01.12.2008, 14:14 Uhr

Von der Innovation zum Produkt

Innovationsprozesse sind so verschieden wie die Unternehmen selbst. Entscheidend für Erfolgsquoten ist nicht der dokumentierte, sondern der gelebte Prozess.
Generischer Innovationsprozess: Elemente des Prozesses sind in vielen Unternehmen zu finden, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten
Eine zündende Idee alleine macht noch lange keinen Geschäftserfolg. Zahlreiche Projekte scheitern, weil es am professionellen Innovationsmanagement fehlt. Die Gründe sind vielfältig: Prozesse sind zu umfangreich dokumentiert und erlauben keine Freiräume, Projektmanager sind nicht hinreichend mit Kompetenzen ausgestattet oder die Grundlagen sind nicht ausreichend geklärt. Die Folgen: zu hohe Kosten, Verzug von Projekten, schwache Innovations-Pipelines und enttäuschte Geschäftserwartungen. Es gibt aber auch erfolgreiche Innovatoren, die überdurchschnittlich hohe Erfolgsquoten in Entwicklungsprojekten haben.
Ein Beispiel ist Apple mit iPod und iPhone. In jedem Fall gilt: Entscheidend für den Erfolg ist nicht der dokumentierte Innovationsprozess, sondern der von den Innovationsakteuren gelebte Prozess. Dieser ist dem Unternehmen und dem Projekt anzupassen - einen universell anwendbaren Innovationsprozess gibt es nicht. Trotzdem lassen sich einige Elemente identifizieren, die erfolgreichen Prozessen gemeinsam sind. Gemeinsam mit dem Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen hat Zühlke diese in einem generischen Innovationsprozess zusammengefasst.

Zweiteilung des Prozesses

In Unternehmen, die über die reine Applikationsentwicklung hinausgehen und im intensiven Innovationswettbewerb bestehen wollen, ist eine Zweiteilung des F&E-Prozesses (Forschung & Entwicklung) in eine kreative «Wolkenphase» und eine klar strukturierte «Bausteinphase» erforderlich. Die Wolkenphase beginnt mit der Suchfeldanalyse zur Identifikation der richtigen Innovationsgebiete. Dieser systematische Prozess untersucht Markt- und Technologietrends sowie den Wettbewerb. Anschliessend werden im Portfolio die neuen Produktprojekte und -programme abgetragen. Daraus resultiert die Business-Idee, die vor allem zwei Dinge sicherstellen soll: Werte kreieren und Werte sichern. Es wird festgelegt, welchen Nutzen die Idee für wen liefert und wie hoch der zu erwartende Preis ist, der auf dem Markt dafür bezahlt wird. Ist die Business-Idee definiert, muss die Machbarkeit aufgezeigt werden. Aus der Abklärung der Wolkenphase ergibt sich der Business Case, der als Dokument die zentralen Ergebnisse zusammenfasst und Grundlage für den Investitionsentscheid ist.

Zunehmende Strukturierung

In der Bausteinphase steht das Prozessmanagement im Vordergrund. Leitplanken werden zunehmend ersetzt durch strukturierte Projektphasen. Das Controlling wird vermehrt eingesetzt, um den Projektfortschritt zu begleiten und das Risikomanagement wird zum zentralen Erfolgsfaktor. Die Geschäftsleitung erhöht aufgrund wachsender Investitionen die Aufmerksamkeit, obwohl die Beeinflussbarkeit der Projektziele (Zeit, Kosten, Qualität und Funktionen) im Projektverlauf abnimmt. Der interdisziplinäre Entwicklungsprozess, bei dem die Produktentwicklung mit Produktion, Einkauf und Marketing eng zusammenarbeitet, beginnt hier.
In dieser Phase werden die Anforderungen detailliert und bewertet. Dies umfasst in der Software-Entwicklung die Entwicklungskostenabschätzung und in der Produktentwicklung zusätzlich die Herstellkostenabschätzung. Auf technischer Seite erfolgt zunächst das Systemdesign. Dessen Ziel ist, zu bestimmen, wie das Produkt entwickelt respektive umgesetzt wird. In einem ersten Schritt gehört dazu zum Beispiel die Ausarbeitung und Beschreibung der Systemarchitektur, Umsetzung und Aufteilung der geforderten Funktionalität in Software und Hardware oder das Festlegen der einzusetzenden Technologien und Werkstoffe.
In einem zweiten Schritt werden diese Konzepte verifiziert. Dazu wird ein (virtuelles oder physisches) Funktionsmuster aufgebaut und gegen die grössten Konzeptrisiken getestet. Mit Abschluss des Systemdesigns ist die technische Umsetzbarkeit des Produktkonzeptes gewährleistet.
Die Einführung strukturierter Prozesse führt zu einer höheren Innovationsrate. Strukturiert heisst aber nicht immer sequenziell. Der Innovationsalltag ist gekennzeichnet von zahlreichen Schleifen, Iterationen und Sprüngen. Ist die Strukturierung zu detailliert oder zu wenig flexibel, droht eine Bürokratisierung.

