In dieser Form können sie zu einem späteren Zeitpunkt mithilfe weiterer Module der BPM-Suite digitalisiert und automatisiert werden. Genauso wichtig wie das abteilungsübergreifende Denken ist die Zusammenarbeit der Gemeinden untereinander. «Eine Verwaltung muss bei der Optimierung der Verwaltungs­abläufe nicht alles alleine machen. Viele Abläufe gleichen sich, so können sich Gemeinden die Überprüfung der Prozesse aufteilen», sagt Nik-laus. So würde die Last auf mehrere Schultern verteilt und man profitiere beim Austausch der Prozesse auch von den Erfahrungen der Kollegen. Selbstverständlich gilt es auch, allfällige unterschiedliche Dringlichkeiten und personelle Ressourcen zu berücksichtigen, um sich auf eine gemeinsame Roadmap einigen zu können. Im Falle der drei Aargauer Gemeinden werden die wichtigsten Prozesse im ersten Halbjahr 2013 aufgenommen, beurteilt und entsprechende Verbesserungsmassnahmen ausge­arbeitet. Ziel ist es, spätestens bis Ende Jahr die Minimalanforderungen des Kantons an das IKS gegenüber der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission zu erfüllen. Danach wird das IKS weiter auf alle relevanten Geschäftsprozesse ausgebaut. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Fit für die Zukunft

Fit für die Zukunft

«Mit den Mitteln des Geschäftsprozessmanagements werden Abläufe nicht a priori besser. Durch die neue Darstellungsform müssen sie aber automatisch im Detail geprüft werden, um Durchgängigkeit und damit letztlich Effizienz und Qualität zu gewährleisten», meint Niklaus. Dank der Datenbank stünden darüber hinaus die relevanten Informationen zu allen Verwaltungsprodukten jederzeit zur Verfügung, was beispielsweise bei einem Arbeitnehmerwechsel die Einhaltung der Qualitätsansprüche begünstigt. «Mit unserem geschäftsprozessbasierten internen Kontrollsystem verfügen wir über ein Mittel, unsere bestehenden Dienstleistungen zu optimieren, und haben gleichzeitig die Grundlage für die digitale Abwicklung der Leistungserbringung geschaffen», lautet das Fazit des Aarburger Gemeindeschreibers. Mit ihrem internen Kontrollsystem ebnen Aarburg, Rothrist und Strengelbach den Weg in die eGovernment-Zukunft. Durch eine organisa­tionsübergreifende Vernetzung der administrativen Lasten können die damit verbundene Kosten für Privatpersonen und Unternehmen deutlich reduziert werden.
Das Projekt
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Umfang: Wichtigste Führungs-, Kern- und Support-Prozesse aller Abteilungen
Zeitrahmen: Innerhalb von 12 Monaten (bis Ende 2013) Minimalanforderungen des Kantons erfüllen


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