Praxis 23.09.2011, 13:43 Uhr

In-Memory-Appliance SAP HANA

Die In-Memory-Appliance SAP HANA analysiert riesige Datenbestände rasend schnell. Sind die traditionellen Data Warehouses wirklich so schlecht? Computerworld sprach mit zwei Experten, die es wissen müssen.
SAP-CTO Vishal Sikka: HANA steht im Zentrum all dessen, was wir tun.
Schneller analysieren, schneller entscheiden: In-Memory-Appliances locken mit signifikanten Wettbewerbsvorteilen. In der Schweiz haben sich davon schon Kunden wie Hilti und das Institut Straumann überzeugen lassen – beide setzen eine SAP HANA ein. Computerworld sprach mit Thomas Romer, Head of Storage/Server bei Fujitsu Technology Solutions, und Markus Andres, SAP Global SME, über Benefits, Zielmärkte und Anwendungsszenarien. Computerworld: SAP bietet seine In-Memory-Lösung HANA auf Fujitsu-Servern an, optimal konfiguriert und bereit für den produktiven Einsatz. Wie sieht das Angebot aus? Andres: SAP HANA wurde als Appliance konzipiert, um es Kunden möglichst leicht zu machen, die Lösung in Betrieb zu nehmen. Der Kunde hat bereits ein bestimmtes, performance-kritisches Einsatzszenario vor Augen und hat eine Vorstellung von den involvierten Daten-Volumina. Wir gehen zusammen durch ein Sizing, legen die Grössenverhältnisse fest. Romer: Fujitsu hat grosse Anstrengungen im Bereich der Vorkonfiguration unternommen und kann heute unterschiedliche Konfektionsgrössen von Small bis Extra Large, mit einer Arbeitsspeicherausstattung von 128 Gigabyte bis 2 Terabyte bereitstellen. Gutes Stichwort, ab welcher Unternehmensgrösse lohnt sich der Einsatz einer SAP HANA überhaupt? Andres: Entscheidend sind die Anwendungsszenarien und die dadurch zu erzielenden Resultate oder Wettbewerbsvorteile. Konkreter gefragt: Reicht für ein mittelständisches Unternehmen nicht ein kleines Data Warehouse oder eine schnelle Datenbank aus? Lohnt sich SAP HANA für einen Schweizer Mittelständler mit 250 bis 500 Mitarbeitern? Andres: Vielleicht. Sind die Volumen gross, ist die Rechtfertigung sehr einfach. Bei kleineren Volumina können treffsichere, schnelle Prognosen oder performantere mobile (BI-) Anwendungen den Einsatz einer SAP HANA rechtfertigen. Unser Kunde Nomura Research in Tokyo will zum Beispiel Störmeldungen aus dem Strassenverkehr auswerten. Mit diesen Informationen können Taxifahrer Staus ausweichen, unnötige Standzeiten vermeiden und dementsprechend mehr Umsatz generieren. Das Projekt steht kurz vor dem Abschluss. Ein weiteres, sich lohnendes Einsatzgebiet für SAP HANA wäre die präventive Bekämpfung von Kreditkarten-Betrügereien. Dazu müssen riesige Kreditkarten-Daten in Echtzeit analysiert werden, um sehr schnell entscheiden zu können, ob es sich um eine valide oder um eine gestohlene Karte handelt. Stromdiebstahl in Südamerika könnte man mit In-Memory-Analysen in Echtzeit wirksam eindämmen. Anomalien im Verbrauchsverhalten etwa gelten als ein stichhaltiges Indiz für Stromdiebstahl. Nur dürfen die Strompolizisten die Anomalien nicht erst Tage später entdecken, sondern müssen die Täter auf frischer Tat ertappen. Ein konkretes Projekt in Südamerika packen wir gerade an. Romer: Multidimensionale Daten sehr schnell auswerten zu können, darauf kommt es an. Das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam hat die entscheidenden Vorarbeiten geleistet. Nächste Seite: Was hält SAP von seinen Partnern HP und IBM? Sie haben drei eindrückliche Praxisbeispiele genannt. Ein Einwand aus dem Alltag der Unternehmen könnte aber lauten: Die Analyse der Daten dauert zwei Sekunden, aber zum Fällen der endgültigen Entscheide brauchen wir dann doch zwei Tage oder noch länger. Das macht den Geschwindigkeitsvorteil, den man sich mit In-Memory-Technologie erarbeitet hat, doch wieder zunichte. Andres: Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern die Chance geben, in die neue Technologie hineinzuwachsen. In-Memory wird ein Nachdenken über Entscheidungsprozesse in Gang setzen und sicher auch Veränderungen auslösen. Romer: Innovative Technologien haben immer auch die Unternehmenskulturen beeinflusst. Denken Sie an die Einführung des PCs vor einigen Jahrzehnten. Dann stehen uns also grosse Veränderungen bevor. Nicht nur in Echtzeit analysieren, sondern auch in Echtzeit entscheiden: das Top-Management wird mehr Entscheidungskompetenz an rangniedrigere