29.07.2015, 09:30 Uhr

Windows 10 im Urteil von Schweizer IT-Experten

Microsofts womöglich letztes grosses Client-Betriebssystem steht in den Startlöchern. Welche Erwartungen haben Schweizer CIOs und IT-Anbieter? Computerworld hat umgehört.
Microsoft lanciert heute das voraussichtlich letzte Desktop-Betriebssystem. Denn Windows 10 wird zum «Windows as a Service»: Updates für neue Funktionen und höhere Sicherheit werden kontinuierlich nachgeliefert. Ein weiterer grosser Release oder auch nur Service Packs sind nicht mehr geplant, sagt Microsoft. Damit sind die IT-Abteilungen in permanenter Alarmbereitschaft, müssen fortwährend testen, ob ein Update den Betrieb stört und die Anwendungen ordnungsgemäss laufen. Zwar will der Hersteller unterschiedliche Rollout-Methoden anbieten, wer am Puls der Kunden bleiben will, ist aber fast genötigt, die Updates permanent einzuspielen. Die Update-Mechanismen sind die wohl grundlegendste Veränderung seit der Einführung der meist verbreiteten Software der Welt. So geraten die Spracherkennung Cortana, der Browser Edge, die auf Smartphones, Tablets und Desktops einheitliche Kachel-Bedienoberfläche und das reaktivierte Start-Menü zu Nebensächlichkeiten. Zum entscheidenden Argument für den Einsatz im Geschäftsumfeld könnte allerdings werden, wenn ein einziger Windows-Code tatsächlich auf allen Computer-Devices läuft. Dann müssten Applikationen nur einmal angepasst oder geschrieben werden, wenn sie auf dem Mobilgerät, dem Notebook und der Datenbrille HoloLens laufen sollen. Wie und wann die einheitliche Windows-Codebasis allerdings realisiert wird, ist bis anhin nicht endgültig geklärt.
Selbstverständlich haben sich die IT-Leiter von Schweizer Unternehmen schon mit den Neuerungen in Windows 10 auseinandergesetzt. Das Interesse ist gross, einige Pilote für die Migration bereits lanciert.

Kontinuierliche Updates

Das neue Liefermodell für Windows kommt bei den hiesigen CIOs durchweg gut an. «Es ist wirtschaftlicher, kontinuierliche Features und Updates zu liefern, anstatt alle zwei bis drei Jahre ein komplett neues Betriebssystem», sagt Jonas Hauser, Verantwortlicher EDV beim Metallbau-Unternehmen Letrona. In seinen Augen hat es Microsoft in den letzten Jahren etwas übertrieben, neue Windows-Versionen zu lancieren. Windows 8 sei nicht ausgereift gewesen, mit Windows 8.1 seien dann viele Kinderkrankheiten behoben worden. Auf diese Erfahrungen möchte Hauser künftig gerne verzichten.
Microsofts Ankündigungen machen Hoffnung, dass sich der EDV-Verantwortliche die Arbeit bald wird sparen können. Allerdings: Letrona will vorerst nicht wechseln. «Wir planen zurzeit keine Betriebssystem-Migration. Zurzeit laufen 95 Prozent unserer Clients mit Windows 7 Professional. Auf den übrigen Geräten ? vor allem Notebooks und Tablets ? wird mit Windows 8.1 gearbeitet», berichtet Hauser. Der Grund ist die Kompatibilität. «Schon mit Windows 8 hatten einige Programme Anlaufschwierigkeiten ? vor allem wenn ältere Java-Versionen oder auch ältere Oracle-Datenbank-Releases benötigt werden», erklärt er. Zwar mache Windows 10 auf ihn den Eindruck, ein besseres Windows 8 zu sein, trotzdem würden viele Programme immer noch nicht rund laufen. Nächste Seite: Windows 10 in der Bank In der IT-Planung bereits berücksichtigt wird Windows 10 bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). «Wir arbeiten zurzeit bereits an der Migration von Windows 7 auf Windows 10. Die ersten hybriden Geräte sollen im nächsten Jahr aufgerüstet werden», sagt Daniel Heinzmann, dort Leiter IT-Strategie, Architektur, Datenmanagement und Sicherheit. Für das neue System sprächen Kosteneffizienz im Betrieb, Plattform-Unabhängigkeit und Stabilität. «Wir hoffen, dass diese Punkte sich im realen Betrieb bestätigen», fügt er aber an. Die veränderten Update-Prozesse werden ihren Teil dazu beitragen.
Bei der ZKB gilt nach Heinzmanns Worten der Grundsatz, dass Updates auf alle Devices in der Unternehmung ausgebreitet werden müssen. Entsprechend sei die interne Release-Politik an das neue Verfahren anzupassen. «Die Umstellung bedeutet einen kurzfristigen aber überblickbaren Aufwand. Mittelfristig scheint das Vorgehen vernünftig zu sein», so der IT-Stratege der ZKB.

