Vertragsmanagement 14.10.2014, 16:14 Uhr

Nachholbedarf für Schweizer Kantone

Die Nachbetrachtung der Seco-Affäre zeigt: mögliche Korruption wurde durch fehlende Übersicht im Zürcher Justizdepartement erleichtert. Computerworld recherchierte, ob andere Behörden ähnlich anfällig sind.
Fritz & Macziol verdiente in den letzten vier Jahren 8,4 Millionen Franken mit Aufträgen an die Zürcher Justizdirektion. Weil die Softwarefirma direkt mit der Seco-Affre in Verbindung gebracht wird, beauftragte Justizdirektor Martin Graf die kantonale Finanzkontrolle, alle Auftrge von Fritz & Macziol zu durchleuchten. Wie der Tages-Anzeiger schrieb, fiel das Fazit des Berichts vernichtend aus. Verträge seien sehr unscharf und unvollständig gewesen und Rechnungen wurden doppelt bezahlt. Teil des Problems: Der IT-Beschaffungsverantwortliche in der Justizdirektion steht auch dem Bereich Finanzen und Controlling vor ? er kontrollierte sich also selbst. Der andere Grund, warum die Ungereimtheiten niemandem auffielen: eine digitale Ablage für Verträge gibt es nicht. Regierungsrat und Justizdirektor Martin Graf will dieses nun in der gesamten Direktion einführen. Grund genug für Computerworld, bei anderen Zürcher Kantonsbehörden nachzufragen, ob sie auf ein elektronisches Vertragsmanagement setzen.
Schnell wird klar: von einer zentralen Regelung kann keine Rede sein. Mit Ausnahme der Gesundheitsdirektion, die im Geschäftserfassungssystem über ein elektronisches Vertragsmanagement verfügt, wird in den anderen Departementen auf unterschiedliche Lösungen gesetzt. In der Finanzdirektion hat jede Abteilung ihre eigene Lösung. Da wird teilweise mit elektronischen Dokumentverwaltungssystemen gearbeitet und teilweise mit Papierstapeln. Eine zentrale Lösung ist weder im Einsatz noch geplant. Ähnlich sieht es in der Volkswirtschaftsdirektion aus. Verträge sind sowohl in Papierform auch als eingescannt abgelegt. Auch in der Behörde die am meisten mit Verträgen zu tun hat, der Baudirektion, kennt man ein abteilungsübergreifendes elektronisches Dokumentenmanagement nicht. Man will aber schauen, welche Idee das Justizdepartement umsetzen will.

Wer weiss etwas in Bern?

Der Blick in andere Kantonsverwaltung zeigt ein ähnliches Bild wie dasjenige im Kanton Zürich. Im Kanton Aargau gibt es zwar kein departementsübergreifendes elektronisches Vertragsmanagement, sämtliche IT-Projekte werden aber von einem Gremium beurteilt. In diesen ? von der IT Aargau unabhängigen ? Gremien sind IT-Fachleute beziehungsweise die obersten Kaderpersonen aus der Staatskanzlei und allen Departementen vertreten. In Luzern entscheiden die Departemente nach Gutdünken und im Kanton Bern konnte das Amt für Informatik (KAIO) nicht einmal Auskunft geben, ob eine elektronische Lösung eingesetzt wird oder nicht. Besser macht es der Kanton Basel-Stadt. Auf Regierungsratsebene wird das Dokumentenmanagementsystem «CMI-Consul» eingesetzt. Auf Departementsstufe gibt es allerdings auch unterschiedliche Lösungen. Fazit: In den von uns angefragten Verwaltungen gibt es praktisch keine departementsübergreifenden elektronischen Vertragsmanagementlösungen. Der jeweilige Vorsteher muss sich also vor allem auf die Aussagen seiner Mitarbeiter verlassen, wenn es um Verträge geht, die nicht über seinen Schreibtisch wanderten. Bei den unterschiedlichen Aufgaben in den Departementen ist eine gemeinsame Ablage vielleicht auch schwierig realisierbar. Doch zumindest innerhalb der Departemente sollte es zentrale Dokumentmanagementsysteme geben. Der Zürcher Justizdirektor Martin Graf kann seinen Kollegen jetzt zeigen, wie eine solche Lösung aussehen kann - und damit den beschädigten Ruf seines Departements etwas reinwaschen.



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