19.05.2014, 16:04 Uhr

10 Marketing-Trends, und wie Sie davon profitieren

Facebooks Stern sinkt, der Tablet-Boom geht zu Ende, visuelle Inhalte und Twitter explodieren. Adobe-Analystin Gaffney gibt Tipps, wie Schweizer Unternehmen optimal davon profitieren.
Auf dem Adobe Digital Marketing Summit in London skizzierte Tamara Gaffney die Marketing-Trends der Zukunft.
Legendär ist das Henry Ford zugeschriebene Zitat: «Die Hälfte meiner Werbekosten ist hinausgeworfenes Geld, ich weiss nur nicht, welche Hälfte.» Ford lebte von 1863 bis 1947, und in diesem vordigitalen Zeitalter tappten die Werber tatsächlich, was den Erfolg ihrer Kampagnen angeht, weitestgehend im Dunkeln. Werben war wie Stochern im Nebel. Bauchgefühl statt Zahlen und Fakten gaben den Ton an. Mit schlagwortgesteuerten Google Ads, Cookies, Facebook-Analysen und Click Through Rates hat sich die Situationen jedoch grundlegend geändert. Im digitalen Universum werden User, Kunden und Surfer transparent. Jetzt wird Erfolg messbar und das ist gut. Kunden verhalten sich aber auch wankelmütiger als noch zu Zeiten Henry Fords. Sie wechseln schnell den Anbieter, auch Treuebonuspunkte als Kundenbindungsmassnahme ändern daran nur bedingt etwas. Erfolgsentscheidend ist es daher, digitale Trends rechtzeitig zu erkennen, um früher und stärker als die Konkurrenz davon profitieren zu können. Auf dem Adobe Digital Marketing Summit in London blickte Tamara Gaffney in ihre Kristallkugel. Gaffney ist Principal Analyst bei Adobe Digital Index. Diese 10 Trends werden demnach Suchmaschinen, Facebook, Twitter und Konsumentenverhalten in den kommenden zwei Jahren prägen:

1) Google wichtig, Bing unterschätzt, Facebook schlecht

Natürlich beherrscht Google das Web, und wer eine möglichst grosse und heterogene Zielgruppe erreichen will, kommt an Google nicht vorbei. Gaffney rät jedoch dazu, auch Bing nicht zu unterschätzen. Zwar mag Microsofts Suchmaschine noch ein Dornrösschendasein führen, die sogenannten Konversionsraten, also die Klicks, die letztlich zum gewünschten User-Verhalten führen (Click through Rates, CTR), fallen bei Bing höher aus als bei Google und Facebook. Und der Vorsprung wächst: Im Februar 2014 erreichte Bing CTRs von 2,93 Prozent, Google 1,93 und Facebook 0,44 Prozent. Gaffney mutmasst aber, dass Facebook in Zukunft mit frischen Initiativen auf den Markt kommen wird.

2) Suchergebnisse werden visueller

Google hat vor etwa einem Jahr einen kostenpflichtigen Auktionskanal gestartet, der auf die sogenannten Product Listing Ads (PLAs) in Google AdWords zurückgreift. Produkte werden mit Foto/Abbildung, Preisen und Links angezeigt. Da ein Grossteil des bislang kostenlosen Traffics nun mit Gebühren verbunden ist, steht der E-Commerce vor einem tiefgreifenden Wandel. Googles PLA-Business sei erst ein Jahr alt, und bereits heute grösser als das, was Bing und Yahoo! bislang auf die Beine gestellt haben. Google wird sicher alles daran setzen, diesen Erfolg in den nächsten zwölf Monaten zu wiederholen.

Empfehlung: Richten Sie ihr Augenmerk auf hochwertige, attraktive Grafiken/Produktfotos, um im sich abzeichnende PLA-Krieg die Nase vorn zu haben. Nächste Seite: Werbekosten steigen, aber nicht der ROI

3) Werbekosten steigen um 10 bis 20 Prozent bis 2015

Neue Angebote wie PLA (siehe 2) erhöhen die Grösse und Trefferquote für die anvisierte Zielgruppe, treiben deshalb aber auch die Cost-per-Click-Preise (CPC) in die Höhe. Gaffney rechnet mit einer Steigerung zwischen zehn und 20 Prozent bis 2015. Der erwartbare Return on Invest (ROI) werde mit dieser Kostensteigerung nicht mithalten können.

4) Kreative Inhalte - insbesondere Sportvideo - explodieren

Von Q4 2012 bis Q4 2013 ist die Anzahl der ins Netz gestellten Videos um 440 Prozent gestiegen. Besonders stark, um 640 Prozent, explodierten Videos zu sportlichen Ereignissen. Die Fussballweltmeisterschaft in Brasilien wird sicher dazu beitragen, dass diese Boom-Quote auch in diesem Jahr keine nennenswerten Einbrüche erleidet. Konsumenten betrachten die Streifen bevorzugt auf mobilen Geräten wie Tablets und Smartphones. Jedoch können die Smartphones einen leichten Vorsprung im Benutzerverhalten für sich verbuchen. Nicht ohne Grund also betätigen sich auch IT-Unternehmen als Sponsoren sportlicher Wettkämpfe. SAP sponserte das eidgenössische Schwing- und Älplerfest, engagiert sich mit seiner Hana und mobilen Apps in der deutschen Fussballbundesliga. Microsoft hat seine Liebe zur Formel 1 entdeckt.