Meilensteine definieren

Aus diesem Grund sind heutige Entwicklungsprozesse skalierbar und stark iterativ. Letzteres gilt vor allem in der Software-Entwicklung: Der Prozess ist in Phasen gegliedert, die mit Meilensteinen abgeschlossen werden. Die einzelnen Phasen werden in Iterationen zerlegt, die eine fixe Zeit dauern und definierte Ziele haben. Im Gegensatz zu den Phasenzielen können die Ziele der einzelnen Iterationen angepasst werden.

Zwei Methoden der Entwicklung

Bei Software-Entwicklungsprozessen wird zwischen agilen und plangesteuerten Prozessen unterschieden: Agile Entwicklungsprozesse definieren nicht zahlreiche Dokumente und Vorgaben, sondern sind darauf ausgelegt, die Entwickler optimal in ihrer Arbeit zu unterstützen. Voraussetzung dafür ist ein erfahrenes Team, das selbstverantwortlich arbeitet.
Plangesteuerte Prozesse fokussieren auf den Prozess. Das heisst, sie erlauben dank normierter Dokumentationen und standardisierter Vorgehensweise eine einfache Qualitätsprüfung. Damit fördern sie den Know-how-Transfer unter den Entwicklern. Nach dem Prinzip «best of both» werden die beiden Prozesse häufig kombiniert, zum Beispiel Rational Unified Process (RUP) und Scrum (engl. «Gedränge»). Wie bei allen agilen Prozessen fehlt auch bei Scrum die Gliederung in Phasen. RUP stellt die Phasen und Meilensteine zur Verfügung und ist deshalb die ideale Ergänzung zu Scrum.

Post-Projekt-Reviews

Parallel zur Systementwicklung wird der Marketingplan hinreichend detailliert ausgearbeitet. Dies umfasst unter anderem Preispolitik, Markteintrittsstrategien, Distributionskanal und Werbung. Das Projekt erfährt nochmals die grösste Aufmerksamkeit vor der Freigabe zur Markteinführung. Häufig wird auf Kundendruck hin zu früh ausgeliefert. Die Produkte «reifen beim Kunden», das heisst sie werden beim Kunden auf dessen Kosten zu Ende entwickelt - die Kosten explodieren. Das Ergebnis: Statt der Kunden kommen die Produkte wieder zurück ins Unternehmen.
Von grosser Bedeutung für das organisatorische Lernen ist die Manöverkritik (Post Project Review). Statt Schuldzuweisungen sollten zwei Dinge gelernt werden: Erstens direkte Erkentnisse aus dem Projekt: Welche Annahmen waren unrealistisch? Welche Umsatzprognosen waren zu optimistisch, welche zu konservativ? Zweitens das Lernen auf der Metaebene: Wie kann der Innovationsprozess noch weiter verbessert werden? Was sind systembedingte Schwachstellen des Prozesses? Der Innovationsprozess sollte regelmässig hinterfragt und wenn nötig an neue Gegebenheiten angepasst werden. Nur so kann er von den Innovationsakteuren gelebt werden.
Zum Autor: Philipp Sutter ist CEO der Zühlke Engineering AG



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