Hierarchiestufen abgeben müssen. Andres: Unbestritten ist das Bedürfnis nach schnellen Entscheidungen, und die Entscheidungsgrundlage bilden die Daten. Fakt ist auch, dass sich Unternehmenskulturen stark voneinander unterscheiden: Auf der einen Seite steht das patriarchisch geführte Familienunternehmen, auf der anderen Seite ein Grosskonzern, der dezentral entscheidet. Punkto SAP HANA und Business Analytics partnert SAP nicht nur mit Fujitsu, sondern auch zum Beispiel mit HP. Was spricht für die gemeinsamen  HANA-Lösungen von SAP und Fujitsu? Andres: Die HANA-Lösung von SAP und Fujitsu ist eine voll integrierte Lösung auf Basis von Fujitsus Technologie. Was bei Fujitsu hervorsticht, ist die Agilität, mit der das Unternehmen unterwegs ist. Fujitsu ist der kleinste Hardware-Anbieter im Ranking, muss also etwas tun. Bei HP bewegt sich momentan ja auch einiges... Andres: Wir schätzen die Offenheit in der Partnerschaft mit Fujitsu. Das Unternehmen strengt sich stärker an als alle anderen Hardware-Partner von SAP. Grössere Hardware-Partner haben anscheinend auch grössere Schwierigkeiten damit, in der gebotenen Geschwindigkeit vorkonfigurierte Boxen auszuliefern. Fujitsu ist ein japanisches Unternehmen, HP ein US-amerikanisches. Zwar agieren beide Unternehmen auf internationalen Märkten. Dennoch: Betrachtet SAP die grössere Affinität Fujitsus zu den attraktiven asiatischen Märkten, die allein schon geografische Nähe zu China, als zusätzliches Plus? Andres: Wir registrieren eine sehr grosse Nachfrage aus asiatischen Ländern. Dort ist sehr viel mehr Bewegung im Markt als in Europa oder in den U.S.A. Japan ist ein Industrieland mit riesigen Industriekonglomeraten, also mit vielen, grossen, innovativen Unternehmen, die nachfragen. Sind wir in Europa zu gemütlich geworden? Romer: Nein, auf keinen Fall. Wir sind seit 40 Jahren Technologiepartner von SAP. In Walldorf arbeiten wir sehr eng zusammen, und es gibt dort eine Reihe grösserer Fujitsu-Installationen. In der Schweiz ist Fujitsu noch nicht so weit, hier sind wir noch ein Nischenplayer. Die Zusammenarbeit zwischen Fujitsu und SAP wurde noch nicht stark genug in den Schweizer Markt hinausgetragen, obwohl wir auch in der Schweiz einige Installationen haben. Nächste Seite: Was ist schlecht an Data Warehouses? Zur Konkurrenz: Der Advanced-Analytics-Anbieter Teradata vertritt die Ansicht, dass man mit In-Memory-Lösungen relativ schnell an eine obere Datenvolumengrenze stösst. Für klassische Data-Warehouse-Lösungen, wie sie Teradata anbietet, gilt das nicht. Mit welchen Argumenten würden Sie Kunden zu überzeugen versuchen, die sich zwischen Teradata und SAP entscheiden müssten? Andres: Wir rechnen heute mit einem Kompressionsfaktor zwischen 5 und 10. Damit können wir eine SAP-Datenbank komplett in den Arbeitsspeicher laden, die zwischen 10 und 20 Terabyte gross ist. Es gibt weltweit ganz wenige Unternehmen, die diese Grössenverhältnisse erreichen. Teradata spricht bereits vom Petabyte-Club, dem immer mehr ihrer Kunden beitreten. Da kann man mit In-Memory nicht mehr so viel ausrichten, oder? Andres: Ein multidimensionales Data Warehouse enthält auch viele redundante Daten, und diese vorgehaltenen Aggregate werden riesengross. Mit SAP SAP HANA werden keine Aggregate mehr gebildet, der Kunde spart dadurch extrem lange Ladezeiten. Was unseren Kunden heute weh tut, das sind die sehr langen Ladezeiten etwa vom ERP ins Data Warehouse, was auch immer das Produkt sei. Das fällt mit SAP HANA alles weg. Romer: Demnächst wird es von SAP HANA auch eine Multi-Node-Version geben, welche das Datenlimit der derzeitigen Single-Node-Version weiter nach oben schraubt, also ein Clustering mehrerer SAP HANA-Instanzen. Haben Sie Multi-Node-Clustering schon einmal beim Kunden im praktischen Einsatz erprobt? Andres: Nein, da müssen zuerst noch die jeweiligen Hardwarekonfiguration validiert werden. Gibt es denn bereits Kunden, welche die 2 Terabyte-Grösse, also komprimiert 10 bis 20 Terabyte, sprengen? Andres: Ein ganz prominentes Beispiel ist Apple, die ein ziemliches grosses Ding im Einsatz haben. Apples benutzt eine ganz spezielle Hardware-Konfiguration. Was kaum jemand weiss: Hinter Apples AppStore steht ein SAP-System, und Apple verspricht sich davon tiefere Einsichten ins Verhalten seiner Kunden. Die Installation