Plattform-Unabhängigkeit

Als grössten Vorteil des neuen Releases sieht Heinzmann die Plattform-Unabhängigkeit. Windows 10 sei ein Betriebssystem für alle Geräte. «Zudem kann Windows 10 auch als Plattform für die mobile Beratung mit Tablets eingesetzt werden», skizziert er einen Anwendungsfall.
Der Metallbauer Letrona liebäugelt bei Windows 10 mit einer ganz anderen Plattform als nur dem Desktop. «Gerade für unsere Entwicklungsabteilung ist Windows 10 interessant, speziell in Verbindung mit HoloLens. Die Datenbrille wäre für unserer Konstrukteure ein erheblicher Schritt nach vorne», sagt EDV-Chef Hauser. Konkrete Projekte habe er aber noch nicht. Für eine zukünftige Migration knüpft er aber hohe Erwartungen an das neue System. «Ich gehe davon aus, dass Windows 10 schneller und stabiler laufen wird als seine Vorgänger», glaubt Hauser. Nächste Seite: Blick auf die Konkurrenz Die Vorgänger sind die grösste Konkurrenz für Windows 10. «Wir installieren nach wie vor und bis auf weiteres Windows 7», sagt Marco Rast, Geschäftsführer von Vision-Inside. Der IT-Dienstleister beobachtet, dass die Kunden mehrheitlich Windows 8 und Windows 8.1 auslassen möchten. «In der Business-Welt zählt Funktionstüchtigkeit und Stabilität vor irgendwelchem Feature-Schnick-Schnack», begründet er. Sobald Windows 10 die Stabilität und Kompatibilität (mit Druckern, Drittanbieter-Software und Tools) unter Beweis gestellt hat, sei das neue System aber die erste Wahl. «Dann könnte es dann einen Rutsch geben, bei dem viele Kunden Hybride wie zum Beispiel Surface beschaffen», ergänzt Rast. Er rechnet schon heute damit, dass dies vor dem 14. Januar 2020 sein wird, wenn Windows 7 das Ende seines Lebenszyklus erreicht hat.
Jenseits des Microsoft-Ökosystems gibt es ? trotz aller Kritik an Windows 8 ? wenig Rivalen auf dem Firmen-Desktop. «Im KMU-Umfeld gibt es keine sinnvolle Alternative», urteilt Vision-Inside-Geschäftsführer Rast. ZKB-Stratege Heinzmann äussert sich ähnlich: «Zurzeit ist Windows für uns die beste aller möglichen Optionen. Allerdings prüfen wir regelmässig Alternativen.» Einen Wettbewerber für das im Business omnipräsente Windows identifiziert hat Letrona-Manager Hauser: «In Apples OS X sehe ich eine gute Alternative zu Windows, insbesondere im Hinblick auf Benutzerfreundlichkeit, Stabilität und Verfügbarkeit.» Allerdings, so seine Einschränkung, mangelt es an der Software-Auswahl. Dieses Problem lässt sich womöglich in Zukunft mit Apps für die Apple-Plattformen lösen. Die Auswahl für iOS ist riesig vergleichen mit den relativ wenigen Tools auf dem Windows Phone. Microsoft arbeitet aktuell daran, die Hrden fr App-Entwickler zu senken.



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