Insieme 26.08.2015, 16:04 Uhr

50 Essen für 5,5 Millionen Franken

Nächste Woche beginnt der Insieme-Prozess. Der Anklageschrift ist zu entnehmen, dass die Beschuldigten über Jahre IT-Verträge gegen Essen, Fussball und Stripperinnen getauscht haben.
Am 1. September beginnt am Bundesstrafgericht in Bellinzona die Hauptverhandlung zum Insieme-Skandal. Hauptangeklagter ist der damalige Chef des Leistungsbezugs Informatik (LBO) der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Sowie seine zwei Kompagnons, die Geschäftsführer der beiden IT-Unternehmen BSR & Partner AG und At-Point AG. Dem ehemaligen Informatikchef der Steuerverwaltung wird vorgeworfen, zwischen 2008 und 2012 «unwahre Urkunden erstellt und Verträge über Informatikdienstleistungen mit zwei Privatunternehmen abgeschlossen zu haben», bei denen er «die Interessen des Bundes geschädigt und den beiden Unternehmen unrechtmässige finanzielle Vorteile von ca. Fr. 64'000.-- bzw. Fr. 41'000.--» gewährt haben soll. Die IT-Manager werden beschuldigt, «als Gegenleistung für Vertragsabschlüsse mit der Steuerverwaltung sowie im Hinblick auf solche Amtshandlungen Einladungen zu Essen und Veranstaltungen im Wert von total ca. Fr. 5'000.--» an den ESTV-Kadermann gewährt zu haben. 

Beizen, Stripclub und Fussballspiele

Der Tages-Anzeiger hat sich die 50-seitige Anklageschrift durchgelesen und kennt die Details: Der Beamte soll sich rund 50 Mal zum Essen eingeladen haben lassen. Teilweise in einfachen Beizen, teilweise in Luxusrestaurants in der Region Biel/Neuenburg. Zweimal soll der Hauptangeklagte mit seinen beiden Kollegen zudem nach Deutschland gereist sein und dort übernachtet haben. Einmal an das Champions-League-Spiel Bayern München gegen Basel, einmal an eine Messe in Augsburg. Beim zweiten Trip soll das Trio in einem Betrieb abgestiegen sein, an dessen Adresse ein Stripclub registriert ist. Dort soll jeder der Drei 266 Franken liegengelassen haben. Für diese gesamthaft rund 5000 Franken teuren Einladungen erhielten BSR&Partner respektive At-Point dutzende Aufträge der Steuerverwaltung für Insieme im Wert von über 5,5 Millionen Franken, die in zwei Fällen zu überteuerten Stundenansätzen abgerechnet wurden, wie die Staatsanwaltschaft festhält. Dabei soll dem Bund ein Schaden von gut 116 000 Franken entstanden sein. 

Breites Repertoire an Betrugsmethoden

Dem Beamten wird auch vorgeworfen, mehrmals gegen das Beschaffungsrecht verstossen zu haben. Durch gefälschte «Checklisten» soll er ein offizielles Ausschreibungsverfahren nur vorgetäuscht haben. So hat er gemäss «Tages-Anzeiger» unter anderem in einem Dokument vorgetäuscht, mehrere Anbieterfirmen zu einer Offerteingabe eingeladen zu haben, was aber nicht geschah. Auch das Zurückdatieren von Dokumenten oder das Verfassen falscher Offertablehnungen sollen dem (mutmasslich) betrügerischen Beamten leicht gefallen sein. Wenn am kommenden Dienstag der Prozess beginnt, ist durchaus möglich, dass noch weitere Fehlleistungen des Hauptangeklagten zum Vorschein kommen. Die Staatsanwaltschaft hat gemäss «Tagi»-Quellen nur aufgeführt, was hieb- und stichfest zu beweisen ist, um keine Niederlage zu riskiere

Das war Insieme

Seit 2005 wurde am Projekt Insieme gearbeitet, mit dem die eidgenössische Steuerverwaltung ihre teils 30-jährigen IT-Systeme ablösen wollte. Das Projekt entpuppte sich als eines der grössten IT-Flop-Projekte der Schweizer Geschichte. Insgesamt kostete Insieme den Steuerzahler einen dreistelligen Millionenbetrag, das Finanzdepartment und den Bundesrat einiges an Ansehen und den ehemaligen ESTV-Direktor Urs Ursprung den Job. Mittlerweile gibt es ein Nachfolgeprojekt, Fiscal-IT, das in der Spur zu sein scheint.



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