steckt zwar noch im experimentellen Stadium, ist aber gigantisch gross. Interessante Pointe: SAP profitiert damit also vom grossen Erfolg Apples, der auch eine unangenehme Kehrseite hat: Apples kommt mit seinen riesigen Datenbeständen nicht mehr selbst zurecht. Andres: Ich denke, wir können da etwas helfen... Nächste Seite: Kann man mit SAP HANA in die Zukunft schauen? In einer SAP HANA-Appliance steckt nicht nur eine kolumnenorientierte Datenbank, die riesigen Datenvolumina in Echtzeit analysieren kann, sondern auch Analyse-Software von Business Objects. Was wären typische Einsatzgebiete für eine SAP HANA-Appliance von SAP und Fujitsu? Andres: Ein ganz typisches und weit verbreitetes Anwendungsszenario wäre Operational Reporting. Dafür bieten wir vorkonfigurierte Modelle in einem Meta-Layer an, die dann von den Frontend-Werkzeugen konsumiert werden können. Ein weiterer Business Case wären Profitabilitätsanalysen per CO-PA. Die anfallenden Daten werden klassisch in Echtzeit weggeschrieben und in SAP HANA repliziert. Die Analysen aber werden auf der Databasis von SAP HANA ausgeführt. Eine sanfte Renovation bestehender Prozesse, die es Unternehmen ermöglicht, von den Geschwindigkeitsvorteilen durch SAP HANA zu profitieren. Kann man mit SAP HANA in die Zukunft schauen, also etwa die Abverkäufe der nächsten Wochen verlässlich vorhersagen? Andres: Es gibt für einen Retailer nichts Schlimmeres, wenn ein Regal leer steht. Das ist ein Anwendungsfall, an dem wir arbeiten und von dem wir uns sehr viel versprechen. Romer: Retail ist ein gutes Beispiel. Der Trend geht in Richtung flexibler Preisschilder, die vom Computer je nach Tageszeit und Käuferprofil gesteuert werden, um den Absatz zu optimieren. Die Hausfrau kauft morgens ein, der ledige Mann kommt kurz vor Ladenschluss und erwartet ganz andere, auf ihn zugeschnittene Angebote.Fixe Preisauszeichnungen, wie wir sie heute kennen, werden bald der Vergangenheit angehören. Der Schweizer Retail ist an der Sache dran. Welche technischen Voraussetzungen muss ein Kunden erfüllen, der SAP HANA einsetzen will? Muss es ein SAP ERP sein? Andres: Die Data Services von Business Objects, Bestandteil der SAP HANA-Appliance, sind datenagnostisch und können jede Datenquelle wie Datenbank-Tabellen, Excel-Files oder ein Fremd-ERP, anziehen. SAP HANA ist völlig offen. Nächste Seite: Technische Voraussetzungen und Support Wie wichtig sind Support und Wartung beim Betrieb einer fertig konfigurierten SAP HANA-Appliance? Andres: Eine SAP HANA ist im Durchschnitt binnen zwei Tagen einsatzbereit. Fujitsu-Boxen sind so ausgelegt, dass man Komponenten im laufenden Betrieb austauschen kann. Wenn ein Lüfter oder eine Karte ausfällt, können wir im Betrieb tauschen. Trotzdem gilt es minimale Wartungszeitfenster etwa für Upgrades einzuplanen. Romer: Betriebssysteme wie Linux oder x86-OS setzen wir seit zehn Jahren ein. Auch dort passen Fujitsu und SAP gut zusammen. Gibt es konkrete Pläne, HANA mit SAP ERP auszuliefern? Andres: Das steht ganz klar bei uns auf der Agenda. Als erstes Produkt werden wir SAP Business Warehouse auf SAP HANA sehen. Die Ramp-up-Phase beginnt Ende des Jahres, die allgemeine Verfügbarkeit ist etwa für Mitte nächsten Jahres geplant. Andere Komponenten wie die Business Suite werden folgen. Schweizer und auch internationale Kunden haben bisher nicht gerade euphorisch auf SAP HANA regiert. Wie wollen Sie das ändern? Andres: Mittlerweile ist schon etwas Bewegung in den Markt gekommen. Die Pipeline wächst stetig an und wird noch zunehmen, denn viele Anwendungen wie RDS Operational Reporting mit Komponenten wie Sales, Accounting, Purchasing und Shipping sind seit Juli auf dem Markt. Ein CO-PA-Beschleuniger für Profitabilitätsanalysen wird im vierten Quartal verfügbar sein. Auch eine CRM-Pipeline-Analyse, um Quoten zu berechnenund Opportunitäten zu identifizieren, wird kommen. Hilti und das Institut Straumann haben sich in der Schweiz bereits für SAP HANA entschieden. Romer: Wir sind in der Schweiz marketingmässig bisher zu zaghaft aufgetreten. Deshalb haben Anbieter wie IBM oder HP im Schweizer SAP-Umfeld die Nase vorne. SAP HANA geht sehr einfach und schnell - binnen ein bis zwei Tagen - in Betrieb, und ist daher auch für Schweizer KMU eine interessante Option.


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