5) Der Tablet-Boom geht zu Ende

Die Tablet-Verkaufszahlen haben sich in den letzten Monaten 2013 konsolidiert. Der Tablet-Boom scheine zu Ende zu gehen, mutmasst Gaffney und unterfüttert ihre Prognose mit Zahlen. 23 Prozent der Tablet- und Smartphone-User haben ein Smartphone mit 5-Zoll-Display. 28 Prozent der Mobile-Device-Konsumenten sagen, sie würde weniger mit ihrem Tablet im Web surfen, wenn Sie ein Smartphone mit grossem Bildschirm besässen. Der Trend scheint sich zu drehen. Anbieter haben in den letzten Monaten mit unterschiedlichen Display-Formfaktoren experimentiert und scheinen jetzt endlich die «richtige» Bildschirmgrösse gefunden zu haben. Entwickler von Apps und mobilen Webseiten sollten sich darauf einstellen. Nächste Seite: So profitieren Sie vom IoT

6) Das Internet der Dinge geht 2016 richtig los

Wesentlich getrieben wird der IoT-Boom durch sogenannte Wearables, also am Körper tragbare mobile Geräte wie intelligente Uhren oder digitale Fitness-Trainer. Laut Gaffney würden Kunden über Wearables gerne Videos konsumiert. Obwohl der Video-Genuss durch die kleinen Displays doch sehr in Mitleidenschaft gezogen werden dürfte. Der Kamerabrille Google Glass stellt die Adobe-Analysten ein gutes Zeugnis aus und prognostiziert signifikant steigende Verkaufszahlen. Sie fokussiert damit aber vor allem den nordamerikanischen Markt. In Europa mit seiner leidenschaftlich geführten Privacy-Diskussion dürften die Absatzsteigerungen von Google Glass weitaus verhaltener ausfallen.

Empfehlung: Beginnen Sie damit, sich über eine Business-Strategie Gedanken zu machen, die das Internet der Dinge (Sensordaten, Wearables) für ihr Unternehmen nutzt. Konzentrieren Sie sich dabei mehr auf Smartphones als auf Tablets. Video-Inhalte sollten kurz, prägnant und von hoher Qualität sein.

7) Facebook schwächelt, Twitter und Tumblr wachsen

Punkto kommerzielle Leads schlägt Facebook zwar zurzeit locker Twitter und die Blogs-Plattform Tumblr. Aber der Wachstumstrend bei Facebook hat ins Negative gedreht, während die Leads, die von Tumlr und Twitter kommen, steigen. In den Quartalen Q3 und Q4 2013 wuchs der sogenannte Revenue per Visit (RPV), also der durch einen Besuch erzeugte Umsatz, bei Facebook um 31 Prozent, bei Twitter um 84 Prozent, bei Pinterest um 69 und bei Tumblr um 38 Prozentpunkte. In absoluten Zahlen liegt Facebook beim RPV zwar immer noch vorn (Details siehe Grafik links): Facebook (1,22 USD), Tumblr (1,10 USD), Pinterest (0,93 USD) und Twitter (0,83 USD). Fokussieren Sie sich jedoch nicht zu sehr auf die Zuckerberg-Plattform. Alternative Social-Media-Netzwerke werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen, während Facebook eine Pause einzulegen scheint. Nächste Seite: Google wird stärker, wie gut ist das?

8) Soziale Netze als vorauslaufender Erfolgsindikator

Produktnennungen in sozialen Netzen sind ein Indikator für den zukünftigen Verkaufserfolg. Bei Kinofilmen funktioniert dieser vorauslaufende Erfolgsindikator schon recht präzise und akurat. Für Unternehmen anderer Branchen sind die Netze ein zusätzlicher Parameter, der die Prognose von Abverkäufen sicherer macht.

9) Google Chrome wird stärkster Browser

Besonders mobile Nutzer werden dafür sorgen, dass Anfang 2015 Google Chrome der am weitesten verbreitete Browser wird. Microsofts Internet Explorer bleibt stark, muss aber die Führungsposition räumen. Firefox hat nach einem Hoch 2010/2011 abgebaut und ist unter 20 Prozent Marktanteil gerutscht. Safari steigt in der Gunst der Anwender, allerdings auf niedrigem Niveau und sehr langsam.

10) Links von Partner-Sites verlieren an Bedeutung

Links und Leads, die von Partner-Websites kommen, werden mehr und mehr an Bedeutung verlieren. Demgegenüber steigt die Bedeutung von Google. Dieser Trend wird durch Chrome und Googles noch recht neue Product Listing Ads (siehe Prognose 2) weiter angeheizt. Googles Anteil an kommerziellen Leads betrug nach Adobe-Analystin Gaffney im April 2012 13 Prozent, im April 2013 bereits 33 Prozent - Tendenz steigend. Dabei geht es um die sogenannten «dark» Leads, die ohne aktives Zutun des Surfers angezeigt werden.
Sich auf Basis dieser Zahlen vertrauensvoll auf Google zu konzentrieren birgt jedoch auch Gefahren: Zum einen werden neue Social-Media-Plattformen wie Tumblr oder Pinterest stärker. Zum anderen rechnet die Analystin in naher Zukunft mit einer ganz neuen Generation (mobiler) Betriebssysteme, die sich stärker am Trend Internet der Dinge - also Sensordaten und deren Auswertung - ausrichten. Ausserdem werden softwaregesteuerte Fahrzeuge einer neuen Generation von Betriebssystemen Vorschub leisten. Nach Vorreiter Google hat auch der deutsche Autobauer Daimler einen vielversprechenden Prototypen vorgestellt.


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