29.03.2016, 12:00 Uhr

«Wir sind an einem einfacheren Preismodell interessiert»

DSAG-Vorstand Christian Zumbach und SAP-Schweiz-Chef Bernd Brandl nehmen Stellung. Das Feedback der DSAG sei wertvoll, sagt Brandl. Vergesst den KMU-Kunden nicht, rät Zumbach. Einige Kunden denken über den Wechsel nach.
Die deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) vertritt die Interessen der Kunden. Christian Zumbach sitzt für Schweiz im Vorstand der Kundenvereinigung, Bernd Brandl führt die Schweizer Niederlassung der SAP. Natürlich ist die Zusammenarbeit nicht immer einvernehmlich. Das harte Ringen um den Enterprise Support ist vielen SAP-Kunden noch in guter Erinnerung. Zumbach und Brandl sprachen mit Computerworld über die digitale Transformation, Reibungsflächen und Schweizer Besonderheiten.
Herr Brandl, Herr Zumbach, wie ist das Verhältnis zwischen der SAP und der Anwenderorganisation der SAP-Kunden, der DSAG? Verstehen Sie sich gut?
Christian Zumbach: Die Zusammenarbeit ist sehr gut. Ich treffe mich mit Christoph Dangel von der SAP Schweiz etwa alle drei Monate, wir setzen uns zusammen und besprechen alles. In dringenden Fällen tauschen wir uns telefonisch aus.
Sprechen Sie auch über konkrete Wünsche von Schweizer SAP-Kunden?
Zumbach: Ja, ich gebe Kundenwünsche weiter.
Das ist ja auch ein wichtiges Feedback für SAP.
Bernd Brandl: Natürlich. Was konkrete Produktwünsche, strategische Themen und Preislisten angeht, haben wir über die letzten Jahre die Zusammenarbeit mit der DSAG auf eine sehr gute und erfolgreiche Basis gestellt.
Das Cloud-Geschäft von SAP ist im Vergleich zum Vorjahresquartal um 82 Prozent gewachsen. Laut DSAG-Investitionsumfrage 2016 ist das Interesse der Mitglieder an Cloud-Lösungen aber eher verhalten. Wer abonniert denn eigentlich diese Lösungen?
Zumbach: Speziell in der Schweiz sieht es etwas anders aus. 25 Prozent interessieren sich für die Cloud und in der DACH-Region haben sich immerhin 13 Prozent sehr positiv über die SAP-Cloud geäussert.
Warum interessieren sich mehr Schweizer für die Cloud als in den übrigen DACH-Ländern?
Zumbach: Die Schweizer sind schon immer innovativ gewesen und versuchen, sich vorwärtszubewegen. Aber ich glaube auch, dass es SAP Schweiz schafft, die Kunden mitzunehmen und für etwas Neues zu begeistern.
Schlägt sich das auch in den Umsatzzahlen nieder? Steht SAP Schweiz im Bereich Cloud besser da als andere SAP-Länder­niederlassungen?
Brandl: SAP Schweiz bewegt sich, was die Cloud-Umsätze angeht, schon auf einem relativ hohen Niveau. Wir stehen auch im internationalen Vergleich sehr gut da. Was Herr Zumbach sagt, kann ich nur bestätigen. Die Schweiz ist ein innovatives Land und lebt von Innovationen.
Die letzte DSAG-Investitionsumfrage hat ergeben: SAP-Kunden wünschen sich mehr Informationen über die SAP-Cloud, zum Beispiel über die S/4-Produktserie. Hat SAP ein Kommunikationsdefizit?
Brandl: Im Umfeld von S/4Hana höre ich das zum ersten Mal, weil wir dort ja wirklich viel kommunizieren. Trotzdem muss man jedes Kunden-Feedback ernst nehmen und darüber sprechen, ob noch Details fehlen, über die sich die Kunden schlecht informiert fühlen. In der Schweiz haben wir sehr früh ein Test-Lab für S/4Hana zur Verfügung gestellt.
Zumbach: 25 Prozent der Schweizer Mitglieder haben ein S/4Hana-Projekt gestartet, das ist doch schon recht viel. Man darf aber nicht vergessen: Die Schweiz hat viele KMU und dort braucht es vielleicht noch etwas Zeit, um S/4Hana einzuführen.
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Diesen Appell richtet die DSAG auch an die SAP: Treibt nicht nur eure Avantgarde-Lösungen voran, sondern vergesst auch den normalen KMU-Kunden mit seinem Standard-ERP nicht.
Brandl: Der Begriff KMU ist für mich ein starkes Understatement. Es hört sich immer so an, als ob diese Kunden klein und unwichtig wären. In Wirklichkeit sind sie in der Schweiz zu grossen Teilen international auftretende Unternehmen mit Weltruf. Auch der Schweizer Aufzugspezialist Schindler würde sich wohl selbst als KMU bezeichnen, ist aber ein weltweit agierender Konzern. Diese Kunden sind sehr wichtig für die SAP. Der grösste Teil meiner Mitarbeiter in der Schweiz arbeitet dediziert in diesem Markt­segment. Wir haben ausserdem unseren ganzen Partnerbereich neu aufgestellt und mit guten Führungskräften verstärkt.
Stichwort digitale Transformation: Sie hat unter Schweizer Unternehmen einen hohen Stellenwert. Aber wenn es darum geht, was ganz konkret im eigenen Unternehmen zu tun ist, dann – so glaube ich – herrscht oft eine gewisse Ratlosigkeit.
Zumbach: Das kann sein, weil die Veränderungen ja sehr schnell passieren. Wir diskutieren das Thema sehr intensiv. Es gibt noch keinen konkreten Fahrplan, aber wir sind dabei, ihn zu erarbeiten.
