Salesforce 20.11.2013, 05:11 Uhr

Support-Button für die Zahnbürste

Das 'Internet der Dinge' ist eigentlich ein 'Internet der Kunden'. Dort liegen Milliarden-Umsätze verborgen, glaubt Salesforce-Chefvisionär Marc Benioff. Und er hatte schon einmal recht.
Salesforce-Chef Marc Benioff
Salesforce-Chef Marc Benioff war sichtlich gut gelaunt. Er hat auch allen Grund dazu, denn Salesforce schraubte im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres seinen Umsatz um 36 Prozent nach oben: auf 1,08 Milliarden Dollar (Vergleich zum Vorjahresquartal. Die Zahlen wurden am ersten Tag der Hausmesse Dreamforce bekannt gegeben. "Nur an der Profitabilität müssen wir noch arbeiten", meinte Benioff auf einer internationalen Pressekonferenz in San Francisco. Die Reminiszenz ist der Tatsache geschuldet, dass Salesforce trotz Umsatzsteigerung in Q3 einen Nettoverlust von 21 Cent pro Aktie erwirtschaftete. Mit einem erwarteten, aktuellen Jahresumsatz von 4,05 Milliarden Dollar sieht Benioff seine Salesforce als viertgrösstes Software-Unternehmen der Welt, nach Microsoft, Oracle und SAP. Die drei grossen Elefanten stehen mit einem Fuss in der On-premise-Welt und versuchen jetzt mühsam den Spagat. Salesforce aber setzte von Anfang an auf Cloud und Mobile. Deswegen wächst Salesforce so rasant, und das soll so weiter gehen. Das Internet der Dinge sei eigentlich ein Internet of Customers, den hinter jedem Ding steckt ein Kunde, meinte Benioff. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen. "Wo ist zum Beispiel der Alarmknopf an meiner Zahnbürste, wenn ich mal Probleme habe", krittelte Benioff, und zog auch gleich augenfällig einen elektrischen Zahnreiniger aus der Jackentasche. Jedes Produkt sollte, laut Benioff, einen solchen SOS-Button haben. Das verstehe er unter echter Interaktion mit dem Kunden.

Mega-Apps und Mega-Plattform

Benioff ist ein Showmaster, Clown und Entertainer, aber er ist auch Visionär. Die mobile Plattform Salesforce1 war eigentlich die einzige echte Neuheit der Dreamforce in San Francisco, und damit konsolidiert Salesforce erst einmal sich selbst. Damit soll es möglich sein, mobile Apps für die Sales-, Services- und Marketing-Cloud sehr schnell und einfach zu entwickeln, und zwar nativ für Apple iOS, ANdroid, Blackberry und browserbasiert in HTML5. Hinzu kommen APIs, also Entwicklungsumgebungen unter anderem für SAP und Oracle (die sogenannte Daten-APIs). Mit Salesforce1 lassen sich Funktionalität und Daten aus den Salesforce Clouds und aus Fremdsystemen miteinander kombinieren. "In bestimmte Bereichen hatten wir keine APIs für den mobilen Formfaktor", so Co-Gründer Parker Harris. In Salesforce1 kommen jetzt "alle Dinge zusammen, die wir bislang gemacht haben: wie Chatter, VisualForce, Heroku1, ExactTargeting/Marketing, Clouds".Bestandskunden werden automatisch auf Salesforce1 upgedatet. Nächste Seite: Salesforce' Geheimnisse "Wir haben unsere mobilen Apps wie Facebook oder Google gebaut und wollen den Endanwender so erfolgreich wie möglich machen", sagte Steve Garnett (chairman Emea) zu Computerworld. Angeblich laufen die Kunden in Scharen von Oracle und SAP zu Salesforce über - wenn es um CRM-Kundenpflege, Sales und Marketing geht. Garnett verschweigt aber geflissentlich, dass SAP mit seinem Projekt Fiori eine Charmeoffensive punkto intuitiv bedienbare, mobile Apps gestartet und bereits erste Resultate präsentiert hat. Gleichwohl, da hat Garnett recht, hat SAPs CRM bislang nicht gerade den besten Ruf.Für einen Cloud-Pionier wie Salesforce mag es leichter sein, mobile und soziale Apps zu entwickeln als für Konzerne wie Oracle (Datenbanken) und SAP (ERP), die den Weltmarkt beherrschen und dieses Legacy- Erbe wie einen Klotz am Bein mit sich herumschleppen.

Hassliebe: Benioff und Oracles Ellison

Vorzeigekunden wie Canon, Philips, l'Oreal und Sony bekamen auf der Dreamforce ihren Auftritt und äusserten sich dementsprechend euphorisch über die neue mobile Plattform. Und obwohl der Endanwender von Technologie völlig entlastet werden und die Salesforce Apps so leicht wie Facebook oder Google bedienen können soll - ganz ohne Technik funktioniert auch Salesforce natürlich nicht. Salesforce Cloud-Datenbank etwa läuft auf einer Oracle 11g, also dem ausgereiften Paradeprodukt desjenigen Unternehmens, gegen das Benioff immer wieder gerne anmeckert. Benioff ging zunächst bei Oracle-Chef Larry Ellisons in die Lehre, machte sich dann aber als Cloud-Pionier selbstständig. Benioff hat Ellison wohl mehr zu verdanken, als er gerne zugibt, Ellison dagegen hat das Cloud-Zeitalter lange Zeit verspottet und letztendlich verschlafen. Beide Männer können sich das bis heute nicht verzeihen. Nächste Seite: Benioffs Mega-Deal mit HP "Wir lassen einige unserer Software-Lösungen auf einer Oracle Exadata (Datenbank- Appliance) laufen, unsere Partnerschaft mit Oracle ist ausgezeichnet", beschwichtigt Salesforce-Co-Gründer Parker Harris. Als exklusiven Hardware-Partner hat sich Salesforce allerdings gegen Oracle und für Hewlett-Packard entschieden. "HPs converged infrastructure ist plänomenal", meinte Benioff in dem für ihn typischen Hang zum Superlativismus.

Eine Hand wäscht die andere

Zusammen mit HP baut Salesforce an dedizierten Hardware-Instanzen, den sogenannten Superpods, für Kunden, die das wünschen und damit etwa eine gehostete private Cloud aufbauen wollen. Intern arbeiten Superpods nach dem Multitenant-Prinzip, teilen also Ressourcen. Gegen andere Salesforce-Kunden sind sie jedoch abgeschirmt. "Er habe sich schon vor einem Jahr mit HP-Chefin Meg Whitman getroffen und die Superpod-Idee ausgebrütet", verriet Benioff. Die Liebe zwischen den beiden scheint gegenseitig zu sein. Vor etwa einem Jahr sattelte HP von Oracle CRM auf Salesforce CRM um. Auch bei der neuen Mobil-Plattform Salesforce1 hat Benioff getrickst. Vor einigen Monaten hätten Salesforce-Entwickler die Chatter-App (Collaboration), die man auf Apples App Store kostenlos herunterladen kann, heimlich, still und leise gegen eine Salesforce1-App eingetauscht. Kunden hätten nichts davon gemerkt, aber äusserten sich wieder mal extrem euphorisch. Die App hätte 5-Sterne-Ratings eingeheimst, und für die Salesforce- Programmierer sei das ein oder andere wertvolle Feedback herausgesprungen, erzählte Beniof in San Francisco. Dieser Benioff, was für ein Schlitzohr. Kurz vor der Dreamforce habe man dann einfach das App-Label "Chatter" gegen "Salesforce1" ausgetauscht - fertig war der Megalaunch.



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