18.08.2011, 10:49 Uhr

«Denkende» Chips von IBM

IBM-Forscher haben sogenannte Cognitive Computing Chips präsentiert. Diese ahmen die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns nach.
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Der Cognitive Computing Chip von IBM
Forscher aus dem kalifornischen IBM-Forschungslabor in Almaden haben erstmals Prototypen einer neuartigen Klasse von Computerchips vorgestellt, die die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns hinsichtlich Wahrnehmung, Kognition und Reaktion in Grundzügen nachahmen. Der als Basis für die Forschungsarbeiten dienende Ansatz lautet «Cognitive Computing» und könnte zukünftig die Herstellung von lernenden Computern ermöglichen, die zudem um ein Vielfaches effizienter und kleiner sind als heutige Systeme.  

Die von den Forschern vorgestellten neurosynaptischen Computerchips enthalten Silizium-Schaltkreise und Algorithmen, deren Aufbau der Neurobiologie entnommen sind und ähnliche Abläufe ermöglichen wie sie zwischen Neuronen und Synapsen im Gehirn auftreten. Zwei erste Prototypen wurden bereits gefertigt und befinden sich derzeit in der Testphase. Beide Prozessorkerne wurden in 45-nm-SOI-CMOS hergestellt und enthalten 256 Neuronen. Ein Testchip enthält 262'144 programmierbare Synapsen, der andere 65'536 lernende Synapsen. Das IBM-Team konnte damit bereits einfache Anwendungen wie Navigation, maschinelles Sehen, Mustererkennung sowie assoziative Speicherung und Klassifizierung demonstrieren.

Von-Neumann-Architektur ade

Systeme, die auf dem nun vorgestellten Verfahren basieren, bilden eine Abkehr von der seit über einem halben Jahrhundert geltenden, so genannten Von-Neumann-Architektur, nach der die meisten heute verwendeten Computer aufgebaut sind. Zentrale Aussage der Architektur ist, dass ein Computer aus Rechen-, Steuer-, Eingabe- und Ausgabeeinheit sowie einem Arbeitsspeicher besteht und von definierten Programmen und Instruktionen abhängt, um Aufgaben durchzuführen, die Schritt für Schritt abgearbeitet werden.
In der Architektur von kognitiven IT-Systemen verschmilzt die Grenze zwischen Hard- und Software und ermöglicht darauf aufbauenden Computern durch Erfahrung zu lernen, Korrelationen zu finden und Hypothesen zu bilden. Auf diese Weise ahmen sie die strukturelle und synaptische Plastizität des menschlichen Gehirns nach.  

Bei der Entwicklung der Chips, die Teil der mehrjährigen Forschungsinitiative SyNAPSE ist, wurden Erkenntnisse und Wissen aus der Nano- sowie Neurowissenschaft und dem Supercomputing eingebracht. IBM und eine Reihe US-amerikanischer Universitäten haben zudem für die zweite Phase des SyNAPSE-Projektes Unterstützung in Höhe von 21 Millionen Dollar von der DARPA-Behörde (Defense Advanced Research Projects Agency) erhalten, die dem US-Verteidigungsministerium untergeordnet ist. 

Das Ziel von SyNAPSE ist es, ein Computersystem zu entwickeln, das nicht nur verschiedenartige sensorische Eingangsdaten gleichzeitig analysiert, sondern sich auch auf Basis seiner Interaktion mit der Umwelt dynamisch rekonfiguriert. Zudem geht es darum, ein System mit dem geringen Energieverbrauch und Volumen des menschlichen Gehirns zu entwickeln. Längerfristig möchten die IBM Forscher ein System mit 10 Milliarden Neuronen und 100 Billionen Synapsen realisieren, das weniger als 1 Kilowatt Energie verbraucht und ein Volumen von weniger als 2 Litern aufweist.  

«SyNAPSE ist ein wichtiges Vorhaben, um den Weg für Computer jenseits der Von-Neumann-Architektur zu ebnen», sagt Dharmendra Modha, Projektleiter vom IBM-Forschungszentrum Almaden. «Zukünftige Anwendungen der Informatik verlangen zunehmend nach Funktionalitäten, die mit der heutigen Architektur nicht mehr effizient genug umgesetzt werden können. Unsere Prototypen sind ein weiterer wichtiger Schritt in der Computerentwicklung. Sie läuten eine neue Generation von Computern und Anwendungen in Wirtschaft und Wissenschaft ein», fährt er fort.



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