Brandl: Ich erlebe diese Ratlosigkeit nicht. Wir sprechen ja grösstenteils von sehr erfolgreichen Unternehmen, die sehr genau verstehen, was die Digitalisierung für sie bedeutet. Diese Unternehmen agieren sehr konkret, um am Markt erfolgreich zu sein. Ich bleibe einmal beim Beispiel Schindler: Michael Nilles ist nicht mehr CIO, sondern Chief Digital Officer und sitzt aus­serdem im Vorstand. Und da werden nicht nur die Labels ausgetauscht, Schindler trifft sehr innovative Entscheidungen.
Ein anderes Beispiel: Roche arbeitet an der mobilen, voll digitalisierten Betreuung von Risikopatienten, Diabetespatienten und Herz-Kreislauf-Kranken. Der behandelnde Arzt kann Fernanalysen durchführen und Ratschläge geben, wenn gesundheitskritische Werte überschritten werden. Wir sind mitten drin in der digitalen Transformation, nehmen das aber gar nicht mehr so wahr, weil wir täglich dabei sind.
Ist die digitale Transformation vor allem in den Bereichen Healthcare, Predictive Maintenance und Finance spürbar?
Brandl: Ich glaube, jede Firma in jeder Branche spürt das, weil sich die Beziehung zum Kunden anders darstellt und der Endkunde die Beziehung stärker bestimmt. Ein Beispiel: Durch die sozialen Medien bestimmt ja der Endkunde, wie er mit seiner Bank kommuniziert, und nicht mehr die Bank. Da werden Apps entwickelt und die bekommen – wenn sie gut und beliebt sind – in der Anwenderschaft in kürzester Zeit eine Riesenverbreitung.
Eine Bank kann sich diesem Druck gar nicht entziehen. Denn, wenn sie nicht bereit ist, sich über diese Apps auszutauschen, dann ist sie nicht mehr im Spiel. Dadurch erhält der Endanwender einen viel grösseren Einfluss auf die Software, die verwendet wird, auf die Anbieter und Hersteller. Vor 15 Jahren war das gänzlich anders, da wurde zentral entschieden, welche Software zum Einsatz kommt.
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Das Verhältnis zwischen SAP und der DSAG klingt im Grossen und Ganzen recht einvernehmlich. Gibt es Herausforderungen, die gerade heute unter den Nägeln brennen?
Brandl: Ich glaube, dass die Intensität der Zusammenarbeit zwischen SAP und der DSAG unterschätzt wird. In den Arbeitskreisen wird, teilweise seit Jahrzehnten, im Detail diskutiert, wie Lösungen, z. B. das Business Warehouse, weiterentwickelt werden sollen. Unser jetziger Technologievorstand Bernd Leukert hat das viele Jahre lang vorangetrieben und die DSAG-Vorstände sind über Non-Disclosure-Agreements sehr früh in strategische Entscheidungen der SAP eingebunden. Als wir S/4Hana auf den Markt gebracht haben, wussten die DSAG-Vorstände früher darüber Bescheid als andere.
Zumbach: Das war definitiv so.
Brandl: Und wir haben die DSAG vorher gefragt: Denkt ihr, dass das der richtige Weg ist, S/4Hana auf den Markt zu bringen oder glaubt ihr, wir sollten das anders machen? Die Zusammen­arbeit war über die letzten Jahre sehr konstruktiv. Natürlich vertritt die DSAG die Mitglieder und muss auch das eine oder andere kritische Thema an uns herantragen. Das stört uns aber überhaupt nicht. Die DSAG repräsentiert einen wichtigen Teil der SAP-Kundschaft. Ihr Feedback ist sehr wertvoll.
Ausser bei Lizenzpreisen, da werden die Auseinandersetzungen schon etwas heftiger.
Brandl: Was heisst denn heftiger? Das wird intensiv diskutiert und wir sind auch an einer Vereinfachung des Preismodells interessiert, aber so einfach ist es dann doch nicht.
Wird die Preis- und Lizenzfrage innerhalb der DSAG noch diskutiert?
Zumbach: Ich habe einige Anfragen erhalten, kann dieses Thema aber für Schweizer Kunden nicht beantworten, weil ich deren Verträge nicht kenne. Die Verträge sind individuell gestaltet und müssen mit der SAP individuell ausgehandelt werden. Die Kunden, die mir Feedback gegeben haben, haben ein Agreement mit der SAP Schweiz gefunden und sind zufrieden. Natürlich werden Lizenzen und Preise weiterdiskutiert, aber hinter verschlossenen Türen unter NDA, mit dem Vorstand der SAP.
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Nun sind auch Schweizer ERP-Anbieter wie Abacus und Opacc innovativ. Gibt es Überlegungen unter Schweizer Kunden zu wechseln, weil diese Anbieter vielleicht das Geschäft in der Schweiz besser verstehen?
Zumbach: Die gibt es. Es wäre ja nicht richtig, wenn das nie überlegt würde. Der Kunde muss sich damit auseinandersetzen, welche Software für ihn die beste ist. Aber die SAP ist innovativ, auch wegen der DSAG-Arbeitskreise, die der SAP rückspiegeln, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Was spricht für einen Schweizer Kunden eher für die SAP, was spricht eher für einen Schweizer Anbieter?
Zumbach: Das Schweizer Netzwerk und die Gemeindelösungen können durchaus eher für Abacus sprechen. Ab einer bestimmten Im­plementierungsgrösse aber höre ich öfter: Die Entwicklung in der Schweiz kommt nicht nach mit dem, was die SAP zu bieten hat. Und bei der SAP bin ich sicher, dass sie in zehn Jahren immer noch existiert, die Schweizer Firma vielleicht nicht mehr. Ich gebe nur das wieder, was ich höre. 



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