13.09.2011, 18:10 Uhr

Windows 8 auf dem Weg aufs Tablet

Mit Windows 8 will Microsoft sein Betriebssystem neu erfinden. Dazu führt der Software-Riese eine neue Benutzeroberfläche ein – das bewährte Interface wird zur App.
Anmeldebildschirm: Mit dieser Ansicht startet in Zukunft Windows 8
Der Einfluss des Endverbrauchermarktes auf die Unternehmens-IT ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Die Trends werden längst nicht mehr in Firmen gesetzt, der Endkunde entscheidet, was sich durchsetzt. Firmenanwender wünschen sich von der IT, dass sie am Arbeitsplatz die gleichen Werkzeuge benutzen dürfen wie zuhause. Nur die wenigsten CIOs können diesen Wunsch heute erfüllen und zum Beispiel das iPad in die Unternehmensinfrastruktur einbinden. Mit Windows 8 will es Microsoft der IT einfacher machen, auf die Erfordernisse der Fachanwender einzugehen. Wie Windows-Chefentwickler Steven Sinofsky an der Konferenz «Build» im kalifonischen Anaheim sagte, steht im Vordergrund des kommenden Betriebssystems die «Metro»-Oberfläche mit interaktiven und individuell konfigurierbaren «Kacheln». Das Interface ist für den Vollbildbetrieb ausgelegt – also ideal für grossflächtige und mit den Fingern zu bedienende Touchscreens.
Persönliche Einstellungen des «Metro»-Bildschirms und der «Kacheln» nehmen Anwender über reduzierte Bedienfelder vor, wobei die komplette Palette an Quellen zur Verfügung steht. Lokale Daten lassen sich genauso in die Oberfläche einbinden wie Facebook, Twitter, Flickr oder Medien von der Online-Festplatte SkyDrive. Mit wendigen Optionen und grosser Auswahl versucht Microsoft den Spagat zwischen vielen Möglichkeiten für versierte Anwender und Einfachheit für den Einsteiger.

Windows: Cloud oder Stick

Nichts ist lästiger als sämtliche Einstellungen neu vorzunehmen, wenn ein neuer Computer eingerichtet wird. Auf den ersten Blick wird diese Arbeit noch aufwändiger, wenn bald auch noch jede «Kachel» auf dem Windows-8-Startbildschirm abermals neu konfiguriert werden muss. Dieser Aufgabe nimmt sich in Zukunft das Betriebssystem an. Es sichert automatisch alle Einstellungen in einem geschützten Speicherbereich auf Windows Live. Dort meldet sich der Anwender nach einem Systemwechsel von seinem neuen PC aus an und bekommt die Konfiguration zurückgespielt. Unternehmenskunden bekommen zusätzlich die Möglichkeit, Windows 8 auf einem USB-Stick bereitzustellen. Das «Windows to Go» wird von der Speicherverschlüsselung BitLocker geschützt und kann an einem beliebigen Rechner betrieben werden. Zieht der Anwender den Stick ab, verschwindet das portable Windows 8 vom Host-System und hinterlässt dort keine Spuren. Damit könnten den Mitarbeitern fest zugeordnete Arbeitsplatz-PCs der Vergangenheit angehören. Nächste Seite: Desktop wird zur App
Im Büro wird womöglich künftig hauptsächlich in einer App gearbeitet: dem herkömmlichen Windows-Desktop. Hier laufen wie gewohnt die Programme in Fenstern. Dabei will Microsoft die Leistung im Vergleich mit Windows 7 nochmals optimiert haben. Etwa sollen sich Programme, die identische Speicherbereiche nutzen, kombinieren lassen, was den Ressourcenverbrauch reduzieren soll. Auch muss sich der Anwender nicht mehr zwingend um die Netzwerkverbindungen kümmern. Windows 8 wählt aus den verfügbaren Netzwerken – LAN, WLAN oder Mobilfunk – automatisch die beste Option und übergibt eine bestehende Verbindung ohne Mausklick oder Fingerstrich des Anwenders. Die automatische Netzwahl signalisiert das System auch den «Metro»-Apps auf der Windows-8-Oberfläche: Eine Foto-App lädt dann bei einer vergleichsweise langsamen und teuren Mobilfunkverbindung nur Bilder in niedriger Auflösung. Bei LAN-Anschluss bekommt der Anwender dagegen die Fotos in Originalgrösse präsentiert. Die «Metro»-Apps bekommen aber nicht nur Informationen vom Betriebssystem. Sie können auch Daten aus anderen Apps beziehen. Zum Beispiel kopieren Anwender Fotos aus unterschiedlichen Quellen wie Facebook, Flickr oder den lokalen Laufwerken zusammen in eine E-Mail. Eine App kann dabei Sender und Empfänger von beliebigen Daten sein, etwa LinkedIn-Statusmeldungen zeigen und die Profilbilder aus dem Netzwerk an die Foto-App übergeben.

