Weltpremiere 14.03.2016, 09:00 Uhr

Software-definierter Mainframe aus der Schweiz

Die LzLabs aus Wallisellen haben eine Methodik entwickelt, mit der Mainframekunden kostengünstig auf x86-Linux-Plattformen migrieren können. Der Clou: Die kompilierten Cobol-/Legacy-Programme - teilweise 30 bis 40 Jahre alt - können dabei unverändert übernommen werden.
Die Kernsysteme der Banken und Versicherungen laufen auf Mainframes. Auch wer eine Flugreise bucht, nimmt dabei - ohne es zu wissen - in den allermeisten Fällen die Services eines Mainframe in Anspruch. Die erprobten alten Eisen arbeiten zuverlässig und schnell. Das Problem ist nur: Die in Cobol oder PL/1 programmierte Software, die auf den Mainframes läuft, hat oft bereits 30, 40 oder sogar 50 Jahre auf dem Buckel. "Wir hatten einen Fall, da gab es den Compiler schon gar nicht mehr, mit dem die Cobol-Programme damals kompiliert worden sind", sagte Thilo Rockmann von den LzLabs aus Wallisellen während eines Redaktionsbesuchs zu Computerworld.

61 Prozent wollen weg vom Mainframe

Die meisten Unternehmen, die heute noch Mainframes einsetzen, wollen daher lieber heute als morgen auf innovativere und kostengünstigere Plattformen migrieren. Nur: Sie trauen sich nicht, denn die Migration ist voller Tücken. Business-kritische Applikationen zu migrieren sei eine grosse Herausforderung, gibt Rockmann zu. Weltweit gebe es noch etwa 3000 bis 5000 Mainframes, den Markt in Europa schätzt er auf 1000 bis 1500. Und von diesen Unternehmen wollen laut einer Studie von Vanson Bourne 61 Prozent innerhalb der nächsten zehn Jahre migrieren, weg vom Mainframe auf zukunftsträchtigere Plattformen.

Kompilierte Dateien bleiben unverändert

Rockmann und sein Team haben deshalb eine Migrationsmethode entwickelt, mit der sich die kompilierten Legacy-Programme unverändert auf x86er-Linux-Plattformen übertragen lassen. Er benutzt dafür einen "Managed Software Container", der die Aufrufe der alten EXE-Dateien - also die ausführbaren Programme - ans Betriebssystem des Mainframes abfängt und in Red-Hat-Linux-Aufrufe übersetzt. Der Container simuliert die alte Mainframe-Umgebung unter Linux. Der Vorteil: Die in Cobol oder PL/1 entwickelten und kompilierten EXE-Programme müssen nicht reprogrammiert werden. Das wäre nämlich zeitaufwändig und sehr teuer. Laut Vanson Bourne gibt es weltweit etwa 220 Milliarden Zeilen Cobol-Sourcecodezeilen im "aktiven Dienst". 71 Prozent der Fortune-500-Unternehmen hängen von Legacy-Systemen ab. Auf denen läuft Uralt-Software, die irgendwann ein Software-Entwickler programmiert hat, und heute steigt kaum jemand mehr durch.

Pilotkunden aus Banken-/Versicherungsbranche

"Was die Kunden wollen ist eigentlich ein kostengünstigerer Mainframe", sagt Rockmann, sah die Marktopportunität und gründete zusammen mit Vorstandsmitglied Walter Zemp 2011 die LzLabs in Wallisellen. Seine Migrationsmethodik wird zurzeit von zehn Pilotkunden - auch aus der Schweiz - getestet. Der Grossteil stammt aus der Banken- und Versicherungsbranche. "Als Schweizer Unternehmen gehen wir natürlich in erster Linie den Schweizer Markt an, Bedarf gibt es aber weltweit", erklärt Rockmann. Zemp und Rockmann waren auf Redaktionsbesuch bei Computerworld und zeigten uns einige Testroutinen für hierarchische und relationale Datenbanken, Online-Applikationen und Dateisysteme, mit denen Kunden austesten können, ob die auf RHEL-Plattformen migrierten Programme fehlerfrei laufen. Zum Einsatz kam dabei ein Intel NUC für etwa 1000 Franken. Auch an eine Migrationslösung auf Microsoft Azure wird gedacht. LzLabs will mit seinem software-definierten Mainframe im Laufe dieses Jahres auf den Markt kommen.



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