Privates Outlook wird obsolet

Ein besonderes Gewicht bekommen die Apps E-Mail, Fotos, Kalender und Personen. Sie sammeln sämtliche von einem Anwender verknüpften Inhalte zusammen und präsentieren diese in einer Ansicht. E-Mail zeigt beispielsweise alle Nachrichten aus Hotmail-Konten, dem Exchange-Server im Büro und per POP3 eingebundene Services in einem Postfach an. Dabei ist transparent, woher die E-Mail stammt und via welcher Adresse geantwortet wird.
Das gilt auch für die Personen-App, die sich bei einer Onlineverbindung auch Daten aus Facebook oder Xing holt. Jedoch ist die Kommunikation einseitig, denn die Kontaktinformationen können nicht in die sozialen Netze zurückgeschrieben werden. Das verbieten die Geschäftsbedingungen der meisten Betreiber. Die Windows-App ist aber bemüht, Komplexität zu reduzieren. So stellt sie anhand von identischen E-Mail-Adressen etwa in LinkedIn und Xing nur einen Kontakt dar – anstatt die Person mehrmals aufzuführen. Nächste Seite: Zukunftsmusik Windows 8
Die Funktionsfülle in der kommenden Windows-Ausgabe soll laut Chefentwickler Sinofsky nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich dabei um eine Vorabversion handelt. Microsoft baue auf dem Fundament von Windows 7 auf. Das bedeutet laut Sinofsky auch, dass alle Applikationen, die unter Windows 7 arbeiten, unter Windows 8 laufen. Bis Unternehmen und Privatanwender selbst testen können, wird aber noch einige Zeit vergehen. Vorerst gibt es für einen eingeschränkten Kreis eine «Developer Preview». Einen weitergehenden Zeitplan oder gar einen Termin für den Verkaufsstart von Windows 8 veröffentlicht Microsoft an der «Build» nicht. Ein Grund dürfte sein, dass der Hersteller weiter an der Portierung seines Systems auf ARM arbeitet. Die Architektur kommt bei aktuellen Tablets zum Einsatz – etwa Android-Geräten wie dem «Galaxy Tab» von Samsung. Die Vorteile von ARM-Rechnern gegenüber x86-Systemen sind geringerer Stromverbrauch und grössere Flexibilität beim Gerätedesign. Die angestrebten Formfaktoren von Windows 8 – 10-Zoll-Tablets bis 30-Zoll-Touchscreens – sind bereits am Markt, das Touch-Design wäre weitestgehend fertig. Die Schwierigkeit besteht in den Legacy-Apps, die im Fenster auf dem althergebrachten Windows-Desktop laufen. Microsoft muss einen Weg finden, wie die x86-Applikationen auch auf ARM-Architekturen laufen. Eine Möglichkeit ist die Virtualisierung, die Windows 8 standardmässig mitbringen wird. Indes kann es zu Leistungseinbussen kommen, die einem modernen Tablet-Rechner nicht gut zu Gesicht stehen.



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